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Balbina: Punkt.

Ihre ersten beiden Alben hießen nicht umsonst Über das Grübeln und Fragen über Fragen. Balbina sang über ausladenden Arrangements mit getragener, sehr ernster Stimme ihre Texte, die dermaßen gelungen zwischen Besinnlichkeitslyrik und Klassikerverbeugung schillerten, dass Deutschlehrer sie dafür benutzten, gelangweilte Schüler doch noch für die Reimkunst zu begeistern. Ihr drittes Werk nun trägt den Titel Punkt. und macht tatsächlich einen solchen: Die Künstlerin mit polnischen Wurzeln, die ihr Auftreten mit extravaganten Kostümen auch zum visuellen Ereignis inszeniert, besinnt sich auf Einflüsse aus ihrer Jugend, als sie sich in der Berliner HipHop-Szene herumtrieb. Die Musik wird elektronischer, bisweilen sogar tauglich für den Club, der Chanson verliert an Bedeutung, mitunter rappt Balbina Monika Jagielska nun sogar, covert aber auch Sonne von den Skandal-Rappern Rammstein und experimentiert dann auch noch erstmals mit der englischen Sprache. Die arg gesetzte Anmutung, das leicht Großmutterhafte, ist zwar nicht gänzlich verschwunden, aber kollidiert nun immer wieder mit einem jugendlicheren Zeitgeist und sorgt für eine erhebliche Spannung – demnächst dann vielleicht sogar im Englisch-Unterricht. Thomas Winkler

CD, BMG Rights Management/Warner

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La Roux: Supervision

Man sollte sich mal den Videoclip zum Song International Women Of Leisure ansehen. Von den kreischend bunten Farben über die schulterpolsterverstärkten Klamotten bis zum fröhlich klappernden Synthie-Pop: Mit der Ästhetik mag sich La Roux hingebungsvoll vor den achtziger Jahren verbeugen. Inhaltlich aber könnte die erste Single aus dem vierten Album der britischen Musikerin, die eigentlich Elly Jackson heißt, kaum aktueller sein. Der Song ist ein starkes Statement für ein weibliches Selbstbewusstsein und vor allem gegen den gesellschaft- lichen Rollback, den wir dieser Tage erleben, da überwunden geglaubte Geschlechterklischees wieder restauriert werden. Diese Dialektik ist Programm: In der Tradition von Madonnas Material Girl kommt Supervision als harmlos schillernde Oberfläche daher, um auf textlicher Ebene die drängenden Fragen zur Zeit zu stellen – und zwar stets aus feministischer Perspektive. Das mag zwischen infektiösen Melodien und in die Beine gehenden Rhythmen mitunter verloren gehen, entwickelt aber gerade deshalb eine ungeheure subversive Kraft.

Thomas Winkler

CD, Believe Digital/Soulfood

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Roberto Fonseca: Yesun

Mit Mitte zwanzig avancierte Roberto Fonseca zum jüngsten Mitglied des legendären Buena Vista Social Club. Mit seinem neuen Album reißt der talentierteste Pianist Kubas die Grenzen zwischen kubanischer Musiktradition, Rap und Klassik endgültig ein. "In meiner Welt existieren Klassik, Reggaeton, Hip Hop, Funk und afro-kubanische Einflüsse", sagt der inzwischen 44-jährige Komponist aus Havanna. Und so hört man zwar typische kubanische Klänge wie Cha Cha, Mambo, Rumba und Son. Wie er aber diese traditionellen Stile mit Rock, Jazz und verspielten satten Synthesizer-Klängen verwebt, das macht den typischen Klang aus. Dazu gehört – last but not least – auch ein facettenreiches, emotionales Klavierspiel, die Tempowechsel innerhalb der Stücke und die pulsierenden Rhythmen. In der zarten Ballade Por Ti verbindet er mit seinem Trio Piano, Cello und Akustikbass. Gäste wie der US-Saxophonist Joe Lovano und der französisch- libanesische Trompeter Ibrahim Maalouf bereichern die Spielfreude des Tasten- genies. Luitgard Koch CD, 3ème Bureau