Immer mehr Menschen sind im Alter arm, weil ihre Rente nicht reicht. Deshalb haben ver.di und die DGB-Gewerkschaften jetzt die Kampagne gestartet "Rente muss reichen", für morgen, fürs Leben

Mit der eigenen Rente beschäftigen sich viele oft erst, wenn sie Mitte 50 sind. Wenn sie anfangen, darüber nachzudenken, wie sich denn die langgehegten Wünsche für die Zeit nach der Arbeit verwirklichen und vor allem finanzieren lassen. Und für viele kommt dann ein bitteres Erwachen. Denn die Summen, die ihnen mit der gesetzlichen Rente im Alter Monat für Monat bleiben, reichen oft noch nicht einmal mehr für den Alltag, an das Erfüllen von Wünschen oder gar Träumen ist überhaupt nicht zu denken. Und das selbst bei denjenigen, die ihr Leben lang gearbeitet haben.

So wie Vera Zabel. "Der Lebensleistung, die ich erbracht habe, wird meine Rente nicht gerecht mit der Absenkung auf 41,7 Prozent", sagt die 60-Jährige. Mehr wird ihr nicht bleiben. Für sie ist klar, dass sie auch nach dem offiziellen Ausscheiden aus dem Berufsleben noch weiter jobben muss. Und die gebürtige Mecklenburgerin wird mit ihrem Mann auch in den Norden zurückziehen müssen, denn die Lebenshaltungskosten in München, wo sie derzeit leben, sind für ihre beiden Renten einfach zu hoch.

Die Absenkung des Rentenniveaus ist politisch gewollt. Die damalige rot-grüne Bundesregierung hat vor 15 Jahren die Weichen dafür gestellt, sämtliche folgenden Regierungen haben das Projekt fortgeführt. Bei 43 Prozent soll es 2030 liegen, aber nur für die, denen es gelingt, 45 Jahre durchgehend zu arbeiten. Wem das nicht reicht, der soll privat vorsorgen, dachten sich die Politiker/innen Anfang des Jahrtausends. Sie ließen jedoch außer Acht, dass es bei denen, die im Berufsleben schlecht bezahlt werden, gar nicht für die private Vorsorge reicht.

"Eine Rente, die vor Armut schützt, ist eine Grundforderung für soziale Gerechtigkeit. Wir werden nicht lockerlassen, bis sich die Politik auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zubewegt."

Frank Bsirske, ver.di-Vorsitzender

Auch Angelika Hoffmann hat ihr Leben lang gearbeitet. Dafür bekommt sie jetzt rund 1.000 Euro im Monat. Allerdings braucht sie Medikamente und medizinische Behandlungen. Dafür muss sie immer mehr zuzahlen von ihrer knappen Rente, die Erosion des Sozialsystems trifft sie doppelt.

"Es werden mir keine Würde und kein Respekt entgegengebracht von den politischen Vertretern, die dafür zuständig sind", sagt sie. Wer sein Leben lang gearbeitet hat, sollte wenigstens in Würde leben können. Deswegen haben der Deutsche Gewerkschaftsbund und seine Mitgliedsgewerkschaften, darunter auch ver.di, jetzt eine Rentenkampagne gestartet. "Rente muss reichen", für morgen, fürs Leben. Bis zur Bundestagswahl im Herbst 2017 und wenn nötig auch darüber hinaus wollen sich die Gewerkschaften dafür einsetzen, das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung zu stabilisieren und dann wieder anzuheben. Denn um 2030 eine Rente auf Grundsicherungsniveau zu bekommen, müsste ein heute 52-Jähriger 40 Versicherungsjahre lang mindestens 2.500 Euro brutto im Monat verdient haben.

"Massenhaft Altersarmut kommt auf uns zu", warnte der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske bei der 12. Frauen-Alterssicherungskonferenz von ver.di Anfang September. Er nannte eine Rente, die vor Armut schützt, eine "Grundforderung für soziale Gerechtigkeit". Die Kampagne habe einen Paradigmenwechsel zum Ziel. Es könne nicht mehr darum gehen, die Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung stabil zu halten, vielmehr müsste die Rente endlich wieder den Lebensstandard sichern. "Die drohende Altersarmut ist eine tickende soziale Zeitbombe", warnt Bsirske. Rente müsse im Alter ein Leben in Würde ermöglichen. Das sei ein Thema, das alle angehe. "Wir werden nicht lockerlassen, bis sich die Politik auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zubewegt", kündigte der ver.di-Vorsitzende an.

Fallbeispiele Seiten 12+13

"Eine Rente, die vor Armut schützt, ist eine Grundforderung für soziale Gerechtigkeit. Wir werden nicht lockerlassen, bis sich die Politik auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zubewegt."

Frank Bsirske, ver.di-Vorsitzender