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Digitale Assistenzsysteme sind zwar intelligent, aber ersetzen nicht den MenschenFoto: mauritius images/Zoonar/Alamy

CARL erzählt Witze, und PIA weiß von Tag zu Tag mehr. Die beiden haben kein Gesicht. Sie sind Künstliche Intelligenz (KI). Doch die macht vielen Menschen Angst. Sie fragen sich, werden Roboter eines Tages menschliche Arbeit überflüssig machen? ver.di und IBM haben in Kooperation mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales ein Forschungsprojekt zu KI in Auftrag gegeben, um Erfahrungen in der Dienstleistungsbranche zu sammeln. Die Studie wurde von der Universität Maastricht zusammen mit der Forschungs- und Beratungsgesellschaft Input Consulting durchgeführt und ist jetzt abgeschlossen. Die erforschten Programme stammen von IBM. ver.di publik befragte den ver.di-Betreuungssekretär für IBM, Bert Stach, zu den Ergebnissen.

ver.di publik: Vorab: Was ist eigentlich künstliche Intelligenz, kurz KI?

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Bert StachFoto: Kay Herschelmann

Bert Stach: Das, was den Menschen Angst macht, ist eine sogenannte starke KI, die mit einem künstlich erzeugten, neuronalen Netzwerk wie dem menschlichen Gehirn arbeitet. Eine solche KI wäre in der Lage, wie ein Mensch zu denken und sich empathisch zu verhalten. Bisher gibt es diese KI noch nicht. Wenn zurzeit von KI gesprochen wird, dann geht es um sogenannte schwache KI. Das sind Computeranwendungen, die so programmiert sind, dass sie Entscheidungen treffen und Handlungen auslösen können. Das geschieht aber in einem relativ begrenzten Umfang. Beispielsweise, wenn ein Auto automatisch bremst, weil es ein Hindernis erkennt.

ver.di publik: Bei Siemens in der Personalverwaltung wurde der Chatbot CARL erprobt. Was kann er?

Stach: CARL ist ein Assistenzsystem, das wie ein menschlicher Second Level Support im Hintergrund unterstützt. Er wurde mit Fragen und Antworten gefüllt. Die Beschäftigten nutzen ihn als wissenden Helfer. Das erleichtert die Arbeit und führt zu einer schnelleren Beantwortung von Fragen. Damit er menschlicher wirkt, kann er auch Witze erzählen.

ver.di publik: Und wie kam CARL bei den Beschäftigten an?

Stach: Es gab ein positives Feedback. Die Arbeitsergebnisse wurden als besser empfunden, Wartezeiten verkürzt. Überwiegend wird CARL als nützlicher Assistent eingestuft, als schnelle und kompetente Wissensschnittstelle.

ver.di publik: Bei der Telekom wurde mit PIA eine Robotic Desktop Application erforscht. Worum handelt es sich dabei, und was kann die Anwendung?

Stach: PIA ist ein persönlicher interaktiver Assistent, der im Hintergrund vorhandene Daten mit neuen Daten verknüpft. Das Prinzip dahinter ist, dass KI große Datenmengen schneller analysieren und durchforsten kann. Alles, was in Kundengesprächen passiert und an Wünschen aufkommt, muss da mit eingegeben werden, das macht die Datenbasis kontinuierlich größer und die Kundenberatung immer besser. PIA unterstützt, damit sich die Beschäftigten im Service weniger mit den Daten befassen müssen und sich mehr auf ein empathisches Gespräch konzentrieren können.

ver.di publik: Wie haben die Telekom-Beschäftigten die KI empfunden?

Stach: In der ersten Phase des Projekts war es noch zu früh, die Effekte abschließend zu interpretieren. Doch langfristig soll die Arbeit für die Beschäftigten erleichtert und die Kundenzufriedenheit erhöht werden.

ver.di publik: Welche negativen Effekte können durch KI entstehen?

Stach: Arbeitgeber erhoffen sich Kosten- und Personaleinsparungen. Das macht den Beschäftigten Angst. Wir können uns dem Thema aber nicht verschließen und zusehen, wie der Wandel in der Arbeitswelt trotzdem geschieht. Wir müssen uns jetzt die Frage stellen, wie wir die Arbeit so verteilen und gestalten, dass mit Hilfe von KI Gute Arbeit entsteht.

ver.di publik: Wie lässt sich KI positiv für Gute Arbeit nutzen?

Stach: Durch KI fallen Arbeiten und Arbeitsplätze weg, doch es entstehen auch neue. Da wollen wir uns einbringen und den technologischen Fortschritt so mitgestalten, dass die Arbeit für den Menschen gut wird. Wir diskutieren dabei auch ethische Leitlinien für den Einsatz von KI. Sie sind ausgerichtet auf das Gemeinwohl, auf Gute Arbeit und Gute Dienstleistungen. Es darf keine KI-Anwendungen geben, die den Menschen schaden oder gegen Menschen- und Grundrechte verstoßen. KI muss nachvollziehbar, transparent und beherrschbar bleiben.

ver.di publik: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales war Kooperationspartner, was kommt von dort?

Stach: Der Bundesminister für Arbeit und Soziales, Hubertus Heil, hat uns ins Vorwort der Studie geschrieben, es gehe darum, aus technologischem Wandel auch sozialen Fortschritt zu machen. Das kann ich unterstreichen. Wir als Gewerkschaft wollen zusammen mit den Beschäftigten die Prozesse so gestalten, dass es auch in Zukunft für alle Gute Arbeit gibt. Und, wie ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz uns ebenfalls ins Vorwort geschrieben hat, nur wenn die Technik den Menschen nicht steuert, sondern ihn in seiner Arbeit unterstützt, wird KI zum nachhaltigen Erfolgsmodell für Beschäftigte und Unternehmen. Ich finde, dafür hat das Forschungsprojekt einen wichtigen Beitrag geleistet.

Interview: Marion Lühring