Vor 30 Jahren haben die Gewerkschaften ihren Verein gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit gegründet. Schon damals war ihnen das Thema so wichtig wie heute

Gemeinsam im Verein aktiv: Klaudia Tietze, Holger Vermeer, Marco Jelic, Heidemarie Bruno und Giovanni Pollice (von links)

Von Heide Platen

Der Kumpelverein feiert im November seinen 30. Geburtstag. Eine Runderneuerung hatte er sich 2011 gegönnt, zum 25. Jahrestag. Aus dem wie mit dem Pinsel gestrichenen roten Schriftzug auf der gelben Hand wurde einer in klarer Maschinenschrift: "Mach' meinen Kumpel nicht an!" Auch der offizielle Vereinsname wurde aktualisiert, kürzer ist er dadurch allerdings nicht geworden, sondern länger: "Mach' meinen Kumpel nicht an! Für Gleichbehandlung, gegen Fremdenfeindlichkeit und Rassismus". Die Geschäftsführerin Klaudia Tietze (38) erinnert sich an emotionale Diskussionen: "Viele hingen an dem alten Schriftzug. Aber wir wollten einfach moderner werden." Und außerdem sollte der neue Name auch positiv motivierend wirken. Deshalb kam die Gleichbehandlung dazu und Ausländer- wurde durch Fremdenfeindlichkeit ersetzt. "Jetzt ist unser Name gleich das ganze Programm", sagt Tietze.

Wie es begann

Wem das zu kompliziert ist, der sagt sowieso schon seit der Gründung 1986 "Kumpelverein" oder "Gelbe Hand". Und jeder weiß, was gemeint ist, nämlich eine der ältesten antirassistischen Organisationen der Bundesrepublik. 1985 brachten Gewerkschafter/innen das Symbol der Initiative SOS Racisme aus Frankreich mit. Deren auf gelber Hand geschriebener Slogan lautete "Touche pas à mon pote".

Die Idee zum deutschen Verein entstand in der Redaktion des DGB-Jugendmagazins ran, das im September 1985 zusammen mit der DBG-Jugend ein Schwerpunktheft herausbrachte, das damals unerwartet große Resonanz fand. Seither ist der Verein überall dabei, bei Veranstaltungen und Demonstrationen, er bietet Info-Stände, Vorträge, Seminare und Workshops an und liefert eine Fülle von oft selbst erarbeiteten Materialien gegen Diskriminierung und Rassismus, für Gleichberechtigung und Chancengleichheit in Betrieben. Viele der Handreichungen sollen Gewerkschafter/innen, Betriebsräten und Vertrauensleuten im Alltag helfen und Vernetzung ermöglichen. Sticker, Plakate, Fahnen können bestellt werden. Die Datenbank Gutes aus der Praxis für die Praxis unterstützt Interessierte elektronisch. Der Newsletter Aktiv für Chancengleichheit informiert sie aktuell. Schwerpunkte sind derzeit sowohl der Rechtsruck in Deutschland als auch die Auseinandersetzungen über den Umgang mit Flüchtlingen.

Der Wettbewerb für junge Leute

Ein Kernstück der Arbeit ist auch der 2005 ins Leben gerufene Wettbewerb, der sich vor allem an Auszubildende und Berufsschüler/innen wendet. Sie werden angeregt, sich mit den Themen Fremdenfeindlichkeit und Chancengleichheit zu beschäftigen und Projekte dazu zu erarbeiten.

Im Rahmen des Wettbewerbs bauten Azubis mehrerer Metallbetriebe gemeinsam eine Skulptur, die 2013 in Leverkusen enthüllt wurde. Ein Strudel symbolisiert Hass, die gelbe Hand widersteht dem Sog. Im Laufe der Jahre sind Postkarten, Collagen, Plakate, Filme, Videos und Theaterstücke entstanden. 2013 ging der 1. Preis an Jugendliche, die eine DVD produziert hatten, auf der sechs junge Leute aus ihren Herkunftsländern und von ihren Erfahrungen in Deutschland berichteten.

2015/2016 gewann eine Vorbereitungsklasse des Berufskollegs aus Opladen mit ihrem Video Die 30 Menschenrechte. In den handwerklich gut gemachten, teils witzigen, aber auch brutalen kurzen Sequenzen sei es gelungen, "eine klare Botschaft" auszusenden, so die Begründung der Jury. "Ihr müsst eure Rechte kennen und verteidigen, wenn andere diese brechen." Die jungen Preisträger/innen seien "unsere Zukunft und das Rückgrat unserer Demokratie".

Nach schleppendem Beginn sei der Wettbewerb mit den Jahren immer beliebter geworden, sagt Klaudia Tietze. Durchschnittlich gebe es pro Ausschreibung rund 40 Beiträge: "Es waren aber auch schon mal 113." Die Themen seien vielfältig und eigentlich unabhängig von der Stimmung in der Bevölkerung. "Die Jugendlichen können sich frei austoben."

Ihr Lieblingspreisträger sei ein Film der Jugend der Stadtwerke Düsseldorf gewesen, der sich mit Vorurteilen auseinandersetzte. "Der war klasse!" Generell sei es aber "wahnsinnig schwierig, eine Entscheidung zu treffen, wer gewinnen soll". Für die Zukunft erstrebe der Kumpelverein, dass das Thema Antirassismus als "wirklich dauerhaftes Element" mehr Einzug in die Ausbildung an den Berufsschulen halte, "dass die Lehrer sich mehr an das Thema herantrauen". Eine "Supergeschichte" sei das bei der Rheinbahn AG geworden, wo es bereits fester Bestandteil der Ausbildung im ersten Lehrjahr geworden sei.

Schimanskis Einsatz

Der Verein gewann schnell Unterstützer und Fördermitglieder. Zu ihnen gehörten schon in den Anfängen Ex-Bundeskanzler Willy Brandt, Udo Lindenberg, Nena, der Journalist Günter Wallraff und der Schauspieler Götz George. Der machte die gelbe Hand 1988 in dem Ruhrpott-Tatort Gebrochene Blüten populär. Er trug den Sticker an der legendär zerknitterten, hellbraunen Windjacke.

Eines der besonders bewegenden Projekte hat der Vereinsvorsitzende Giovanni Pollice zusammen mit dem Autor Antonio Riccò initiiert. Die musikalisch untermalte szenische Lesung Ein Morgen vor Lampedusa ist eine Textcollage aus Zeugenaussagen und dokumentarischem Material zur Flüchtlingstragödie 2013. 366 Flüchtlinge starben damals vor der Küste der italienischen Insel. Das Stück ist mittlerweile deutschlandweit rund 200 Mal aufgeführt worden.

Giovanni Pollice ist seit 2008 Vereinsvorsitzender. Er kam als Zwölfjähriger nach Deutschland, sein Vater holte die Familie damals nach Baden-Württemberg. Er lernte Betriebsschlosser. "Aber ich hatte zwei linke Hände", sagt er. Er engagierte sich schon als Jugendlicher in der Gewerkschaft, wurde Jugendvertreter, mit 21 Jahren jüngster Betriebsrat, bildete sich weiter, wurde Gewerkschaftssekretär bei der IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE) und dort Leiter der Abteilung Migration. Pollice ist ein Mann der klaren Worte. Im Sommer 2016 sagte er in einem Vortrag deutlich: "Ich diskutiere nicht mit den Rädelsführern von AfD oder Pegida." Sie seien menschenfeindlich und antidemokratisch. Außerdem fordert er in seinen Vorträgen Aufklärung über den Rassismus als Pflichtfach im Schulunterricht.

Seit Beginn seiner Amtszeit wirbt Pollice unermüdlich neue Mitglieder für den Verein. Er sei, so Klaudia Tietze, ein kämpferischer Typ. Und: "Wir verdanken ihm viel. Er ist das Gesicht des Kumpelvereins." Nie gehe er ohne Aufnahmeanträge aus dem Haus: "Die hat er immer in der Tasche."

Es sei wahr und nicht nur Legende, bestätigt Pollice, dass er manchmal ordentlich Druck mache. Es stimme, dass er auch schon gedroht habe, einen Veranstaltungsraum nicht zu verlassen, ehe nicht zehn neue Mitglieder in den Kumpelverein eingetreten seien. "Ich habe dann elf bekommen." Auch bei den Vorständen der Einzelgewerkschaften sieht er ein noch unerschlossenes "hohes Potential". Er sagt: "Ich habe vielleicht die Hälfte, aber die andere kriege ich auch noch." Seit einem Jahr ist Pollice in Altersteilzeit. Seither sei er noch viel mehr für den Verein unterwegs. "Von nichts kommt nichts - oder wenig", sagt er. Und: "Die Demokratie wurde uns nicht geschenkt. Wir müssen sie jeden Tag verteidigen!"

Jubiläum in Berlin

Der 30. Geburtstag des Kumpelvereins wird vom 11. bis 13. November mit einem Empfang und einer Fachtagung in Berlin gefeiert. Festreden werden die Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, SPD, und der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann halten. Themen werden Rassismus und der Umgang mit Geflüchteten sein. Giovanni Pollice wünscht sich zur Feier, "dass wir noch mehr Leute überzeugen können. Das ist heute so notwendig wie vor 30 Jahren!" Aufnahmeanträge wird er reichlich dabei haben. Wir gratulieren.


Der Verein

Die Gründung:Der Kumpelverein wurde 1986 gegründet. Sein Sitz ist Düsseldorf. Er arbeitet mit drei hauptamtlichen Kräften.

Der Name: Der Slogan wurde aus Frankreich übernommen: "Touche pas à mon pote". Pote bedeutet Freund, Kumpel, abgeleitet vom spätlateinischen companio. Das ist jemand, mit dem man sein Brot teilt. Der Begriff wurde im 19. Jahrhundert auch im Bergbau gebräuchlich.

Die Mitglieder: Mitglieder sind der DGB, die Einzelgewerkschaften und andere Organisationen. Dazu kommen nicht stimmberechtigte Fördermitglieder. Inzwischen sind es rund 1.200.

Die Finanzierung: Der Verein finanziert sich durch die Gewerkschaften, Zuschüsse anderer Organisationen und Behörden, Beiträge von Fördermitgliedern und Spenden.

Der Wettbewerb: Der Wettbewerb für Schüler und Auszubildende ist offen in Form und Themenwahl. Der 1. Preis ist mit 1.000, der 2. mit 500, der 3. mit 300 Euro dotiert. Außerdem gibt es Sonderpreise.

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