Bill Viola

Vor einer Video- oder Klanginstallation des amerikanischen Medienkünstlers Bill Viola zu stehen, ist jedes Mal ein bisschen, wie in einen anderen Raum und in eine andere Zeit einzutreten. In Nantes Triptychon von 1992 etwa wechselt der Blick ständig zwischen dem linken und dem rechten Flügel hin und her, gebärt auf dem einen doch gerade eine Frau, gestützt von ihrem Mann, das gemeinsame Kind, während auf der anderen Seite ein alter Mensch allein in einem Bett stirbt. Die laufenden Bilder vom Werden und Gehen kriechen beim Betrachten unter die Haut und wecken vor allem Mitgefühl für beide Extremsituationen. Die Installationen Bill Violas vermögen es, den Betrachter für seine Themen zu vereinnahmen. Um Geburt, Tod, die Liebe, Gefühle, aber auch die verschiedenen Religionen kreisen seit gut 40 Jahren Violas Gedanken. Jetzt widmen die Hamburger Deichtorhallen ihm, der auch gern der Rembrandt des digitalen Zeitalters genannt wird, mit seinen teils bis zu zehn Meter hohen Installationen eine große Werkschau - und die hat es in sich. Petra Welzel

HAUS DER PHOTOGRAPHIE/DEICHTORHALLEN, DEICHTORSTR. 1-2, HAMBURG, DI-SO 11-18 UHR, BIS 10. SEPTEMBER 2017


Wolfgang Herrndorf: Das unbekannte Kapitel

Als der Schriftsteller Wolfgang Herrndorf vor vier Jahren aus dem Leben schied, war eigentlich nur von dem Autor Herrndorf zu lesen und zu hören. Vor allem dem Autor des Romans Tschick, einem einzigartig komischen wie traurigen Roadmovie, der inzwischen auch die Kinoleinwände erobert hat. Tatsächlich angefangen hat Wolfgang Herrndorf sein künstlerisches Schaffen jedoch als Maler, Zeichner und Illustrator. Viele Jahre war er die "Geheim- und Allzweckwaffe" des Satire-Magazins Titanic. Das Kunsthaus Stade stellt nun 140 Werke aus Herrndorfs Nachlass von über 600 Gemälden und Zeichnungen aus. Und die zeigen ihn als Realisten, der der Welt dennoch eine surreale Seite abzugewinnen weiß, ein Stilmittel, das auch seine Romane auszeichnet. Viele seiner Selbstporträts ist zudem anzusehen, wie sehr ihn der Maler Albrecht Dürer beeinflusst hat. In dessen Heimatstadt Nürnberg hatte der norddeutsche Herrndorf Malerei studiert. In Anlehnung an dessen berühmtes Selbstbildnis als Christus zeigt sich Herrndorf in gleicher Pose mit Bohrmaschine und kaputtem T-Shirt. Als Handwerker zollt er dem Meister Tribut - das ist schon meisterlich. Petra Welzel

MUSEEN STADE, WASSER WEST 7, DI/DO/FR 10-17, MI 10-19, SA / SO 10-18 UHR, BIS 3. OKTOBER 2017


Pixelprojekt Ruhrgebiet

Wer das Ruhrgebiet kennenlernen möchte, hat dazu jedes Jahr aufs Neue beim Pixelprojekt im Wissenschaftspark Gelsenkirchen Gelegenheit. Auch in diesem Jahr haben sich 21 Fotografinnen und Fotografen in der Region umgesehen, und festgehalten, was für sie das Ruhrgebiet ausmacht. In Jutta Schmidts Serie Nebensaison ist das zum Beispiel ein Picknicktisch mit Grill und Blumentopf irgendwo auf einer Brache neben einer Baustelle. Andere haben sich den Flüchtlingen und ihrem Alltag zugewendet. Brigitte Kraemer hat ihre Porträtserie Das große Warten genannt. Auch Bilder aus den 70er Jahren haben Eingang in die Ausstellung gefunden, genauso wie Landschafts- und Tierbilder. Sie alle zeigen, dass sich das Ruhrgebiet nicht typisieren lässt. Es ist bunt und vielseitig und gilt, immer wieder neu entdeckt zu werden. Petra Welzel

WISSENSCHAFTSPARK GELSENKIRCHEN, MUNSCHEIDSTR. 14, MO-FR 6-19, SA 7.30-17 UHR, BIS 30. SEPTEMBER 2017