Ausgabe 07/2016
Musik
The Klezmatics: Apikorsim - Heretics
Als in den 1970er Jahren junge amerikanische Juden die musikalischen Traditionen ihrer Vorfahren wiederbeleben, ahnt noch niemand, dass der Sound der osteuropäischen Schtetlech auch im alten Europa wieder Fuß fassen würde. Ende der Achtziger kommen The Klezmatics nach Deutschland und leisten seither mit ihren Konzerten und CDs Aufbauhilfe für eine sich nach und nach etablierende Klezmer-Szene. Yiddish Soul nennen die Klezmatics ihre moderne Klezmer-Konzeption mit klugen, sozial engagierten Texten. Eine Mischung aus Urwüchsigkeit und Scharfsinn, die noch dazu sehr tanzbar ist und so auch jenseits der Jewish Community extrem gut ankommt. Das New Yorker Sextett steht seit seiner Gründung im Jahr 1986 - getreu dem Titel seiner neuen CD ("Apikorsim" = Heretiker) - für das Infragestellen und Aufbegehren gegen die vermeintliche Unumstößlichkeit einmal getroffener Leitsätze, verordneter Wahrheiten und weltanschaulicher Dogmen. Internationaler Erfolg und mehrfache Auszeichnungen sind der Lohn dafür. Glückwunsch zum runden Band-Jubiläum und Masel tov! Peter Rixen
CD, World Village / Rough Trade
Rolling Stones: Blue & Lonesome
Gut, man sollte von einer Band mit einem Durchschnittsalter von 72 Jahren nun wirklich keine Innovationen mehr erwarten. Aber stattdessen ein gerüttelt Maß an Weisheit. Und die weisen die Rolling Stones mit Blue & Lonesome, ihrem ersten Studioalbum seit elf Jahren, tatsächlich nach. Statt zu versuchen, den Anschluss an die Moderne zu gewinnen, der ihnen bei ihren letzten Produktionen allzu oft misslang, besinnen sich Mick Jagger, Keith Richards, Charlie Watts und Ronnie Wood auf ihre Wurzeln. Und die liegen im Blues. Auf ihrem sage und schreibe 52 Jahre alten Debüt The Rolling Stones fanden sich bis auf eine einzige Eigenkomposition nur nachgespielte R&B- und Blues-Klassiker. Für das neueste Werk verzichten die Stones nun erstmals in ihrer Karriere vollständig auf selbst Geschriebenes, sondern würdigen mit zwölf Coverversionen jene Männer, die einst erst den Boden für die womöglich größte Rockband des Planeten bereitet haben. Die Stücke, die die Stones weitgehend respektvoll und angemessen dreckig neu in Szene setzen, sind dabei nur selten altbekannte Standards. Stattdessen kommen nahezu vergessene Pioniere wie Otis Hicks oder Little Walter zu ihrem Recht. Das ist aber nicht nur eine schöne Geste, sondern klingt - zumindest für Liebhaber des Blues - auch ziemlich gut. Thomas Winkler
CD, Polydor/Universal