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Noch immer ist unklar, wohin die Reise für die 7.000 Beschäftigten der LSG in Deutschland gehtOberhäuser/ullstein Bild – Caro

Die Sky Chefs, so ihr Slogan, "kochen vor Wut". Seit Monaten protestieren sie vergeblich gegen einen Verkauf der für die Bordverpflegung verantwortlichen Tochterfirma "LSG Sky Chefs" durch den Lufthansa-Konzern. Zumindest aber wollen sie erreichen, dass die Fluggesellschaft Verschlechterungen der Arbeitsbedingungen vor der endgültigen Veräußerung vertraglich ausschließt. Insider am Rande der Verhandlungen sagen es deutlich: "Lufthansa hält uns hin und spielt nur mit uns. Hier ein kleines Zugeständnis, dort wieder ein Schritt zurück, einen vor, dann wieder anderswo zurück!" Oder noch deutlicher: "Das ist ein eiskalter Konzern, der nur auf seinen Profit ausgerichtet ist. Die verarschen uns nach Strich und Faden!"

Zuletzt nahm Lufthansa eine Garantie für die Altersteilzeit der Mitarbeiter*innen fast komplett wieder zurück. Kurz vor der Vertragsunterzeichnung zum Verkauf des Europa-Geschäfts der weltweit produzierenden Lufthansa-Tochter an die Gategroup mit ihrem weltweit führenden Schweizer Catering-Riesen Gate Gourmet stehen die Zeichen auf Sturm. Die Belegschaft begleitet die Verhandlungen der ver.di-Tarifkommission streikbereit.

Ein undurchsichtiges Hin und Her

2018 hatte die Fluggesellschaft angekündigt, sich vom europäischen Teil ihres Caterers trennen zu wollen. Die Sky Chefs beschäftigen als zweitgrößtes Unternehmen rund 35.000 Menschen, 7.000 davon in Deutschland. Sie liefern jährlich rund 700 Millionen Essen für 300 Fluggesellschaften und fürchten durch den Verkauf massive Einkommensverluste. Man wolle sich, so hielt die Kranich-Linie dagegen, auch zum Vorteil der Mitarbeiter*innen, von Firmenteilen trennen, um sich wieder verstärkt auf das Kerngeschäft, das Fliegen, zu konzentrieren. Die Belegschaft erfuhr davon eher zufällig. Es folgte ein undurchsichtiges Hin und Her um mögliche Kaufinteressenten. Außer Gategroup waren die österreichische Do&CO und die Firma dnata aus Dubai im Gespräch. Die Informationspolitik des Managements gegenüber Betriebsrat und Belegschaft blieb unzulänglich. Maulkorberlässe und endlos lange, aber letztendlich ergebnislose Verhandlungsgespräche und zurückgenommene Zusagen schürten den Unmut.

Unsicherheit und Existenzängste

Gewerkschafter*innen und Belegschaft sprachen sich mit großer Mehrheit immer wieder gegen einen Verkauf aus. Sie hatten bei Umstrukturierungsmaßnahmen in der Vergangenheit bereits mehrfach auf Entgelt und Urlaubstage verzichtet, um betriebsbedingte Kündigungen abzuwenden. Sie verlangten ersatzweise, dass es, werde trotzdem verkauft, eine "Best Owner"-Vereinbarung geben müsse. Der Käufer solle vorab verpflichtet werden, die gewerkschaftlichen Mindeststandards einzuhalten. ver.di forderte den Erhalt der Arbeitsplätze, Einhalten der Tarife und eine vertraglich durch Lufthansa abgesicherte Garantie der Sozialstandards von den eventuellen neuen Eigentümern.

Nach Monaten der Unsicherheit und der Existenzängste der Belegschaft – der Krankenstand hatte sich inzwischen signifikant erhöht – demonstrierte diese im Juni 2019, unter anderem vor der Konzernzentrale in Frankfurt, unter dem Motto "Wir kochen vor Wut – LSG-Not4sale". Nennenswerte Zugeständnisse der Lufthansa gab es nicht. Gewerkschafter aus den internationalen Betrieben der LSG solidarisierten sich, weil sie befürchten, dass nach dem europäischen Verkauf auch die weltweiten Niederlassungen zur Disposition stehen könnten.

Vertrauen verspielt

Im November 2019 kündigte ver.di nach immer wieder zähen Verhandlungen für den 2. Dezember einen 24-stündigen Streik an. Der Konzern habe "sein Vertrauen verspielt" und damit den Streik provoziert. Vor allem Fernflugverbindungen aus Frankfurt und München wären betroffen gewesen. Die Konzernleitung reagierte und legte kurzfristig ein neues Angebot mit einem verbesserten finanziellen Ausgleich bei Tarifabsenkungen durch den neuen Arbeitgeber und der Möglichkeit zur Altersteilzeit vor. ver.di sagte den geplanten Streik daraufhin ebenso kurzfristig ab. Man habe aber, so Verhandlungsführerin Katharina Wesenick, "lediglich auf die Pausentaste gedrückt". Sie mahnte die Lufthansa noch einmal, zur "sozialen Verantwortung" für ihre Beschäftigten zu stehen.

Doch zur erneuten Enttäuschung der Tarifkommission begann wieder das Katz- und Maus-Spiel. Lufthansa verwässerte Angebote oder nahm sie ganz zurück. Insgesamt 40 Stunden, drei Tage lang quälte sich die Tarifkommission, jedes Mal bis über Mitternacht hinaus, mit der hartleibigen Konzernleitung, ehe sie am 6. Dezember an die Basis appellierte: "Die Anspannung ist bei uns allen sehr hoch. Haltet durch, stärkt uns den Rücken und seid weiterhin bereit!" Zum Redaktionsschluss standen weitere Verhandlungsrunden bevor.

Kampferprobte Belegschaft

Zwischenzeitlich, so der hessische Landesbereichsfachleiter Ronald Laubrock, habe der Aufsichtsrat der Lufthansa dem Verkauf zugestimmt, und das "Signing", die Unterzeichnung, der erste verbind- liche Schritt eines Kaufvertrages, habe stattgefunden. Bis zum "Closing", der endgültigen Eigentumsübertragung, könne es aber noch einige Monate dauern. Der Verkauf muss zudem noch von den Kartellbehörden genehmigt werden. Es könnte sein, ließen inzwischen Belegschaftsmitglieder wissen, dass bis dahin eine Einigung erfolge. Es könnte aber eben auch nicht sein. Gate Gourmet müsse sich dann darauf einstellen, eine kampferprobte und immer wieder streikbereite Belegschaft zu übernehmen.

Der Schweizer Konzern gab sich gegenüber ver.di schon im Oktober verbindlich. Er wolle, so antwortete Roland Maurhofer, Chief Legal Officer, auf eine schrift-liche Anfrage von ver.di – allerdings erst nach abgeschlossenem Verhandlungsprozess mit der Lufthansa – "baldmöglichst" auf die Gewerkschaft zugehen. Man sei sich "vollkommen bewusst", dass die Beschäftigten "gerne Klarheit über die nächsten Schritte hätten", und sei deshalb an einem "nahen und vertrauensvollen Dialog insbesondere mit ver.di" interessiert.