Wohin Privatisierung im Gesundheitswesen führt, legt der Betriebsratsvorsitzende am Berliner Heliosklinikum Baki Selcuk offen. Auch hier diktiert das Profitstreben. Die Eigentümer des Fresenius-Konzerns wollen Dividenden sehen. Das ist ihr gutes Recht. Dass dies dann damit zu erreichen versucht wird, indem gesetzliche Vorgaben wie zum Beispiel Pausenregelungen unberücksichtigt bleiben, macht deutlich, welche Motivation die leitenden Damen und Herren in diesen Häusern antreibt - weder das Bedürfnis der Patientinnen und Patienten nach optimaler Versorgung noch das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im medizinischen und Pflegebereich, die dies leisten müssen. Es hatte schon seinen Sinn, dass sich vor der Privatisierungswelle Krankenhäuser als tragende Säule eines öffentlichen Gesundheitswesens als Dienst an den Bürgerinnen und Bürgern verstanden haben und nicht die Ökonomie Prioritätsanspruch zu erheben in der Lage war. Dahin sollten wir zurückkehren! Dazu passt auch der Beitrag von Dierk Hirschel über kriminelle Machenschaften bei Finanzdienstleistern. Das Wort Skandal ist hier fast zu tief gegriffen. Während jeder Arbeitnehmer und Rentner seine Einkünfte offenzulegen und die dann zu errechnende Steuer abzuführen hat und darüber hinaus täglich pünktlich mit Zahlung der Mehrwertsteuer das Funktionieren unseres Staates garantiert, bestehen für die Jongleure in den Finanzmärkten eine Fülle von Möglichkeiten, den Staat - und damit uns alle - zu betrügen und zu belügen. Da bedarf es erst eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses, um diese Schweinereien offenzulegen. Von einem Gesamtschaden in Höhe von bis zu 32 Milliarden (!) Euro wird berichtet (Südwestpresse vom 21.06.2017). Und dann erdreisten sich die Vertreter von CDU/CSU und SPD noch festzustellen, hier habe die Finanzverwaltung "nicht versagt". Wie bitte? Wäre es nicht vorrangig Aufgabe dieser Finanzverwaltung gewesen, diese Vorgänge unverzüglich aufgeklärt zu haben, ehe sich das Parlament darum zu kümmern gezwungen sieht?

Waldemar Hirsch, Heidenheim

Vielen Dank für die Texte von Dierk Hirschel und Henrik Müller über Cum-Ex / Cum-Cum-Geschäfte sowie "Fakenews" über zu hohe Steuern im Kampf um Steuersenkungen (anstatt Steuererhöhungen). Krankenhäuser, Bildung, Straßen usw. erfordern so viel mehr Geld, aber die Besitzer hoher Einkommen und Vermögen entziehen dem Staat mit sportlicher Eleganz einen höheren Beitrag. Dieses nun auch bei einer aktuell bejubelten "Hochkonjunktur". Ich erinnere mich, im letzten Bundestagswahlkampf von der SPD die Forderung nach Steuerhöhungen gehört zu haben, was bei der Großen Koalition dann selbstverständlich kein Thema mehr war. Bin gespant, was dieses Jahr da noch kommt. Die Themen Hartz IV und Armutsbericht werden wohl auch nicht sonderlich im Fokus stehen. Unser seit Jahrzehnten faszinierter Blick auf die Entwicklungen in den USA lehrt mich auch für die Bundesrepublik das Fürchten.

Jürgen Gebhard, Walsrode


Thema Genossenschaften "Was dem Einzelnen nicht möglich ist, das vermögen viele ...",ver.di publik 4_2017

Lieber Kollege Wille, es tat gut, Dein Loblied auf die Büchergilde zu lesen. Mir hat sie vor langer Zeit die Unschuld des Lesens zurückgegeben, als mich die Arbeit beim DGB kaum noch dazu kommen ließ. Es waren die Bücher von B. Traven, den die Büchergilde ja schon vor 90 Jahren entdeckt hatte. Aber ich glaube eine Ergänzung ist wichtig: In der Arbeiterbewegung hatte die Kultur von Anfang an eine Heimstatt gefunden. Wir brauchen nur an die Zigarrenarbeiter zu denken, bei denen die Gruppe die Arbeit für den Kollegen mit übernahm, der dann als Vorleser fungierte. Dabei wurde eher Schiller als Courths-Mahler kennengelernt.

Wilhelm Kaltenborn, Berlin

Wer immer den Inhalt des Kastens zur Erklärung von Genossenschaften unten rechts auf der Seite verfasst hat: Mit "Genoss" fühle ich mich nicht mehr angesprochen! Bei allem Respekt vor politischer Korrektheit: Irgendwo muss mal Schluss sein. Was z. B. bei der Schreibweise Leser/innen oder Politiker/innen wenigstens technisch noch funktioniert (für Auge und Geist freilich trotzdem nur schwer zu ertragen ist), geht bei Genoss/innen oder Kolleg/innen halt überhaupt nicht. Also: Entweder, wo es sein muss, beide Geschlechter ausdrücklich benennen - oder aber es bei der maskulinen Form, die immer auch die feminine ohne explizite Erwähnung mit einschließt, belassen. Alles andere ist Textschrott.

Michael Heinrich, per E-Mail


Leserbrief von David Müller zum Thema "Gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit", ver.di publik 4_2017

Sehr geehrter Herr Müller, ich verstehe den gender pay gap folgendermaßen: Natürlich verdienen z. B. Lehrkräfte in einem Bundesland alle gleich viel, egal ob Männlein oder Weiblein, die Gehälter sind ja auch öffentlich. Aber wie sieht das mit Gehältern aus, die individuell verhandelt werden? Wie sieht das mit der strukturellen Ungleichheit aus? Warum verdienen Altenpfleger/innen so viel weniger als Ingeneur/innen oder eine Grundschullehrkraft so viel weniger als Kolleg/innen am Gymnasium? Ist die eine Arbeit weniger wert als die andere? Und nun kommts: Altenpflege und Grundschullehramt wird meist von Frauen ausgeübt. Mittelbare Geschlechtsdiskriminierung nennt man das. Ergebnis: gender pay gap. Und das ist ja nicht nur in Deutschland so, das Problem ist ja ein internationales. Außerdem steht leicht verständlich bei Wikipedia, wie man die Lücke ausrechnen kann. Streiten wir nicht um 7 Prozent oder 21 Prozent - die Lücke ist da, hat viele Ursachen und ist in anderen Ländern kleiner - warum nur soll man nicht darauf aufmerksam machen und versuchen, den Abstand zu verringern? Oder habe ich da irgend etwas an Ihren Ausführungen falsch verstanden? Fragt sich mit freundlichen Grüßen

Juliane Kühne, per E-Mail


Aufmacher "In der Teilzeitfalle", ver.di publik 4_2017

Schon länger ärgert mich die von ver.di in der letzten Zeit propagierte These der "Teilzeitfalle". Im Einzelnen: 1) Als Angestellter in Teilzeit (25 Wochenstunden) empfinde ich mich keinesfalls als in einer Falle gefangen, sondern habe mir dadurch Zeit für Kindererziehung - und die dauert bekanntermaßen nicht nur zwei Jahre - geschaffen und inzwischen auch für das Kümmern um meine demente Mutter. 2) Ein bisschen klingt da immer mit, ich sei in eine Falle gegangen, dumm, naiv, und das empfinde ich als ziemlich schief! 3) Allgemein kann Teilzeit (sehr individuell mit unterschiedlichen Teilzeitmodellen) eine Chance sein, um Zeit für etwas anderes zu haben, und ist auch eine individuelle Umsetzung der früher mal aktiv von den Gewerkschaften propagierten Verringerung der Wochenarbeitszeit. 4) Rente ist ein generelles Problem, aber das liegt nicht an individueller Teilzeit. 5) Dass sich nach der Kleinstkinderzeit in den Familien immer noch in der deutlichen Mehrheit Frauen für Teilzeitmodelle entscheiden, liegt meiner Meinung jedenfalls nicht an den formalen Rahmenbedingungen, sondern an den Aushandlungen in den Familien. Warum, bliebe noch zu klären. Meine These: Es fehlen alternative Männerrollenmodelle, oder sie werden zu wenig - auch von ver.di - propagiert.

Michael Jürgensen, per E-Mail

Der Gesetzentwurf zu einer flexiblen Aufteilung der Lebensarbeitszeit in Vollzeit- und Teilzeitarbeit wurde ad acta gelegt, weil er politisch und wirtschaftlich nicht durchsetzbar ist. In einer Stellungnahme hat der DGB den Rechtsanspruch auf die Rückkehr aus einer Phase der Teilzeit- in die Vollzeitarbeit als "ersten Meilenstein auf dem Weg [...] zur Gleichstellung von Frauen, zur Vermeidung von Altersarmut und zur Stützung aller Zweige der Sozialversicherung" bezeichnet. Es sei an dieser Stelle daran erinnert, dass in Gewerkschaftskreisen Arbeitszeitmodelle diskutiert wurden, die viel grundsätzlicher ansetzten als dieses. In der Tat ist die Wochenarbeitszeit die Stellschraube für eine gerechte Verteilung von Arbeit, Einkommen und gesellschaftlichem Mehrwert. Bei einer Festlegung der allgemeinen Wochenarbeitszeit auf 30 Stunden bei vollem Lohnausgleich würde das eintreten, was der DGB als gesellschaftlich wünschenswert ansieht: Arbeitsverträge wären so ausgestattet, dass die Arbeitnehmer/innen von ihrem Einkommen leben könnten. Die Maßnahme würde auf dem Arbeitsmarkt wirksam werden, weil sie durch Verdichtung nicht ausgeglichen werden könnte. Die Voraussetzung für eine geschlechter-paritätische Aufteilung der Familienarbeit wäre geschaffen. Und schließlich würde auf die einzelnen Menschen gleichmäßig verteilt und in der Summe mehr Geld in die Sozialversicherungen eingezahlt werden. Dieses Modell der "kurzen Vollzeit für alle" sollten wir Gewerkschafter/innen in tarif- und allgemeinpolitischen Auseinandersetzungen trotz aller Hindernisse niemals aus dem Blick verlieren.

Andrea Karo, Tübingen


Wir freuen uns über jeden Leserbrief. Die Redaktion behält sich Kürzungen vor. Leserbriefe geben nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wieder. ver.di publik Leserbriefe, 10112 Berlin, Fax 030 / 6956-3012, E-Mail: leserbriefe@verdi.de