01_Titel_amazon_frei.jpg
Protest amerikanischer Amazon- Beschäftigter während des Treffens der Aktionäre von Amazon 2017 am Stammsitz in SeattleFoto: Ted S. Warren / ap / Picture Alliance [m]

Facebook, Google, Amazon und Co. machen weltweit Milliardenumsätze und treiben damit ihre Börsenwerte in die Höhe. Nur Steuern zahlen sie für ihre riesigen Umsätze ungern. Mit Firmensitzen in Steuerparadiesen drücken sie sich um Steuern in den Ländern, wo sie ihre Umsätze machen. So hat der Online-Versandhandelsriese Amazon in den Jahren zwischen 2006 und 2014 auf drei Viertel seines in Europa erwirtschafteten Gewinns nicht einen Cent Steuern bezahlt.

Mittlerweile verbucht Amazon seine Umsätze in Deutschland zwar auch hierzulande, dennoch bezahlt jeder Buchhändler mit einem Geschäft in Deutschland pro umgesetzten Euro dreimal mehr Steuern als das US-Unternehmen. Das hat die gewerkschaftliche Otto-Brenner-Stiftung berechnet. Würde Amazon entsprechend Steuern zahlen, käme das dem Gemeinwohl zugute, könnte zum Beispiel mehr in die öffentliche Infrastruktur, in Schulen und Straßen investiert werden.

Ein anders Problem sind die schlechten Arbeitsbedingungen der Beschäftigten bei Amazon. Sie sind je nachdem, in welchem Land sie arbeiten, oft mies oder noch mieser. Als Jeff Bezos, der Amazon-Chef, Ende April in Berlin mit dem Axel-Springer-Award ausgezeichnet wurde – mit dem das Medienhaus „herausragende Persönlichkeiten, die außergewöhnlich innovativ sind, neue Märkte schaffen und Märkte verändern, Kultur formen und sich ihrer gesellschaftlichen Verantwortung stellen“ –, protestierten vor dem Springer-Haus hunderte europäische Amazon-Beschäftige.

„Arbeitslager“ in Polen

Ein polnischer Beschäftigter sagte: „In Polen wird so ein Ort, in dem wir arbeiten, Arbeitslager genannt.“ Aber die Proteste gegen diese Arbeitsbedingungen werden international stärker. Und dass sie etwas bewirken, zeigt aktuell das Beispiel der italienischen Amazon-Beschäftigten des Versandhandelslagers in Castel San Gio-vanni an der Grenze zwischen der Emilia-Romagna und der Lombardei. Dort hat Amazon weltweit erstmals eine Vereinbarung mit einer Gewerkschaft unterzeichnet. Die Vereinbarung, eine Ergänzung des landesweiten Branchentarifvertrags im italienischen Handel, sorgt für eine faire Arbeitsplanung durch Reduzierung von Nachtschichten und die gerechtere Verteilung der Wochenendarbeit. Möglich haben das nicht nur Proteste und der Streik der Beschäftigten am sogenannten Black Friday, dem umsatzstärksten Tag im Jahr für Amazon, im vergangenen November gemacht. Da wurde europaweit an vielen Amazon-Standorten gestreikt, in Deutschland an allen. Doch in Italien machte der Streik den Weg frei für Verhandlungen mit Amazon.

„Arbeitnehmerstatut“ in Italien

Seit 1970 gibt es in Italien das Arbeitnehmerstatut, das die gewerkschaftliche Präsenz im Betrieb und den Kündigungsschutz regelt. Arbeitsbedingungen werden in Italien vor allem über Branchen- und Firmentarifverträge und ergänzende Betriebsvereinbarungen gestaltet. Und so musste Amazon in Italien mit der Gründung des ersten Amazon-Standortes in Castel San Giovanni 2011 bereits auch einen Branchentarifvertrag anwenden. Tariffähig sind die italienischen Gewerkschaften, sobald fünf Prozent der Beschäftigten einer Branche organisiert sind.

Trotz dieser Voraussetzungen sind die Arbeitsbedingungen bei Amazon Italien dennoch nicht wirklich gut: Die Vernachlässigung von Sicherheitsstandards, unmenschliche Arbeitszeiten, auch an Sonn- und Feiertagen, Missbrauch von befristeten Arbeitsverträgen und trotz Branchentarif niedrige Löhne haben die italienischen Beschäftigten an ihre Grenzen geführt. Amazon hatte 2011 dort bewusst den Handelstarif gewählt. Denn als Logistikunternehmen, als das es in Deutschland gelten will, müsste Amazon in Italien höhere Löhne zahlen. Im Durchschnitt 2.500 Euro mehr im Jahr pro Beschäftigten als im Handel.

Mit ihrem Protest und dem nun daraus erfolgten Abschluss einer Betriebsvereinbarung für zumindest planbare und bessere Arbeitszeiten, haben die italienischen Beschäftigten – was Amazon betrifft – Geschichte geschrieben. Der Riese ist also an den Verhandlungstisch zu bekommen, den er in Deutschland – seinem wichtigsten europäischen Standort – meidet wie der Ochse das Glatteis.

Es bedarf also noch weiteren Drucks, den global agierenden Großkonzern in Verhandlungen zu zwingen. Und es bedarf einer Steuerpolitik, die Amazon genauso zur Kasse bittet, wie die Buchhändlerin um die Ecke.Brennpunkt Seite 3