Ausgabe 03/2018
Leserbriefe
Dokumentation "Frauen schreiben Geschichte", ver.di publik 2_2018
Gestatten Sie mir eine Berichtigung. In der Sozialistischen Republik Braunschweig, die sich nach der Abdankung des Herzogs Ernst August durch Abstimmung einer Volksversammlung unter freiem Himmel in der Stadt Braunschweig gebildet hatte, wurde nach dem Gesetz über die Wahlen zu den Gemeindevertretungen und zur Landesvertretung vom 15. November 1918 den Frauen sowohl das aktive als auch das passive Wahlrecht gewährt. Anlässlich der Wahlen zu den Gemeindevertretungen am 15. Dezember 1918 hatten Frauen über 20 demnach erstmals im Gebiet der genannten Republik die Möglichkeit, an Wahlen teilzunehmen. Ob es bereits vorher in anderen Gliedstaaten des Deutschen Reichs nach der Abdankung des Kaisers und der jeweiligen Landesfürsten diese Möglichkeit gab, ist mir nicht bekannt.
Joachim Bittner, Schöningen
Der Artikel endet mit dem üblichen undifferenzierten Absatz, dass Frauen 21 Prozent weniger als Männer verdienen und 77 Tage länger arbeiten müssen, um das gleiche Entgelt wie ein Mann zu erhalten. Dabei wird weggelassen, dass bei diesem Vergleich weder die gleiche Arbeitszeit noch Ausbildung oder Tätigkeit bzw. Berufserfahrung vorliegt. In Deutschland 2018 gibt es Tarifverträge, Gewerkschaften, Gleichstellungsbeauftragte, Betriebsräte und eine sensibilisierte Öffentlichkeit, die sehr darauf achten, dass unter gleichen Voraussetzungen Frauen und Männer das gleiche Entgelt erhalten. Jeder Verstoß kann vor Gericht gebracht werden, und das ist gut so.
H. J. Stroman (gewerkschaftlich organisiert seit über 50 Jahren), per E-Mail
Vielen Dank für die ausführliche Würdigung der mühsamen Kämpfe für das Frauenwahlrecht ! Eines hat mich allerdings in der Übersicht "Gegen alle Widerstände" gestört: Der Erste Weltkrieg ist 1914 nicht "ausgebrochen", sondern gewollt und von langer Hand geplant worden (Schlieffenplan von 1905 oder jahrelange wilhelminische Hochrüstung zur See, die auch nicht dem Frieden dienen sollte, um nur zwei Beispiele zu nennen). Bitte "Kriegsbeginn" (analog zum "Kriegsende") statt des Begriffs vom "Kriegsausbruch", der dem Krieg die Fähigkeit zubilligt, gleichsam von selbst auszubrechen. Vulkane oder Epidemien können ausbrechen, aber doch nicht Kriege.
Bernd Schröder, per E-Mail
Das Frauenwahlrecht wurde nicht unwesentlich auch von Männern erstritten. Nebenbei gegen so manche Frauenverbände, die gegen das Frauen-Wahlrecht waren. Auch wenn das nicht in den Frauen-vs.-Männer-Zeitgeist passt. Gegen Genderblindheit hilft soziale Tiefenschärfe. Dass Ihr aber den Gender-Pay-Gap-Fake ungerührt weiterhin kolportiert, zeigt wohl, dass Ihr selber Interesse an diesem Zeitgeist habt.
Thomas Moser, Berlin
In diesem Artikel wird behauptet: "Erst durch eine umfassende Reform des Ehe- und Familienrechts konnten ab dem 1. Juli 1977 Ehefrauen eine Berufstätigkeit aufnehmen, ohne den Ehemann um Erlaubnis zu fragen. Zuvor konnte ein Ehemann sogar den Job seiner Frau ohne deren Einverständnis kündigen..." Das ist eine glatte Lüge! Ich bin eine Ostfrau, und so weiß ich, dass wir Frauen in der DDR zu dieser Zeit über einen solchen Gesellschaftszustand nur lachen oder, aus Mitleid mit den westdeutschen Frauen, mitweinen konnten. Dass Ihre Gastautorin "1962 in Berlin" geboren wurde, entbehrt ebenfalls aller faktischen Grundlagen. Es gab zu dieser Zeit entweder ein Ostberlin oder ein Westberlin. Dem von mir zitierten Absatz ihres Artikels zufolge wird sie in Westberlin geboren worden sein. Ich bin so sehr verärgert über die neuerliche Ausblendung von Lebenstatsachen ostdeutscher Frauen, dass ich entschlossen bin, Ihr Blatt ad acta zu legen.
Gerta Stecher, per E-Mail
Wieso lasst ihr diese Aussage pauschal so stehen? Es fehlt eindeutig der Hinweis, dass das in der ehemaligen BRD so war. In der ehemaligen DDR konnten Frauen (sie mussten nicht!) problemlos berufstätig sein. Es gab gleiches Geld für die gleiche Tätigkeit, und selbstverständlich konnten Frauen selbst über ihr Geld verfügen. Gleichberechtigung vor dem Gesetz war in der DDR eine Selbstverständlichkeit.
Klaudia Krull, per E-Mail
Interview "Immer nur billig geht nicht", ver.di publik 2_2018
Es wird wirklich Zeit, dass die Arbeitgeber des Öffentlichen Dienstes endlich begreifen, dass es mit ihrer Tarifpolitik nicht so weitergeht wie bisher. Wir brauchen endlich eine ausgeglichene Handelsbilanz und ein hohes Plus an Lohnzuwächsen und da kann der Öffentliche Dienst eine Vorreiterrolle einnehmen. Gerade im Hinblick auf die enge politische Zusammenarbeit mit Frankreich ist es wichtig, dass die Tarifpolitik hierzulande geändert wird. Denn wenn wir uns nicht an die anderen Länder mehr und mehr angleichen, dann droht nicht nur Präsident Macron demnächst eine Niederlage, sondern auch um uns herum wird es immer mehr Rechtspopulisten geben, die die Demokratie gefährden.
Thomas Henschk, Berlin
Kommentar "Der Skandal ist ein anderer", ver.di publik 2_1018
Als neues ver.di-Mitglied war ich gespannt auf die erste Ausgabe von ver.di publik. In der Ausgabe 2_2018 fand ich vor allem die Schilderungen aus dem Berufsalltag von Pflegekräften und der beiden türkischen Gewerkschafterinnen sehr interessant. Sehr verwundert war ich aber über folgende Aussage im Kommentar "Der Skandal ist ein anderer": "Anlass war die Ankündigung der Essener Tafel, für die kommenden Monate nur noch Bedürftigen mit deutschem Pass Zugang zu den Lebensmittelspenden gewähren zu wollen". Diese Beschreibung ist nicht zutreffend. Die Essener Tafel hatte vor einigen Wochen angekündigt, vorübergehend nur noch Neukunden (!) mit einem deutschen Pass aufzunehmen. Der Ausländeranteil der Essener Tafel lag zum Zeitpunkt dieses Beschlusses bei ca. 75 Prozent, wie man der Presse entnehmen konnte. Gerade in den Zeiten von Fake-News kann eine Beschreibung von Zuständen nicht sorgfältig genug sein.
Markus Rickert, Feldkirchen
(Die Korrektur ist schlicht versäumt worden. Wir entschuldigen uns! Die Red.)
Endlich jemand, der sich des Themas annimmt. Wir sind ja damals schon gegen Hartz IV auf die Straße gegangen, weil klar war, dass es die Demokratie einschränken wird. Es ist nicht nur ein Arbeitsmarkt regelndes Konzept, es ist auch zu einem politischen Herrschaftsmittel verkommen.
Nana Aue, per E-Mail
Interview "Armut verhindern", ver.di publik 2_2018
Für mich eine klare Position zum Sozialstaat, wie ihn die Frauen und Männer unseres Grundgesetzes verwirklicht sehen wollten. Butterwegge sagt zu Recht: "Man darf den Sozialstaat nicht zerschlagen, sondern muss ihn fortentwickeln." Dazu gibt es nur einen Weg: Eine solidarische Bürgerversicherung für Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung. Hierzu ist aber auch von den Gewerkschaften noch vieles zu leisten.
Heiner Boegler, Worms
Erfreulich, dass ver.di jetzt über das bedingungslose Grundeinkommen diskutiert. Nach den vielen einschlägigen Anträgen bei ver.di-Bundeskongressen seit 2007 ist es allerdings auch an der Zeit. Mit Christoph Butterwegge habt ihr einen ausgewiesenen Gegner des Grundeinkommens befragt. Auch der Grundeinkommensgegner Ralf Krämer, der immerhin etwas differenzierter argumentiert als Butterwegge, hatte schon mehrfach Gelegenheit, seine Sicht in ver.di zu verbreiten. Da ihr, als ausgewogenes Blatt, jetzt bestimmt auf der Suche nach Grundeinkommensbefürwortern seid, stehen euch die Mitglieder der Arbeitsgruppe bedingungsloses Grundeinkommen in ver.di gern zur Verfügung. Oder wir nennen euch Wissenschaftler, die zu befragen sich ebenfalls lohnt.
Ursula Walther, Herzogenaurach
Der von mir sehr geschätzte Christoph Butterwegge will leider noch nicht wahrhaben, dass es eine Art von bedingungslosem Grundeinkommen (BGE) geben wird. Und das, obwohl er schon die Begründung dafür liefert. Die Einführung des BGE ist nämlich abhängig von den Kräften, die es haben wollen. Und die sind nicht Geringere als Vertreter des Neoliberalismus, also jene, die über so gut wie alles in diesem Land und anderswo die Definitionshoheit haben. Und da denkt Christoph Butterwegge tatsächlich, dass sein Nein zum BGE etwas ausrichten wird? Im Gegenteil: Das freut diese Kräfte, denn dann müssen sie nicht seinen scharfen Geist und seine Fantasie fürchten, müssen sich keine Mühe machen mit einem guten Gestaltungs- und Finanzierungskonzept. Dann können sie einfach Billig-BGE-Modelle aus dem Boden stampfen. Solche, die der Umverteilung nochmals einen neuen Hype geben. Liebe Butterwegges, Krämers und all jene Streiter/innen für eine gerechtere Welt! Schießt euch nicht selbst ins Abseits und damit die bedürftigen Schichten gleich mit! Sie können sich nämlich nicht wehren und brauchen eure Ideen, damit das BGE keine Billigversion wird, sondern echte Teilhabe sichert und das Lohnniveau insgesamt anhebt!
Renate Gerstel, Soltau
Thema "Den Vogel abgeschossen", ver.di publik 2_2018
Schön, dass ver.di das mal aus den sozialen Netzwerken aufgreift. Gerne auch abseits der Mitgliederzeitung. Das Thema braucht noch mehr Öffentlichkeit.
RDPfleger, via twitter
Kommentar "Vom Betrachten der Wirklichkeit", ver.di publik 2_2018
Es gibt doch noch Hoffnung in der SPD, dachte ich. Aber wo sind die Genossen, die die Erneuerung der Partei nebst dem Eingebundensein in der Groko angehen? Allein mit einigen kleinen Korrekturen an den alten selbst gemachten Fehlern ist es nicht getan. Und solange die alten Granden, die mit Schröder diese unsozialen Hartz-IV-Gesetze durchgesetzt haben und heute noch meinen, dass sie den großen Wurf landeten, im Vorstand der Partei sitzen, wird es keine Erneuerung geben. Weil Schröder den Widerspruch Dresslers scheute, wurde er als Botschafter nach Israel "abgeschoben". Und so ist der Veteran nur ein Rufer in der Wüste. Und trotzdem hat mich gefreut, dass noch einer die Dinge beim Namen nennt.
Rudolf Dötsch, Mörfelden-Walldorf
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