Natalia Szczuka, 32, Sozialpädagogin im Kinder- und Jugendnotdienst, Hamburg

Ich arbeite seit vier Jahren beim Kinder- und Jugendnotdienst. Wir geben Jugendlichen, die keinen Platz mehr haben in der Gesellschaft, vorübergehend ein Zuhause, eine letzte Möglichkeit, irgendwie irgendwo anzukommen. Das ist eine ziemlich erfüllende Arbeit. Manchmal ist sie auch anstrengend und herausfordernd. Das kommt auf die Jugendlichen an. Es gibt die ganz lieben Jugendlichen, die morgens aufstehen und zur Schule gehen und auch Bitte und Danke sagen. Und es gibt solche, die mich beschimpfen und beleidigen. Aber das trifft mich nicht. Ich sehe die Herausforderung darin, in die Auseinandersetzung zu gehen und die Jugendlichen die Erfahrung machen zu lassen, dass es Grenzen gibt. Und dass diese Grenzen hier anfangen.Ehrlich gesagt, ist es mein Traumjob. Insgesamt haben wir in unserer Gruppe 12 Plätze und zwei Notplätze. Mit 14 Kolleginnen und Kollegen sind wir ein sehr großes Team. Wir sind die Anwälte der Jugendlichen. Und wenn sie schon tausend Chancen verbraten haben, wir gehen immer wieder ins Gespräch mit ihnen. Wir versuchen, noch etwas zu erreichen. Dass sie einen Schulplatz annehmen, sich eine Einrichtung ansehen, ihre Zukunft in die Hand nehmen. Wir sind in Hamburg die Inobhutnahmestelle, eine Muss-Stelle. Wir haben Drehtür-Jugendliche, die immer wieder bei uns landen. Wir müssen sie aufnehmen. Wir sind die letzte und gleichzeitig auch die erste Anlaufstelle. Erfolg empfinde ich, wenn in einem Gespräch bei einem Jugendlichen etwas ankommt. Oder wenn sich Jugendliche mir anvertrauen und erzählen, was sie gerade bewegt. Viele haben Drogen- und Gewalterfahrungen, psychische Probleme. Mein Anker und Kompass ist mein Humor, jeden Tag. Und meine Haltung: Ich bin dafür bekannt, klare Ansagen zu machen. Wenn ich zu einer Jugendlichen sage: „Das ist deine letzte Chance“, dann meine ich das auch so. Kuschelpädagogik bringt diesen Jugendlichen nichts. Empathisch bin ich trotzdem.Wertschätzung erfahren wir manchmal von den Jugendlichen. Aber die eigentliche Wertschätzung geben wir uns im Team. Und ich bekomme sie, ob ich will oder nicht, von Freunden und Bekannten, wenn die hören, wo ich arbeite, und sagen: „Boah, was für ein krasser Job.“ Nur auf dem Konto, da spüre ich nichts von Wertschätzung für unsere Arbeit. Das ist bei uns im Team ein ganz großes Thema. Wir machen unsere Arbeit nach wie vor gern, aber wir wollen endlich auch mehr Gehalt dafür sehen. Man muss sehr gut auf sich achten in diesem Job, man muss sich abgrenzen können, zumindest von der Problematik und den Lebenslagen der Jugendlichen, deshalb arbeite ich auch nur 30 Stunden in der Woche. Wir arbeiten zudem in drei Schichten und müssen auch in der Nachtschicht wach bleiben, weil wir jederzeit einen Jugendlichen aufnehmen können müssen. Insgesamt bekomme ich momentan mit Zulagen 1.590 Euro netto. Im öffentlichen Dienst verdienst du doch gut, das höre ich immer als erstes. Wenn mein Umfeld dann hört, was ich verdiene, ernte ich nur Mitleid: Diese schwere Arbeit für so wenig Geld!Protokoll: Petra Welzel

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