Ausgabe 04/2019
Kuba in der Klemme
Mit Kokosnüssen lässt sich bei Touristen ein gutes Geschäft machen. Aber Kubas Wirtschaft kriselt schwer
Kubas Motor stottert. Die wirtschaftliche und politische Krise beim engsten Verbündeten Venezuela schlägt durch. Der Ölstaat ist für Havanna einer der wichtigsten Handelspartner. Die Menge des von dort im Tausch gegen die Dienste kubanischer Ärzte bezogenen Rohstoffs ist deutlich zurückgegangen. Infolge der Sanktionen, mit denen die US-Regierung den Sturz von Präsident Nicolás Maduro herbeiführen möchte, ist die venezolanische Ölförderung eingebrochen. Die Zeiten, in denen Kuba sogar einen Teil des schwarzen Goldes aus Venezuela weiterverkaufen konnte, sind vorbei.
Offiziell nur 1,5 Prozent betrug das Wirtschaftswachstum auf Kuba 2018. Die Auslandsinvestitionen lagen unter den Erwartungen. Die Handelsbilanz ist extrem negativ. Das alles führt zu Liquiditätsproblemen. Seine erst 2017 mit dem sogenannten „Pariser Klub“ der Gläubigerstaaten neu verhandelten Auslandsschulden wird die Regierung in diesem Jahr nicht voll bedienen können.
Den größten Teil der benötigten Lebensmittel muss der Inselstaat Kuba importieren. Im vergangenen Jahr wurden Güter im Wert von rund 10 Milliarden Dollar eingeführt. Ein Drittel weniger als noch vor fünf Jahren. Eingeschlagen ins Kontor ist auch Hurrikan Irma, der im September 2017 die Nordküste getroffen und erhebliche Zerstörungen angerichtet hatte. Die Ebbe in der Staatskasse macht sich nun auch im Alltag immer bemerkbarer. Mitte Mai kündigte Handelsministerin Betsy Díaz an, dass bestimmte Lebensmittel und Hygieneartikel nur noch rationiert abgegeben werden sollen.
Weniger und teurer
In der Hauptstadt Havanna, die 2019 das 500. Jubiläum ihrer Gründung durch die Spanier begeht, bekommen die Menschen Versorgungsengpässe zu spüren. In vielen Läden ist das Angebot ausgedünnt. Wo knappe Güter auftauchen, bilden sich Schlangen. Vor allem Milchprodukte wie Joghurt, aber auch Hühnerfleisch, Speiseöl, Eier oder Tomatenmark sind nur sporadisch erhältlich. Pro Person dürfen dann maximal zwei Liter Öl, 5 Kilo Hühnerfleisch und vier Packungen Würstchen abgegeben werden. Auf Märkten ist das Sortiment größer, aber dort haben die Preise merklich angezogen. Kostete die Libra Schweinefleisch (ein knappes Pfund) am Anfang des Jahres noch 50 Pesos, sind jetzt bereits 70 zu berappen.
Selbst auf dem schwarzen Markt ist vieles nicht zu haben. Und auch dort zogen die Preise an: Für 30 Eier werden bis zu 8 CUC verlangt. Das entspricht fast einem halben Durchschnittslohn eines Staatsangestellten. Die bereits beschlossene Abschaffung der an den Dollar angelehnten Parallelwährung CUC steht in den Sternen. Schlecht dran ist auch, wer gerade renovieren möchte. Farbe lässt sich nicht auftreiben, über Zement hält die Regierung ihre Hand. Der Baustoff wird für die Beseitigung der Irma-Schäden an der zivilen und touristischen Infrastruktur benötigt.
Die Knappheit vieler Grundartikel weckt in Kuba böse Erinnerungen. „Sonderperiode in Friedenszeiten“ lautete die offizielle Bezeichnung der schweren Wirtschaftskrise, in die das Land Anfang der 1990er durch den Kollaps des Ostblocks und der Sowjetunion für Jahre stürzte. Mehr als 80 Prozent des Außenhandels waren weggebrochen. Kuba ging der Treibstoff aus, die Energiekrise zwang regelmäßig zu Stromabschaltungen. Über das stark subventionierte Verteilungssystem für Lebensmittel und Dinge des täglichen Bedarfs – es besteht seit 1962 – konnte die Bevölkerung nur noch dürftig versorgt werden. Angesichts der rauen Wirklichkeit und fehlender Perpektiven kehrten Hunderttausende ihrem Land den Rücken.
Gleichzeitig öffnete sich Kuba für den internationalen Tourismus, der rasch zu einer Lokomotive seiner Wirtschaft wurde. Hauptsächlich Reisende aus Kanada kommen regelmäßig an Kubas Strände, an denen sie sich im Paradies wähnen.
Nachdem in Venezuela 1998 Hugo Chávez, Bewunderer des kubanischen Revolutionsführers und Staatschefs Fidel Castro, zum Präsidenten gewählt wurde, bekam Kubas Wirtschaft wieder festeren Boden unter die Füße. Zwei Jahrzehnte fortschrittlicher Regierungen in Lateinamerika machten tiefere Kooperationen möglich. Der dort nun erfolgte Rechtsruck ist gerade für Kuba, weithin das Symbol für einen den USA trotzenden Entwicklungsweg, bedrohlich.
Reformen und Rückschläge
Gleich zu Beginn seiner Amtszeit vertrieb der neue brasilianische Präsident Jair Bolsonaro tausende kubanische Mediziner*innen aus dem Land. Sie hatten dort große Lücken bei der ärztlichen Versorgung geschlossen. Der Export von Gesundheitsdienstleistungen hat sich zu Kubas wichtigster Devisenquelle entwickelt. Vor einem Jahrzehnt hatte Fidels jüngerer Bruder und Nachfolger Raúl Castro Wirtschaftsreformen angestoßen.
„Ohne Dogmen, mit Realismus“ will Miguel Díaz Canel, seit April 2018 Kubas Staatschef, sie fortführen. Für viele Berufe wurde das „Arbeiten auf eigene Rechnung“ gestattet. Nicht mehr als Schattenwirtschaft, sondern ganz offiziell hat sich ein stattlicher privater Sektor herausgebildet. Von den 600.000 privat Beschäftigten gehören drei Viertel einer Gewerkschaft an. Die von den USA bereits ein Jahr nach dem Sieg der Revolution 1959 gegen Kuba verhängte Wirtschaftsblockade verlangt auch den Außenhändlern kreative Lösungen ab. China ist ein wichtiger Kreditgeber und liefert Ausrüstungen, zu Vietnam ist der Draht eng. Öl-Einfuhren aus Russland und Algerien kompensieren die venezolanischen Ausfälle zumindest teilweise. Anders als früher kann Kuba heute durch Nutzung erneuerbarer Energien und die eigene Förderung von Öl und Gas etwa 40 Prozent seines Bedarfs decken. In Mariel bei Havanna wurde eine Sonderwirtschaftszone eingerichtet und ein großer Containerhafen gebaut.
Kräftig investiert wird weiter in den Tourismus. Deutsche Urlauber*innen ziehen vor allem Rundreisen auf die Insel. Derzeit versucht Havanna, auch mehr Tourist*innen aus Russland anzulocken. Anfang Juni verhängte die US-Regierung neue Verbote für Reisen nach Kuba. Anders als Vorgänger Barack Obama setzt Präsident Donald Trump voll auf Konfrontation. Im Mai aktivierte er Titel III des Helms-Burton-Acts von 1996. Die Sanktion gibt US-Bürger*innen das Recht, Schadensersatzklagen gegen ausländische Unternehmen, die in Kuba nach der Revolution dort enteignetes Eigentum nutzen, vor Gerichten in den USA zu führen. Die EU reagierte umgehend. Gemeinsam mit Kanada will sie sich das nicht gefallen lassen. Die EU will Schritte unternehmen, um europäische Unternehmen vor solchen Klagen zu schützen.