Heute stak im Briefkasten Post von meiner Gewerkschaft: „Einladung zur Jubilarehrung“ – in vier Wochen. Weil ich vor vierzig Jahren Mitglied geworden bin, damals in der Gewerkschaft ÖTV – natürlich gleich zu Beginn meines Berufslebens, wie es sich gehört. Im Umschlag die Urkunde und ein Schächtelchen. Darin keine Streichhölzer, wie ich erst dachte. Sondern die Ehrennadel, mit Flügelklemme gesichert. Wenn da alles schon drin ist, kann ich mir diesen Nachmittag doch sparen. So mein erster Gedanke. Aber da kommt mir der alte Straßenbahner in den Sinn, den ich einst als junger ÖTV-Redakteur wegen seiner achtzig Mitgliedsjahre daheim besuchen und interviewen durfte. Der Gewerkschaft stets treu geblieben, konnte er gar nicht viel über sie erzählen. Er war kein Funktionär und auch sonst nicht besonders aktiv. Aber weltoffen. Sorgsam hütete er seine Sammlung von Postkarten aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, eine ausgiebige Korrespondenz mit Grüßen in Esperanto, dieser Kunstsprache, die für ihn tatsächlich Völker verband. Seine Tränen beim Lesen sind mir geblieben. Also gehe ich zu meiner Jubilarehrung. Bestimmt treffe ich dort auch solche aller Ehren werten Leute. hms