Ausgabe 06/2019
Öffentlicher Widerspruch
Seit 1991 findet der antifaschistische und antirassistische Ratschlag jährlich um den 9. November, dem Jahrestag der Reichspogromnacht, an wechselnden Orten in Thüringen statt. In diesem Jahr treffen sich die Aktiven am 1. und 2. November in Bad Langensalza. Ziele der Treffen sind die Analyse aktueller Entwicklungen in Region und Gesellschaft, die Vernetzung von Akteur*innen trotz manchmal unterschiedlicher Positionen sowie die Suche nach gemeinsamen Handlungsperspektiven gegen Rechts.
Doch warum nach Bad Langensalza? Seit Jahren versucht die rechte Szene, in der Region Immobilien zu erwerben. So hatte etwa die NPD das „Bürohaus Europa“ 2010 zu ihrem Standort in der Kurstadt gemacht. Durch einen breiten Widerstand vor Ort musste sie ihn aber nach nicht einmal zwei Jahren wieder aufgeben. Im benachbarten Ballstädt zogen bekannte Neonazis in eine Immobilie ein und nutzten diese als Treffpunkt und Veranstaltungsort. Der war Ausgangspunkt für einen gewalttätigen Übergriff auf eine örtliche Kirmesgesellschaft. Kurze Zeit später wurde von den Neonazis Marco Z., Steffen M. und dem am Übergriff beteiligten Rocco B. eine Immobilie in Henningsleben, einem Ortsteil von Bad Langensalza, erworben und bezogen. Da Z. und M. zur führenden Neonaziszene in Thüringen gehören, ist davon auszugehen, dass die Immobilie als Treffpunkt und Proberaum diverser Neonazi- bands wie zum Beispiel „Sonderkommando Dirlewanger“ fungiert.
Zur Gegenwehr zwingt jedoch nicht allein der Kampf gegen die Nationalsozialisten der NPD, sondern ebenfalls das erstarkte Auftreten der selbsternannten Alternative für Deutschland (AfD), im Kern rassistisch, antisemitisch und antifeministisch.
Doch in Bad Langensalza gibt es auch Widerstand gegen das Agieren der Neonazis. Um auf diese Zustände aufmerksam zu machen, hat sich in Bad Langensalza das Bündnis für Jugendkultur und Toleranz Unstrut-Hainich-Kreis gegründet. Zu Beginn der Bündnisarbeit hat ein antifaschistisches Selbstverständnis am Ort eher Ablehnung hervorgerufen. Durch Aufklärung und neue Kooperationen mit ortsansässigen Vereinen und Organisationen sowie verschiedenen Projekten und Aktionen, gelang es, die anfänglichen Vorurteile zum größten Teil abzubauen.
Breiter Widerstand
Neonazistische Organisationen und Strukturen gedeihen dort, wo es keinen öffentlichen Widerspruch gibt. Hier müssen Menschen innerhalb und außerhalb der Politik, Engagierte in Vereinen und Verbänden, jede*r selbst vor Ort einhaken, Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung gegenüber rechtem Gedankengut betreiben und aktiv werden. Ein breiter und unabhängiger Antifaschismus gestützt von handlungsfähigen Organisationen kann Transparenz und aktives Handeln von der Politik einfordern, kann rechte Lobbymacht kenntlich machen, kann Solidarität üben und die aktive Beteiligung am politischen Geschehen gewährleisten.
Auch den seit 2015 zunehmenden rechten Angriffen in Thüringen will der antifaschistische und antirassistische Ratschlag etwas entgegensetzen. Für bestimmte Menschengruppen ist das Leben in Thüringen nicht sicher. Legitimiert wird dies durch rassistisches, antisemitisches und antifeministisches Denken. Den Parolen und Argumentationen begegnet man in Schule, Öffentlichkeit und Betrieb. Der Ratschlag wird auf die aktuelle Situation aufmerksam machen und antifaschistisch und antirassistisch arbeitende Menschen in Bad Langensalza und Thüringen vernetzen und unterstützen.