Ausgabe 08/2018
Leserbriefe
Selten war das Foto zu einer Titelgeschichte der ver.di Publik so aussagekräftig, wie das zu dem Artikel über die skandalöse Unternehmenspolitik von Ryanair. Getrieben von den Zwängen der seit langem entfesselten Märkte, verpflichtet den begrenzten Interessen Weniger, einer neuen globalen Geldelite, und besessen von ihrer Macht, treten uns diese Alphamännchen entgegen. O’Leary ist einer von jenen Alphamännchen, vor denen wir uns in Acht nehmen und gegen die wir uns wehren müssen. Und ihr habt Recht, wir müssen darum kämpfen, unsere demokratischen Rechte gegen sie zu verteidigen; wir werden sie weiter ausbauen müssen. Eine solidarische, ökonomisch, sozial und ökologisch nachhaltige Gesellschaft werden wir nur gegen solche „Wirtschaftsführer“ bekommen. Und unsere Politiker*innen brauchen dringend unseren Druck, damit sie ihnen klare Grenzen ziehen.
Dr. Helmut Martens, Dortmund
Das Titelbild mit dem Ryanair-Chef Michael O’Leary spricht Bände. Es wäre ein Segen für die Menschheit, wenn dieses Unternehmen gänzlich vom Markt verschwinden würde. Schlecht bezahlte Mitarbeiter befördern Menschen billig und unkomfortabel zu Zielen, die sie nur ansteuern, weil es billig ist. Dies belastet unnütz die Umwelt und nützt außer dem profitgierigen Chef der Billigfliegermarke niemandem.
Heiner Behrens, Lehrte
Ja, Michael O’Learys Geschäftspraktiken sind inakzeptabel, werden zu Recht kritisiert und hoffentlich auch geändert. O’Learys öffentliches Auftreten ist auch inakzeptabel. Allerdings wird die Veröffentlichung seines Gebarens als Titelfoto der aktuellen ver.di publik nur zu einer weiteren „Abstumpfung“ des Lesepublikums führen. Um das Verhalten O’Learys zu kritisieren, hätte es in einem kleineren Format auf Seite 3 oder 5 gezeigt werden sollen.
Anna Stelthove-Fend, per E-Mail
Der Landesfrauenrat Hessen spricht sich klar gegen das aktuelle Titelbild der ver.di publik aus. Die Aufmachung der aktuellen Ausgabe löste bei uns Befremden aus. Da sollten wohl die berühmten zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen werden. Es wurde wohl bewusst ein Foto von Herrn O’Leary für das Cover verwendet, das mittels seiner eigenen Inszenierung sein Verhalten als Arbeitgeber entlarven bzw. verdeutlichen sollte. Dennoch wirft das die Frage auf, warum die Redaktion einer Gewerkschaftszeitung ein solch sexistisches Foto verwendet und zudem noch mit dieser eindeutig zweideutigen Headline versieht? Diese Art von Coverinszenierung wäre nicht notwendig gewesen, unserer Meinung nach passt sie auch nicht zu den Grundwerten und dem Fairnessverständnis von ver.di. Dabei geht es uns nicht um die Gefühle von Herrn O’Leary, sondern um unsere weiblichen und diversen Mitglieder. Ein solches Foto zeigt, wie wichtig die #metoo-Debatte ist, um auch indirekten Sexismus aufzudecken. Wir stehen hinter dem Redaktionsteam, wenn es um das journalistische Aufarbeiten von unfairen, schikanösen Arbeitsbedingungen geht, wie sie bei Ryanair an der Tagesordnung sind, und wir stehen an der Seite der Beschäftigten für faire und gute Arbeitsbedingungen bei Ryanair. Aber bitte ohne dass Menschen in ihren Gefühlen verletzt werden. Wir bitten, beim nächsten Mal in der Schlussredaktion genau die Wirkung zu bedenken.
Landesfrauenrat ver.di Hessen, per E-Mail
Mir und den ungelogen anderen fünf ver.di-Mitgliedern meiner WG hat das Titelbild echt zu Fremdscham veranlasst, völlig unnötig, so ein wichtiges Thema wie die Schikanen und das Lohndumping von Ryanair mit den Sexismen des Chefs zu übertiteln und ihm damit noch eine Riesenbühne zu geben (oder wenn, diesen dann wenigstens im Artikel thematisieren, anstatt das Titelbild einfach so stehen zu lassen).
Alexandra Heiter, per E-Mail
Genau das, was in diesem Artikel beschrieben wird, ist nicht nur oft genug anzuprangern, sondern auch mit allen zur Verfügung stehen Mitteln, so oft es geht, zu bekämpfen. Mitarbeiter*innen behandelt Mr. O’Leary als Ware, die man hin und her schieben kann. So ein Verhalten und Handeln ist zutiefst zu verachten.
René Euler, per E-Mail
Thema „Als Ausbeuter bekannt“, ver.di publik 7_2018
Mich hat an dem Artikel gestört, dass die „hochprofitable“ Umsatzrendite der Orpea-Gruppe und die im Vergleich mit den DRV-Kliniken bis zu 42 Prozent niedrigere Bezahlung der Beschäftigten als scheinbarer Widerspruch präsentiert wird, so als ob es aufgrund der hohen Rentabilität der Unternehmensgruppe doch eigentlich gar keinen sachlichen Grund für die niedrige Bezahlung der Angestellten gebe. Dabei zeigt sich darin doch gerade der Widerspruch zwischen Kapital und Arbeit: Nicht obwohl Orpea Traumrenditen erzielt, bezahlt sie ihre Angestellten schlecht, sondern genau weil sie den Beschäftigten die Anwendung ihrer Arbeitskraft gegen einen so niedrigen Lohn abpresst, ist sie hochprofitabel. Dass Orpea, wie beispielsweise im Fall Celenus, dafür auch geltendes Arbeitsrecht bricht, ist nur das I-Tüpfelchen und unterstreicht einmal mehr, wie dringend notwendig ein organisiertes, d. h. gewerkschaftliches Vorgehen der lohnabhängig Beschäftigten für ihre Interessen ist. Ich wünsche Ihnen viel Kraft und Ausdauer.
Christoph Hornbogen, per E-Mail
Thema „Von wegen Gerechtigkeit“, ver.di publik 7_2018
Auch als BU-Rentner (Berufsunfähiger) bleibe ich aus Überzeugung und Solidarität meiner Gewerkschaft treu, wir Nichtprivilegierten haben ja auch kein anderes Sprachrohr und keine andere Institution und Möglichkeit, die uns vor der immer aggressiveren Entrechtung durch die privilegierte Klasse – die Kapitalisten – schützt.
Marc Schmidt, Marktheidenfeld
Ich behaupte nicht, dass im Rentensystem alles super gelöst ist! Aber zumindest ist durch die Steuerfreiheit von Rentenbeiträgen (mit Höchstgrenze) und Krankenkassenbeiträgen die größte Ungerechtigkeit gemildert, dass nämlich die unteren Einkommensklassen in der vorgelagerten Besteuerung vergleichsweise zuviel bezahlen. Der Durchschnittsverdiener (2017: ca gut 3.000 € / Monat brutto) spart in jedem Jahr mehr Steuern ein durch Anrechnung der Rentenbeiträge (mit Höchstgrenze) und Krankenkassenbeiträgen (ohne Höchstgrenze), als er später in der nachgelagerten Besteuerung berappen muss. Also ein Plus gegenüber der früheren gesetzlichen Regelung, selbst wenn er / sie 45 Jahre lang Rente bezieht. Voraussetzung: Alle nennenswerten Beträge und Beiträge halten mit der Inflation schritt, bleiben ansonsten ungefähr stabil. Wenn diese Voraussetzung nicht gilt, sind aber alle Vorausschauen Makulatur.
Rudolf Hartmann, Radolfzell
Thema „Novemberrevolution“, ver.di publik 7_2018
In der Tat hat der Reichsrätekongress Mitte Dezember 1918 die Wahl zur Nationalversammlung beschlossen, aber zugleich auch die Demokratisierung der Armee (Entlassung der Kriegsgeneräle, Aufstellung von Arbeitermilizen) und die Sozialisierung der großen Industrie. Die Arbeiter sollten die Kontrolle über die Produktion gewinnen und Kriegsprofiteure wie Krupp und Stinnes ihre Fabriken verlieren. Die vielen hundert Arbeiterräte in Deutschland gingen nicht von selbst. Wo immer sie auf die Erfüllung dieser Forderungen pochten, wo immer Arbeiter dafür streikten und auf die Straße gingen, machten Freikorps sie brutal nieder, in Bremen, im Ruhrgebiet, in Bayern, in Mitteldeutschland.
Wenige Wochen, nachdem die Nationalversammlung zusammengetreten war, streikten hunderttausende Arbeiter in Berlin für die Auflösung der Freikorps und die Erfüllung der Sozialisierungsversprechen jener Partei, denen sie ihre Stimme gegeben hatten. Das Gemetzel, das die Freikorps auf Befehl des SPD-Reichswehrministers Gustav Noske verübte, den Einsatz von Artillerie, Flammenwerfern und Bombenflugzeugen über Arbeitervierteln, nennt der Historiker Mark Jones das „Gründungsmassaker der Weimarer Republik“. Tausendsechshundert Menschen starben in Berlin allein, sie waren nicht die letzten Opfer. Die Soldaten der Freikorps trugen bereits Hakenkreuze auf dem Helm, und die Großindustriellen, die viele Arbeiter gerne entmachtet hätten, sollten ein paar Jahre später Hitler finanzieren. Die Novemberrevolution ebnete, wie der Artikel feststellt, den Weg für die Demokratie, die Gegenrevolution jedoch den Weg in die Nazi-Diktatur.
Bernd Hendricks, per E-Mail
Die Errungenschaften dieser von der SPD Führung (u. a. Ebert, Scheidemann, Wels, Noske usw.) verratenen Revolution waren karg und nur von kurzer Dauer. Der Acht-Stunden-Tag z. B. war nur formell gültig. Die Löhne, die im Rahmen des Acht-Stunden-Tags gezahlt wurden waren so niedrig, dass die Arbeiter, wie gewohnt, mindestens 10 Stunden täglich arbeiten mussten, um zu überleben. Spätestens 1933 wurden die Betriebsräte von den Faschisten, für deren spätere Machtergreifung die SPD-Führung bereits 1919 die Voraussetzungen schuf, zu Statisten degradiert.
Eckhard Fey, per E-Mail
Ich habe wieder viele interessante Artikel gefunden, vor allem die gut zusammengefasste und informative Seite über die Novemberrevolution. Und über die Flix-Busse so detailliert etwas zu erfahren, finde ich auch prima!
Renate Richter, per E-Mail
Meldung „Madsack kappt die Tarifbindung“, ver.di publik 7_2018
Die Textüberschrift lautet: Madsack kappt die Tarifbindung. Im Text heißt es, dass die SPD-eigene Deutsche Druck- und Verlagsgesellschaft 23 Prozent an Madsack hält. Das ist wahrscheinlich der stärkste Anteil, fast die Sperrminorität, mit der man – in diesem Fall die SPD – etwas hätte verhindern können. Das scheint aber nicht der Fall zu sein. Also hat uns die liebe SPD mal wieder ein faules Ei ins Nest gelegt. Wir sollten zu dieser seltsamen Partei auf Distanz gehen!
Ulrich Straeter, Essen
Kommentar „Eine entschiedene Wende muss her“, ver.di publik 7_2018
Wir, Mitglieder von IGM und ver.di und Aktivisten der Montagsaktionen Zollernalb und Esslingen, haben gemeinsam die Teilnahme an der großen #unteilbar-Demonstration am 13.10. in Berlin organisiert. Diese war eindrucksvoll, wie in ver.di publik berichtet wird. Maria Kniesburges schreibt: „Wir wollen ein solidarisches, ein menschenwürdiges Leben. Für alle, auch für die vielen, die bei uns Zuflucht suchen.“ Dazu gab es einen Beitrag von Flüchtlingen der Landeserstaufnahmestelle in Ellwangen. Sie informierten, wie sich der Ellwangen-Appell für die Rückführung von Alassa Mfouapon nach Deutschland einsetzt. Alassa war ein anerkannter Sprecher der Ellwanger Flüchtlinge bei einer Pressekonferenz und Demonstration Anfang Mai dieses Jahres. Er wurde daraufhin am 20. Juni nach Italien abgeschoben und klagt jetzt gegen die Landesregierung Baden-Württemberg. Flüchtlinge sind keine Menschen 2. Klasse, sondern brauchen die Unterstützung jedes Gewerkschafters, wenn es um demokratische Rechte und Freiheiten geht. Weitere Infos: www.change.org/alassa.de. Solidaritätsdresssen bitte an freundeskreis-alassa@gmx.de.
Bernhard Schmidt, per E-Mail
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