Ausgabe 02/2020
Was Beschäftigte wissen müssen
Auch in Deutschland ist das Coronavirus inzwischen in allen Bundesländern angekommen, immer mehr Menschen infizieren sich. Drastische Maßnahmen wie in China und in Italien sind inzwischen europaweit ergriffen worden. Wir listen auf, was Beschäftigte jetzt bezüglich der Arbeit beachten müssen.
Aus gegebenen Anlass sollten Beschäftigte folgendes unbedingt beachten: Bitte keine Aufhebungsverträge oder Änderungsverträge zum Arbeitsvertrag unterschreiben, die der Arbeitgeber wegen der Corona-Krise vorlegt. Lasst euch in jedem Fall immer erst bei eurem Betriebsrat oder eurer zuständigen Gewerkschaft beraten.
Darf ich zu Hause bleiben, weil ich befürchte, mich bei der Arbeit anzustecken?
Die Befürchtung vor Ansteckung allein reicht nicht aus. Beschäftigte dürfen der Arbeit nur fernbleiben, wenn sie tatsächlich arbeitsunfähig sind, ansonsten sind sie zur Arbeit verpflichtet. Es gehört zum allgemeinen Lebensrisiko, sei es bei der Arbeit oder in der Freizeit, sich zu verletzen oder sich mit einer Krankheit anzustecken. Das gilt auch für Beschäftigte mit einer Vorerkrankung, die sie zwar nicht arbeitsunfähig macht, aber mit der sie einem höheren Risiko ausgesetzt sind, einen schwereren Krankheitsverlauf durch eine Coronavirus-Infektion zu entwickeln.
Darf mein Chef mich auf Dienstreise in ein Ansteckungsgebiet schicken?
Die Arbeitspflicht erstreckt sich grundsätzlich auch auf Dienstreisen. Auch hier reicht eine bloße Befürchtung, man könne sich mit einem Virus infizieren, nicht aus, um die Dienstreise zu verweigern. Etwas anderes gilt, wenn eine offizielle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes vorliegt. Reisen in solche Gebiete oder Länder muss der*die Arbeitnehmer*in nicht antreten, eine entsprechende Weisung wäre unbillig.
Muss mein Arbeitgeber Desinfektionsmittel und ähnliches zur Verfügung stellen, um die Infektion am Arbeitsplatz zu verhindern?
Grundsätzlich hat der Arbeitgeber dafür zu sorgen, dass Verletzungs- und Erkrankungsrisiken im Betrieb so gering wie möglich sind. Er muss die erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Hierzu kann auch das Bereitstellen von Desinfektionsmitteln gehören. Es gelten in jedem Fall die allgemeinen Grundsätze des Arbeitsschutzes.
Darf ich bei der Arbeit einen Mundschutz tragen?
Der Arbeitgeber kann das Tragen eines Mundschutzes nicht verweigern, wenn der Arbeitsplatz mit einem höheren Risiko verbunden ist, sich mit dem Coronavirus anzustecken. In den Pflegeberufen gehört er ohnehin zur Grundausstattung. Aber auch anderswo haben Beschäftigte erhöhten Kontakt mit anderen Menschen, wie etwa an Flughäfen.
Darf ich mich weigern, angeordnete Schutzmaßnahmen zu befolgen?
Der Arbeitgeber hat ein Direktionsrecht, auch Weisungsrecht genannt. Um eine Ausbreitung des Coronavirus zu verhindern, darf er darum seine Beschäftigten dazu verpflichten, einen Mundschutz zu tragen und sich regelmäßig die Hände zu waschen oder zu desinfizieren. Diese Anweisungen sind in einer Situation wie der derzeitigen durch das Direktionsrecht gedeckt. Bei solchen Maßnahmen ist in Betrieben mit Betriebsrat allerdings immer auch das Mitbestimmungsrecht zu berücksichtigen.
Darf mein Arbeitgeber bei einem Verdacht auf eine Corona-Infektion eine ärztliche Untersuchung verlangen?
Das Direktionsrecht hat seine Grenzen: Der Arbeitgeber darf nicht grundsätzlich in das grundrechtlich geschützte Persönlichkeitsrecht oder in das Recht auf körperliche Unversehrtheit der Beschäftigten eingreifen. Einer Anordnung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, muss daher kein Beschäftigter, keine Beschäftigte nachkommen. Der Arbeitgeber kann im Falle des Coronavirus' seine Beschäftigten auch nicht verpflichten, sich impfen zu lassen, sobald ein Impfstoff erhältlich sein sollte.
Darf mein Arbeitgeber mich nach Hause schicken?
So, wie der*die Arbeitnehmer*in grundsätzlich zur Arbeit verpflichtet ist, muss der Arbeitgeber seine Beschäftigten grundsätzlich beschäftigen. Solange er*sie arbeitsfähig ist, muss und darf er*sie im Betrieb tätig sein. Der Arbeitgeber darf seine Beschäftigten erst nach Hause schicken, wenn er der Meinung ist, dass sie nicht arbeitsfähig sind. Auch eine Zwangsbeurlaubung unter Fortzahlung der Vergütung kommt grundsätzlich nicht in Frage. Urlaub und Überstundenabbau sind nur dann möglich, wenn der Beschäftigte dies beantragt, also nicht gegen dessen Willen. Sofern im Betrieb eine Regelung zum Home-Office besteht, kann der Arbeitgeber im Rahmen der bestehenden Regelungen seine Beschäftigten auch von Zuhause aus arbeiten lassen. Entschließt sich der Arbeitgeber aus freien Stücken, den Betrieb vorübergehend zu schließen, kann er dies tun. Er muss dann aber auch das Entgelt weiterzahlen.
Kann ich selbst zu Hause bleiben, wenn ich keine Betreuungsmöglichkeit für meine Kinder habe?
Wenn die Behörden Kindertagesstätten aufgrund der Virusgefahr schließen, ist dies für arbeitende Eltern natürlich ein Problem, weil ihre Kinder dann unter Umständen unbeaufsichtigt sind. Dies führt jedoch nicht dazu, dass sie ihrerseits der Arbeit fernbleiben können. Grundsätzlich sind Beschäftigte verpflichtet, Anstrengungen zu unternehmen, um das Kind anderweitig betreuen zu lassen. Gerade bei kleinen Kindern ist das aber bekanntlich kein Selbstläufer. Hier sollte schnellstmöglich ein Gespräch mit dem Arbeit- geber gesucht und gemeinsam überlegt werden, ob etwa Arbeit von zu Hause aus in Frage kommen kann.
Natürlich können Beschäftigte auch versuchen, kurzfristig Urlaub zu nehmen oder Überstunden abzubummeln. Eine kurzfristig anfallende Kinderbetreuung ist auf jeden Fall ein Grund, sodass der Arbeitgeber den Urlaub nicht ohne weiteres ablehnen kann. Dem kann aber der Urlaubswunsch anderer Beschäftigter entgegen- stehen, deren Kinder ebenfalls ohne Betreuung sind. Beschäftigten mit Kindern, die aufgrund einer Epidemie keine Betreuung haben, bleibt letztlich nur, die Situation offen anzusprechen und gemeinsam nach einer Lösung zu suchen.
Darf mein Arbeitgeber mich fragen, woran ich erkrankt bin?
Der Arbeitgeber hat kein Recht darauf zu erfahren, woran ein Arbeitnehmer erkrankt ist. Eine Arbeitsunfähigkeits- bescheinigung attestiert nur, dass der Beschäftigte seine Tätigkeit nicht ausüben kann und wie lange dies voraussichtlich dauern wird. Mehr muss er nicht wissen, deswegen darf er auch nicht mehr wissen. Da es sich bei dem Coronavirus allerdings um eine hochansteckende Krankheit handelt, steht es natürlich jedem frei, seinen Arbeitgeber und den Kolleg*innen den Grund der Arbeitsunfähigkeit mitzuteilen, da bei engerem Kontakt durch die Arbeit eine Ansteckung stattgefunden haben kann. Unternehmen können eine derartige Meldepflicht übrigens auch als gesonderte Betriebsvereinbarung zu Infektionskrankheiten regeln.
Was ist, wenn die zuständige Behörde den Betrieb dichtmacht?
Eine solche Maßnahme, wie sie in Italien bereits vorgekommen ist, ist grundsätzlich auch in Deutschland möglich. Das Arbeitsministerium geht davon aus, dass es sich um einen Fall des Betriebsrisikos handelt. Beschäftigte behalten auch in diesem Fall ihren Entgeltanspruch, auch wenn sie nicht arbeiten können. Dies bestätigte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage des Redaktionsnetzwerks Deutschland.
Wie sieht es mit meinem Lohnanspruch aus, wenn ich selbst in Quarantäne bin?
Nach dem Infektionsschutzgesetz kann die zuständige Behörde ein Beschäftigungsverbot erlassen, wenn bei einem Beschäftigten der Verdacht besteht, dass er eine ansteckende Krankheit hat oder er einen Krankheitserreger in sich trägt. Dieses Beschäftigungsverbot führt dazu, dass Beschäftigte nicht mehr arbeiten dürfen und damit auch ihren Lohnanspruch verlieren. Im Gegenzug sieht das Infektionsschutzgesetz aber eine Entschädigung vor. Diese besteht in Höhe des Verdienstausfalls für die Dauer von sechs Wochen, anschließend in Höhe des Krankengeldes.
Bekommen Selbstständige, die wegen Corona unter Quarantäne stehen, Entschädigungszahlungen?
Auch Selbstständige bekommen eine Entschädigungszahlung. Sie beträgt ein Zwölftel des Arbeitseinkommens des letzten Jahres vor der Quarantäne. Selbständige, die einen Betrieb oder eine Praxis haben, erhalten zudem von der zuständigen Behörde Ausgleich in angemessenem Umfang für die in dieser Zeit weiterlaufenden nicht gedeckten Betriebsausgaben.
Habe ich Anspruch auf Kurzarbeitergeld?
Der Bundestag hat am 13. März 2020 im Eilverfahren Erleichterungen beim Kurzarbeitergeld beschlossen. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland sollen demnach durch öffentlich finanziertes Kurzarbeitergeld vor Arbeitslosigkeit geschützt werden. Und mehr Unternehmen als bisher sollen die Leistung der Bundesagentur für Arbeit ab April beantragen können.
Was muss ich als Beamt*in wissen?
Das Robert-Koch-Institut schätzt die Gefahr durch das neue Corona-Virus für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland aktuell immer noch "insgesamt als mäßig" ein. Die Gefährdung variiere aber von Region zu Region und sei in "besonders betroffenen Gebieten" hoch. Diesbezüglich stellen sich auch für Beamt*innen Fragen hinsichtlich ihrer Dienstpflicht. Maßgabe Nummer 1 ist: Informieren Sie sich bei Ihrem Dienstherrn darüber, welche Verhaltensregeln Sie zu beachten haben.
Zusammengestellt von ver.di mit DGB Rechtsschutz GmbH