Ausgabe 06/2016
Musik
Ceuzany: Ilha d'Melodia
Erst in den neunziger Jahren erscheinen die Kapverden überhaupt auf der musikalischen Weltkarte. Die atlantische Inselgruppe hatte nach der "Nelkenrevolution" von 1974 ihre Unabhängigkeit von Portugal erlangt. Mehr wusste man eigentlich nicht. Mit dem internationalen Erfolg von Cesaria Évora stellte sich dann aber schnell heraus, dass der kleine Inselstaat vor Westafrika mit seinen gerade mal 350.000 Einwohnern eine Fülle an Stilen und Interpreten zu bieten hat. Hierzu zählt auch Ceuzany, die auf Ilha d'Melodia überzeugend ihr gesangliches Potential entfaltet. Nicht nur in der melancholisch klagenden Morna, dem kapverdischen Blues. Ceuzany und ihre weitgehend akustische Band beherrschen auch die tanzbare, scheinbar unbekümmert heitere Seite der kapverdischen Mischkultur. Einer kreolischen Mixtur, in der ganz selbstverständlich die Balance aus afrikanischem und europäischem Erbe das Lebensgefühl prägen. Aktuelles kapverdisches Insel-Feeling mit Fernweh-Faktor, dank Ceuzany jetzt auch in mitteleuropäischen Wohnzimmern. Peter Rixen
CD, Lusafrica / Rough Trade
Embryo: It Do
In dem Jahr, in dem sich Embryo gründeten, wurde Willy Brandt zum Bundeskanzler gewählt und Neil Armstrong spazierte als erster Menschen auf dem Mond herum. Beide sind lange tot, die Münchener Band aber hat ein neues Album herausgebracht. Auf It Do spielt nun aber Marja Burchard, die auf vielen Instrumenten versierte Tochter des mittlerweile 70-jährigen Bandimperators Christian Burchard, eine zentrale Rolle. Trotz des frischen Blutes scheinen Embryo vor allem die eigene Bandgeschichte zu rekapitulieren, das allerdings im konsumentenfreundlichen Schnelldurchlauf: Jazzrock, mit dem Embryo in den 70er-Jahren bekannt wurden, und orientalische Klänge, die die Weltmusik-Pioniere früher als alle anderen entdeckten, werden zu hypnotisch pulsierenden Instrumentals verschmolzen. Doch Embryo können auch eingängige Popsongs und verstrahlte Experimente, ihr Kosmos ist weit gefächert. Der Albumtitel ist eine dadaistische Verdrehung des alten, die Revolution fordernden Beatnik-Slogans "Do It". Das passt, denn auch wenn Embryo nicht explizit politisch sind, ihr weltumspannender Sound ist es allemal. Wenn Musiken aus dem Westen und aus muslimischen Ländern so schwerelos zueinander finden, dann ist das - gerade in diesen Zeiten - Aussage genug. Thomas Winkler
CD, Trikont
Jasmin Tabatabai: Was sagt man zu den Menschen, wenn man traurig ist?
Das muss man erst einmal hinkriegen: Ein Lied von Georg Kreisler genauso klingen zu lassen wie eins der Puhdys. Das muss man sich erst einmal trauen: Reinhard Mey und Cole Porter zu Nachbarn erklären. Jasmin Tabatabai ist Sängerin, Autorin, Schauspielerin und auf ihrem neuen Album auch große Versöhnerin von Gegensätzen. Egal, ob die Berlinerin ein Volkslied aus ihrem Geburtsland Iran adaptiert, einen Text von Tucholsky vertont, einen Chanson von Michel Sardou singt oder wenige eigene Songs: Die Stimmung ist melancholisch, die Arrangements wohl temperiert, und Tabatabai singt nahezu spartanisch. Sie spricht lieber, als ihre Stimme zu bemühen, entwickelt lieber Intensität, anstatt die Melodien mit unnötigem Zierrat zu verkitschen. Die schönsten Momente sind denn auch ihre Interpretationen des Titelsongs von Kreisler und der Puhdys-Klassiker Wenn ein Mensch lebt aus dem Film Die Legende von Paul und Paula. Beide handeln von Trauer, vom Sterben sogar, aber Jasmin Tabatabei findet für solche Themen genau den richtigen Ton. Thomas Winkler
CD, Jadavi Records