Ausgabe 03/2019
Billige Arbeit bleibt Programm
Zoran Stojiljković wirft Serbiens rechtsnationalistischer Regierung unlautere Methoden vor: „Ein bescheidener Anstieg der Produktion, bei Löhnen und Beschäftigung wird als epochaler Durchbruch gefeiert.“ Kritik lasse sie nicht gelten. „Unsere Argumente, dass Ungleichheiten und Armut nach wie vor weit über dem europäischen Durchschnitt liegen, wertet man als politische Provokation ab“, sagt Stojiljković, Präsident des zweitgrößten Gewerkschaftsbunds UGS Nezavisnost (Vereinigte Branchengewerkschaft Unabhängigkeit).
Das Land wurde von der Wirtschaftskrise 2008 hart getroffen. Die Regierung hatte daraufhin ihr Buhlen um ausländische Investoren verstärkt. Einheimische Arbeitskräfte wurden von Belgrad 2014 sogar in einer internationalen Werbekampagne als hoch qualifiziert und vor allem billig angepriesen. Im Sommer des gleichen Jahres erfolgte mit einer Reihe von Gesetzesänderungen der härteste Schlag gegen kollektive Arbeitsrechte. Anstellungsverhältnisse wurden flexibilisiert und prekärer, sagt Stojiljković. Und erfüllt waren damit Forderungen von Internationalem Währungsfonds und Weltbank, den Kreditgebern. Im damaligen Premierminister Aleksandar Vučić von der Serbischen Fortschrittspartei, dem heutigen Präsidenten des Landes, fanden sie einen willigen Vollstrecker der neoliberalen Rosskur.
Schwache Gewerkschaften
Proteste wurden seinerzeit international unterstützt. Der DGB-Vorsitzende Reiner Hoffmann traf sich in Belgrad mit Vertretern der Gewerkschaftsbünde Nezavisnost und CATUS. Die politisch Verantwortlichen forderte er zum sozialen Dialog mit den Gewerkschaften auf. Vor den Veränderungen im Arbeitsrecht waren diese nicht einmal konsultiert worden. Sie befanden und befinden sich in einer schwachen Position. Weil es gleich fünf, zum Teil zerstrittene Dachverbände gibt. Und weil sie meist nur als Betriebsgewerkschaften agieren. Bei einzelnen Arbeitskämpfen können sie zwar Forderungen durchsetzen, ein gesellschaftspolitisches Korrektiv stellen sie aber nicht dar.
Wenn es nach der Regierung ginge, dürfte es lediglich „kooperative Gewerkschaften“ geben, sagt Stojiljković. Doch Nezavisnost nehme auch Stellung zu politischen Fragen, wende sich etwa gegen den Abbau von Bürgerrechten und die Diskriminierung von Minderheiten – „die Flüchtlinge eingeschlossen“.
Serbien ist für die meisten Flüchtlinge nur ein Transitland. Hetze gegen diese Menschen unterließ dessen Regierung bislang. Anders liegt der Fall beim nördlichen Nachbarn Ungarn. Dort lenkt Premierminister Viktor Orbán regelmäßig mit rassistischen Ausfällen von seiner neoliberalen Politik ab, spricht gar von „muslimischen Invasoren“. Grenzen wurden militärisch abgeriegelt, Asylsuchende werden in Containerlager gesteckt, Hilfsorganisationen behindert.
Ende 2018 peitschte Orbáns rechtspopulistische Fidesz-Partei eine Änderung des Arbeitsrechts durchs Parlament. Bekannt wurde es als das „Sklavengesetz“. Es regelt, dass statt bisher 250 nun bis zu 400 Überstunden im Jahr zulässig sind. Die Frist für ihre Auszahlung wurde von zwölf Monaten auf drei Jahre verlängert. Davon profitieren nicht zuletzt westliche Konzerne, die in Ungarn produzieren.
Die Gewerkschaften riefen zu Protesten gegen die Regierungspläne auf. Tausende beteiligten sich. Doch wie in Serbien fehlt den Gewerkschaften auch in Ungarn eine breite Verankerung. Immerhin gelang es im Januar 2019 den Beschäftigten des Audi-Motorenwerks im westungarischen Győr mit einem einwöchigen Streik, 18 Prozent mehr Lohn zu erkämpfen. Roland Zschächner