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Performance-Künstlerin Nicole Bäumer als sie noch auftreten durfteFoto: Nikolai Schmidt

Unser Alltag hat sich infolge der Corona-Pandemie schlagartig verändert. Viele Forscher*innen prognostizieren darüber hinaus, dass sich unsere Gesellschaft und das Zusammenleben sozusagen als Lehre aus der Krise nachhaltig verändern werden, und sehen darin auch eine Chance. Doch wie sehen die, die in akuter wirtschaftlicher Not sind, denen von heute auf morgen Einnahmen wegbrechen, diese Chancen? Zu ihnen zählen auch viele Solo- Selbstständige.

Eine von ihnen ist Beate Schwartau, Supervisorin und aktiv in der Landeskommission Selbstständige von ver.di Hamburg. "Steuerberater*innen und Systemadministrator*innen verdienen noch Geld, aber beispielsweise freie Künstler*innen oder wir Supervisor*innen haben jetzt mit Stornierungen zu kämpfen", sagt sie. Dank der Soforthilfe können das viele nach ihrer Einschätzung bis Mai überbrücken. "Danach wird es eng."

Auf die Frage, wie es ihr persönlich geht, antwortet Beate Schwartau: "Empfindungen sind gerade ausgeschaltet, Grübeln erlaube ich mir nicht. Wenigstens können wir Solo-Selbstständigen in Hamburg jetzt Hartz IV beantragen, dadurch verliere ich zumindest nicht die Wohnung." Allerdings musste sie einige Wochen auf die Bewilligung und Soforthilfe warten.

Nicht jede Kunst lässt sich ins Netz verlegen

Esther Kaufmann, aktiv im Vorstand des Schriftstellerverbandes in ver.di, arbeitet als Schriftstellerin und unterrichtet. Einige ihrer Projekte lassen sich in die digitale Welt verlegen oder waren, wie ein Schreibkurs an der Volkshochschule, von vornherein als Online-Angebot angelegt. Sie sagt, sie sei wirtschaftlich nicht akut bedroht, doch "von einem kreativen Aufblühen kann ich nicht berichten. Alle sind sehr verunsichert". Auch die Sorge um die Familie beschränke die Kreativität. Zudem verursache die Umorganisation ihrer Projekte viel Arbeit, die leider unbezahlt bleibe. Eine 70-Stunden-Woche sei zurzeit ihre Normalität.

Für die Performance-Künstlerin Nicole Bäumer, die zusammen mit ihrem Lebensgefährten Theater im öffentlichen Raum macht, ist die Situation wirtschaftlich unsicher. Sie verdient ihr Geld in der Open-Air-Saison, alles hängt jetzt davon ab, wann sie wieder auftreten kann. Derzeit kümmert sie sich um Büroarbeit und Kontaktpflege.

Als neues Projekt hat sie einen Blog begonnen, doch sie sagt auch, man könne diese Art von Kunst nicht einfach ins Netz verlegen. "Der direkte Kontakt in der Live-Unterhaltung hat eine eigene Qualität und ist für das seelisch-emotionale Überleben von Publikum und Künstler*innen unverzichtbar", sagt sie. Für sie selbst sei es in dem Ausnahmezustand aber spannend zu sehen, wie viel sie wirklich brauche, wenn sie nicht auf Tour ist. Andererseits fragt sie sich, was ist, wenn wirklich alle Veranstaltungen bis zum 31. August ausfallen.

Diese Frage stellt sich auch Giovanni Zocco. Er ist Tänzer, Darsteller und Choreograf ohne Festanstellung. Er arbeitet an Theatern und Tanztheaterprojekten, unter anderem an der Hamburgischen Staatsoper, auf Kampnagel und in anderen kleinen Theatern. Er betreibt Schulprojekte, unterrichtet Tanz und Theater an Schulen. Alle Engagements und die Tätigkeit an Schulen liegen zurzeit auf Eis. Für ein Projekt, das als Live-Performance für Kinder geplant war, entwickelt er nun mit den Beteiligten ein digitales Format. "Die gemeinsame Arbeit an einem Projekt hilft dabei, kreativ zu werden. Anders geht es nicht", sagt er. Alle weiteren Einnahmen sind für ihn weggebrochen. "Deshalb ist die Soforthilfe eine große Erleichterung", sagt er. Zwar seien die Formulare sehr umständlich, aber mit Hilfe von ver.di habe er sie bearbeiten können, und nach einer Woche war das Geld auf seinem Konto. Jetzt geht es auch für ihn um die Frage, wann er seine Arbeit wieder aufnehmen kann. "Bis zum Sommer komme ich klar, aber, wenn diese Krise länger dauert, braucht es weitere Unterstützung", sagt Zocco. Anja Keuchel