01_HR_Paketdienste.jpg
Unternehmen engagieren Sub-Unternehmen, die dann wiederum Sub-Sub-Unternehmen beauftragen – so läuft das in der PaketbrancheFoto: Alistair Berg/Getty Images/DigitalVision [M]

Der Arbeitsmarkt in der Paketbranche ist zweigeteilt. Nur zwei der fünf großen Paketdienste in Deutschland arbeiten überwiegend mit eigenen, fest angestellten Zusteller*innen, die sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze haben und nach Tarif bezahlt werden. Ansonsten werden fast ausschließlich Subunternehmen beauftragt. Dort sind die Arbeitsbedingungen vielfach prekär. Zunehmend wird mit Beschäftigten aus Osteuropa gearbeitet. Oft kennen sie ihre Rechte nicht oder fordern sie aus Angst vor dem Arbeitsplatzverlust nicht ein.

In der ersten Februarwoche fand eine bundesweite Razzia bei 356 Unternehmen der Branche statt. 12.135 Fahrer wurden kontrolliert. Knapp 3.000 Zollbeamte der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) waren im Einsatz. Und das kam dabei raus: über 2.000 Beanstandungen, die zum Großteil Unterschreitungen des Mindestlohns betrafen. Zudem wurden 74 Straf- und Ordnungswidrigkeitsverfahren eingeleitet. Unter anderem gegen zwei überführte Straftäter und mehrere Moldawier mit gefälschten Pässen. Das Hauptzollamt Gießen stieß darüber hinaus auf zwei ausländische Fahrer ohne Führerschein.

In einem Interview mit der Funke-Mediengruppe sprach der ver.di-Vorsitzende Frank Bsirske von „zum Teil mafiösen Strukturen“, die sich in der Branche etabliert hätten. Er sagte, Unternehmen würden ihrerseits Firmen engagieren, „die wiederum andere Firmen beauftragen, die dann Menschen aus der Ukraine, aus Moldawien oder aus Weißrussland in die Lieferfahrzeuge setzen“. Der Spiegel berichtete von Lohndumping bei Amazon-Subfirmen und von Paketdiensten, die Fremdfirmen anheuern, Flüchtlinge um ihren Lohn prellen, Beschäftigungsstrukturen verschleiern und den Mindestlohn unterschreiten.

Angesichts der zunehmend katastrophalen Arbeitsbedingungen bei den Subunternehmen der Paketdienste fordert ver.di schon seit längerem vom Gesetzgeber, für die Paketbranche eine Nachunternehmerhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge einzuführen. „Entschlossenes Handeln tut dringend Not und hilft den Beschäftigten, den Unternehmen sowie den Verbraucherinnen und Verbrauchern“, sagt die stellvertretende ver.di-Vorsitzende Andrea Kocsis. Die Nachunternehmerhaftung folge dem Prinzip: „Wer Arbeit auslagert, bleibt dafür auch verantwortlich.“

Ausbreitung prekärer Arbeit eindämmen

Deshalb begrüßt ver.di die Gesetzinitiative von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil, SPD, gegen Sozialmissbrauch und illegale Beschäftigung im Paketgewerbe vorgehen zu wollen. Die Nachunternehmerhaftung für den Mindestlohn gibt es schon längst. Eine Ausweitung auf die Sozialversicherungsbeiträge soll helfen, eine weitere Ausbreitung prekärer Arbeit einzudämmen. Auch die Dokumentationspflichten zur Erfassung der täglichen Arbeitszeit sollen dabei erweitert werden.

Konzerne für ihre Subunternehmen verantwortlich zu machen, das stößt allerdings auf Ablehnung bei Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier, CDU. Er meint, Auftraggeber wie Amazon hätten selbst gar keine Möglichkeit, diese Dinge bei Subunternehmen zu kontrollieren, das sei der falsche Weg. Der Mindestlohn müsse zwar eingehalten werden, räumt er ein, aber dafür sei allein der Zoll zuständig.

Dazu aber brauchen Steuerbehörden, Zoll und Polizei ausreichend Personal. Deshalb hatte Bundesfinanzminister Olaf Scholz, SPD, bereits im Dezember angekündigt, er wolle stärker gegen illegale Beschäftigung, Steuerbetrug und Sozialleistungsmissbrauch vorgehen und die Zollpolizei deutlich verstärken. Und in der Tat, wie wichtig die Arbeit der Finanzkontrolle Schwarzarbeit ist, zeigt sich nun anhand der zahlreichen Verstöße gegen den Mindestlohn, die bei der Razzia im Paketgewerbe aufgedeckt wurden.

„Es ist höchste Zeit, dass mit der Nachunternehmerhaftung und deutlich mehr Kontrollen die richtigen Antworten gefunden werden“, sagt der niedersächsische ver.di-Landesleiter Detlef Ahting. Die schwarzen Schafe der Branche, die Beschäftigte vornehmlich aus osteuropäischen Ländern in die Lieferfahrzeuge setzen, seien Teil des Problems. „Viele der Fahrer haben falsche Pässe, arbeiten für 4,50 bis 6 Euro pro Stunde – und das bis zu 16 Stunden pro Tag. Teilweise schlafen die Fahrer und Fahrerinnen sogar in ihren Fahrzeugen“, so Ahting.

Schon im letzten Jahr forderte Andrea Kocsis: „Die Ausbreitung dramatisch schlechter Arbeitsbedingungen muss gestoppt werden. Wir brauchen ein Maßnahmenpaket, um die sozialen Verwerfungen in der von Subunternehmen geprägten Branche zurückzudrängen und tariflich geschützte Arbeitsplätze zu stabilisieren.“ Alle Paketdienste müssten in die Tarifbindung, und sie müssten mit dafür Sorge tragen, dass dies auch für die von ihnen beauftragten Subunternehmen gilt und sie nach Tarif bezahlen.

Ein Gesetz zur Nachunternehmerhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge in der Paketbranche könnte den Sozialmissbrauch und illegale Beschäftigung deutlich eindämmen. In der Baubranche, in der es entsprechende Regelungen schon längere Zeit gibt, wurden damit gute Erfahrungen gemacht.