Ausgabe 03/2018
Die Wecker klingeln lassen
Alexander Farrenkopf
VER.DI PUBLIK - Lieber Alexander, ich gratuliere dir und deiner IG Metall zu dem wegweisenden Tarifabschluss, den ihr 2018 durchgesetzt habt. In den Medien wurde publiziert, ihr hättet die 28-Stunden-Woche gefordert. Das ist aber falsch. Stattdessen ging es um ein Selbstbestimmungsrecht bei der Arbeitszeitgestaltung. Was genau bedeutet nun das Ergebnis für eure Mitglieder?
ALEXANDER FARRENKOPF - Richtig. Wir wollten aber nicht nur die Möglichkeit, die Arbeitszeit auf bis zu 28 Stunden zu reduzieren, sondern auch ein Rückkehrrecht in Vollzeit. Außerdem wollten wir, dass Beschäftigte in anspruchsvollen Lebenslagen und in Schichtarbeit zusätzliche freie Tage bekommen. All das haben wir - neben den 4,3 Prozent mehr Lohn - durchgesetzt. Darauf sind wir wirklich stolz. Manche unserer Kollegen können es jetzt noch nicht glauben, dass wir neben dem Urlaubs- und Weihnachtsgeld eine weitere jährliche Sonderzahlung durchgesetzt haben, die man unter gewissen Voraussetzungen in Zeit umwandeln kann.
VER.DI PUBLIK - In der Tarifauseinandersetzung habt ihr eine Unmenge von Weckern eingesetzt. Was muss ich mir darunter vorstellen? Und was habt ihr damit bezweckt?
FARRENKOPF - Es ging in dieser Tarifrunde um ein ideologisch besetztes Thema: um die Arbeitszeit. Uns war klar, dass das kein Kinderspiel wird. Gerade solche ideologisch aufgeladenen Themen brauchen eine extrem starke Unterstützung durch die Mitglieder. Beim Verteilen der Arbeitszeitsymbole - der Wecker - sind wir mit jedem einzelnen Mitglied ins Gespräch gekommen und konnten so stark mobilisieren. Das war auch notwendig. Wir haben sehr erfolgreich so das erste Mal in unserer Geschichte flächendeckende Tageswarnstreiks durchgeführt.
VER.DI PUBLIK - Du bist der Leiter von über 600 IG-Metall-Vertrauensleuten. Wie schaffst du es, mit so vielen Kolleginnen und Kollegen eine Streikstrategie zu beraten und abzusprechen? Sind das immer Massenveranstaltungen?
FARRENKOPF - Mit 600 Vertrauensleuten kann man nicht in einer Großveranstaltung eine gemeinsame Strategie entwickeln. Das ist klar. Aus diesem Grund haben wir schon ein Jahr vor der Tarifrunde angefangen, mit unseren Vertrauensleuten in beteiligungsorientierten Veranstaltungen Themen und Prioritäten abzufragen und haben die dann auch in die Forderungserstellung unserer IG Metall eingebracht. Das bringt den größten Erfolg: Wenn man die Themen bearbeitet, die den Mitgliedern auch wirklich am wichtigsten sind. Dann sind beim Warnstreik auch alle dabei.
VER.DI PUBLIK - Ich danke dir für dieses Gespräch und wünsche euch nun viel Erfolg bei der Umsetzung des neuen Tarifvertrages.
INTERVIEW: Heinrich Birner