„Meine Frau schreibt nicht, gottseidank“, verkündet Autor Joe Castleman vollmundig im Kollegenkreis. „Sonst hätte ich eine permanente Schreibblockade“. Er gefällt sich als einer der bedeutendsten amerikanischen Schriftsteller der Gegenwart. Doch hinter jedem großen Mann steht eine noch größere Frau. Joan Castleman (Glenn Close) ist eine hochintelligente und immer noch auffallende Schönheit – die perfekte Alpha-Frau. Während vierzig Jahren opfert sie ihr eigenes Talent, ihre Träume und Ambitionen, um ihren charismatischen Ehemann in seiner steilen literarischen Karriere zu unterstützen. Wegen seiner Kunst sieht sie über seine Seitensprünge hinweg und akzeptiert fadenscheinige Ausreden. Schließlich scheint ihre jahrelange tatkräftige Unterstützung Früchte zu tragen. Ein Anruf aus Stockholm: Joe soll den Literatur-Nobelpreis erhalten. Während er nun mehr denn je ins Rampenlicht rückt, findet sie sich umso mehr in seinem Schatten wieder. Der verhängnisvolle Pakt, auf dem ihre Ehe beruht, gerät ins Wanken. Zwischen Empfängen und Damenprogramm beginnt die Fassade zu bröckeln. „Ich habe seine frühen Werke gelesen“, bohrt der Journalist Nathaniel Bone zudem kurz vor der Preisverleihung nach, „schon seltsam, dass er viel besser geworden ist, nachdem er sie kennengelernt hat“. Damit legt er den Finger in eine Wunde.

In erhellenden Rückblenden in die 1950er und 1960er Jahre zeigt Regisseur Björn Runge, wie Joan als junge, talentierte Frau – dargestellt von Glenn Closes Tochter Annie Starke – ihren Mut verlor. Vor allem die Begegnung mit einer kaltgestellten Autorin verunsichert sie. Eindringlich rät die ihr von der Schriftstellerei ab. Grund: Als Frau werde sie im männlich dominierten Literaturbetrieb niemals ernst genommen. Doch nun, Jahre später, findet Joan in Stockholm zu alter Kraft zurück und fasst einen radikalen Entschluss. Mit Eleganz und Biss spielt Glenn Close hier bravourös die Männerwelt an die Wand. Die Spezialistin für starke Frauenrollen verkörperte auf der Leinwand immer wieder Frauen, die sich befreien, sei es rabiat, mit List oder Charme. Nach eindrucksvollen Erfolgen am Broadway gab die frühere Theaterwissenschaftlerin ihr Spielfilmdebüt als selbstbewusste Mutter in der John-Irving-Verfilmung Garp und wie er die Welt sah. Das brachte ihr die erste Oscar-Nominierung ein. In Eine verhängnisvolle Affäre rächt sie sich als abgewiesene Geliebte eines Familienvaters mit Telefonterror und Selbstmorddrohungen. 1987 löste sie damit eine kontroverse Diskussion über Frauen, Sex und Treue aus. Luitgard Koch

USA/Schweden 2018. R: Björn Runge D: Glenn Close, Annie Starke, Jonathan Pryce, Christian Slater u. a. 123 Min. Kinostart: 3.1.2019


Das Mädchen, das lesen konnte

Aus feministischer Sicht mag eine ausschließlich weibliche, friedliche Gemeinde verlockend sein. Für die Frauen in diesem Film jedoch bahnt sich nach dem Verlust ihrer Männer, die von Napoleons Soldaten nach dem Sturz der Republik verschleppt werden, ein harter Überlebenskampf an: Zwar kommen sie, selbstbewusst und bodenständig, alleine zurecht. Aber die Bäuerinnen müssen fortan körperlich harte Arbeit verrichten, und die Sorge um ihre Männer und eine Zukunft ohne Nachwuchs nagt an ihnen. Deshalb beschließen sie, sich allesamt vom Erstbesten, der in ihrem abgelegenen provenzalischen Bergdorf aufkreuzen sollte, schwängern zu lassen. Aber der Fremde, der sich bald darauf bei ihnen verirrt, weckt in Violette, die als einzige unter den Frauen lesen kann, die Lust an der Literatur und ihre Liebe. Damit sind Konflikte programmiert, zumal einige der verschollenen Männer eines Tages wiederkehren. Das alles illustriert die stille, langsame Erzählung mit herrlichen pittoresken Szenen, die an den genialen Maler Max Liebermann erinnern. Kirsten Liese

F 2017. Regie: Marine Francen. D: Pauline Burlet, Alban Lenoir, Géraldine Pailhas u. a. 99 Min. Start: 11.11.2018.


Astrid

Ihr Schreibtalent offenbart sich schon, als Astrid Lindgren 17 Jahre alt ist. Mit Reportagen für eine Zeitung in der südschwedischen Heimat erwarb sich die berühmte Kinderbuchautorin erste Verdienste. Gleichwohl ist das die bewegende Geschichte eines holprigen Starts: Dummerweise verliebt sich der blitzgescheite Wildfang in den wesentlich älteren, verheirateten Redakteur. Mit traurigen Konsequenzen: Er macht ihr ein Kind und verlangt, mitten in der Scheidung und besorgt um seinen Ruf, große Opfer. Nicht ahnend, dass er seine Lage prekärer darstellt, als sie ist, zieht Astrid nach Stockholm, gibt gar ihr Kind in die Obhut einer Pflegemutter in Dänemark. Als sie den kleinen Sohn später, nach dem tragischen Tod der Ersatzmama zu sich holt, ist sie für ihn eine Fremde geworden. An solchen Enttäuschungen und Herausforderungen wächst die verrückte, lebenshungrige, kluge Frau. Ob sie wohl Pippi Langstrumpf auch erschaffen hätte, wenn ihr das alles erspart geblieben wäre? Kirsten Liese

SW/DK 2018. R: Pernille Fischer-Christensen. D: Alba August, Trine Dyrholm, Hendrik Rafaelsen. 123 Min., Start: 6.12.2018