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Michael O'Leary steht auf seine Flugzeuge. Das zeigt er bei jedem offiziellen Fototermin wie auch hier am Airport Marseille ProvenceFoto: Ian Hanning/REA/laif

1.000 Euro weniger im Monat als die Beschäftigten bei der Konkurrenz, anhaltender Verkaufsdruck, Abmahnungen ohne Ende. Und wer nicht spurt, wird in die Zentrale nach Dublin zitiert. Unterirdisch schlecht, das sind derzeit vor allem die Arbeitsbedingungen der 8.000 Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter in Europa, die für Ryanair arbeiten. Doch das soll sich ändern, deshalb streiten die Beschäftigten nicht nur hierzulande für einen Tarifvertrag und bessere Arbeitsbedingungen.

Zweimal haben sie dafür in Deutschland schon gestreikt. Bisher ohne Erfolg. Im Gegenteil: Nach dem zweiten Streik hat der Billigflieger angekündigt, Flugzeuge in Deutschland zu streichen und einen Standort zu schließen. Für das Personal und ver.di geht es jetzt um mehr als um den existenzsichernden Tarifvertrag, es geht mittlerweile auch darum, das deutsche Streikrecht zu verteidigen. Als ver.di die rund 1.000 Kabinenbeschäftigten in Deutschland am 12. September zum ersten Mal zum Streik aufrief, ließ Ryanair die Streikenden von Führungskräften überwachen, fotografieren und gab ihnen den Status „unerlaubter Entzug der Arbeitskraft“. Zudem behauptete Ryanair, die Arbeitsniederlegungen seien illegal, sie müssten 24 Stunden vorher angekündigt werden. All das widerspricht dem Recht auf Streik hierzulande.

Die Liste an Schikanen ist lang

Das Verhalten ist typisch für den Billigflieger, dessen Liste an Schikanen und Druckmitteln lang ist: Wer nicht genug Produkte an die Passagiere verkauft, wird zu Disziplinaranhörungen beordert, versetzt oder gar entfristet. Wer fehlt, muss seine Krankheitsgründe mitteilen. Es hagelt Abmahnungen und die Androhung von Kündigungen. Zudem ist über die Hälfte der Beschäftigten bei den Leiharbeitsfirmen Crewlink und Workforce für Ryanair angestellt und mit jahrelangen Kettenverträgen geknebelt.

Trotz der Einschüchterungsversuche beim ersten Streik, legten die Beschäftigten ihre Arbeit am 28. September erneut nieder. Dieses Mal zusammen mit Belegschaften an Standorten in Spanien, Italien, Portugal, Belgien und den Niederlanden. Die Geschäftsführung konterte mit noch größerer Härte und schrieb den Mitarbeitern am 1. Oktober, sie wolle den Standort Bremen, an dem rund 90 Beschäftigte arbeiten, zum 5. November 2018 schließen und in Weeze die Anzahl der Flugzeuge von fünf auf drei reduzieren. An beiden Standorten hatte sich ein Großteil der Mitarbeiter/innen an den Warnstreiks beteiligt. Ryanair macht keinen Hehl daraus, woher der Wind weht, und begründet die Maßnahmen tatsächlich auch mit den Arbeitsniederlegungen. Zudem sucht der Billigflieger nun Personal in Südosteuropa, das noch staatliche Unterstützung erhält, sodass Ryanair seine Personalkosten weiter drücken kann.

Unter solchen Rahmenbedingungen sind die Tarifverhandlungen äußerst schwierig. ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle hat Ryanair aufgefordert, die Einschüchterungen umgehend zu unterlassen und die Existenzen der Beschäftigten nicht weiter zu bedrohen. Anlässlich des Luftverkehrsgipfels am 4. Oktober hat sie aber auch entschlossenes Handeln von der Bundes- und Landespolitik gefordert. „Dies ist keine normale Tarifauseinandersetzung zwischen den Sozialpartnern. Ryanair hält sich auf mehreren Ebenen nicht an die in Deutschland geltenden Spielregeln, sodass hier die Politik gefragt ist“, sagte Behle.

Von Ryanair erwartet ver.di, endlich mit einem verhandlungsfähigen Angebot an den Verhandlungstisch zu kommen. Zu den zentralen ver.di-Forderungen zählt eine deutliche Entgeltsteigerung mit existenzsichernden und planbaren Einkünften. Dazu gehört die Einführung eines Basisgehalts für alle Kabinenbeschäftigten. Und dazu gehört auch eine Mindeststundengarantie, anstatt bei Flauten ohne Einkommen freigestellt zu werden. Flugverspätungen müssen kompensiert werden. Und nicht zuletzt gehört auch die Einrichtung einer betrieblichen Interessenvertretung dazu.

Ryanair erkennt ver.di zwar als gewerkschaftliche Vertretung an, eine Vereinbarung darüber war bereits Mitte Juli unterzeichnet worden, doch von Betriebsräten will das Unternehmen nichts hören. Nationale Verträge stellt es erst zum Jahr 2022 in Aussicht. Angesichts dieser Hürden sind die vereinbarten 16 Patinnen und Paten, darunter einige Politiker/innen, der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske und ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christine Behle, die sich für einen unbehinderten Ablauf der Tarifverhandlungen einsetzen, dringend geboten. Ein Skandal ist es, dass jetzt auch noch das Streikrecht verteidigt werden muss.