Ausgabe 07/2018
Musik
Ayça Miraç: Lazjazz
Schon mal was von den Lasen gehört? Die Lasen sind eine Minderheit, die beiderseits der türkisch-georgischen Grenze an der südöstlichen Schwarzmeerküste zu Hause ist. Ayça Miraç, in Gelsenkirchen aufgewachsene türkisch-stämmige Sängerin mit lasischer Mutter, präsentiert ein Album, auf dem sie Musik und Sprache der Lasen in ein modernes Konzept integriert. Ihrem Debüt vorausgegangen sind ein Gesangsstudium in Holland und viele Reisen ins lasische Siedlungsgebiet und in die Metropole Istanbul. Mit glasklarer Stimme und von ihrem Quartett mit Piano, Bass und Schlagzeug feinfühlig begleitet, interpretiert Miraç moderne Adaptionen traditioneller Lieder, dazu den türkischen Klassiker Üsküdar, aber auch einen Song des US-Jazzpianisten Bill Evans. Doch Lazjazz ist keineswegs das, was im Allgemeinen unter Jazz verstanden wird. Stattdessen Tänzerisches im eher seltenen Fünfer-Takt und stimmungsvolle Balladen, darunter eine ihres brasilianischen Pianisten. Eine Entdeckung! Peter Rixen
CD, JAZZHAUS / INAKUSTIK
Boy George & Culture Club: Life
Ja, auch der Paradiesvogel Boy George ist älter geworden. Aus dem an der Liebe leidenden jungen Mann von „Do You Really Want To Hurt Me“ ist ein weiser Ratgeber in Lebensfragen geworden, der singt: „Let Somebody Love You“. Diesen Wandel sieht man ihm zwar nicht unbedingt an, auch mit 57 kleidet sich Boy George noch extravagant bis exzentrisch. Aber zu hören ist die Entwicklung überdeutlich auf Life, dem ersten Album des Culture Clubs seit mehr als zwei Jahrzehnten. Das musikalische Erfolgsrezept hat sich nicht groß verändert, die besten Songs sind immer noch unterlegt von einem sanft schaukelnden Reggae-Rhythmus, und auch wenn die Soul-Leidenschaft ausgepackt wird, versinken noch die zackigsten Bläser in einem obszön zarten Schmelz. Revolutionär ist das nicht, vielleicht sogar etwas brav, aber in seiner erhabenen Eleganz immer noch großer Pop – fast wie damals vor 36 Jahren. Thomas Winkler
CD, BMG RIGHTS MANAGEMENT / WARNER
Peter Licht: Wenn wir alle anders sind
Was nicht an die große Glocke gehängt wird, aber doch nicht unerwähnt bleiben soll: PeterLicht alias Meinrad Jungblut verbirgt sein Gesicht nicht mehr. Einst angetreten mit Papptüte auf dem Kopf, konnte man ihn schon länger auf der Bühne unverhüllt sehen, nun prangt der einst Anonyme erstmals auch auf dem Plattencover. Auch ansonsten hat sich mit Wenn wir alle anders sind und nach siebenjähriger Auszeit einiges verändert: Der Liedermacher aus Köln (Sonnendeck) singt zwar immer noch sanft pulsierende Popsongs, deren Texte kunstvoll zwischen Dada und Dialektik, Systemtheorie und Stuss changieren. Und immer noch weiß er eine Nullaussage wie „Wenn es mir gut geht, ist alles gut“ mit dermaßen unbewegter Stimme vorzutragen, dass sie mit tröstender Weisheit aufgeladen wird. Aber die optimistische Grundeinstellung von einst, als PeterLicht gut gelaunt den Kapitalismus beerdigte, ist einer leicht grimmigen Weltsicht gewichen. Statt Chips und Flips und Aperol Spritz empfiehlt er nun, sich doch endlich mal von Wahrheit zu ernähren. Und auch die Internationale muss fit gemacht werden für diese dunklen, schrecklich selbstbezogenen Zeiten: „Emotionale, auf zum letzten Verzicht!“ Aus dem Spötter in Beobachtungsposition ist einer geworden, der die „hinterfotzigen Hintergründe des Systems“ offenlegt. Da kann man auch Gesicht zeigen! Thomas Winkler
CD, TAPETE RECORDS