Bleiben in Zukunft die Büros leer und die Jobs werden vom heimischen Küchentisch aus erledigt? Keine teuren Mieten mehr für Bürogebäude? Die Arbeitswelt hat sich unter dem Einfluss der CoronaPandemie in Rekordzeit verändert. Fragen an die Betriebsratsvorsitzende von ver.di Hamburg, Katharina Sehne.

ver.di publikKommt es infolge der hohen Ansteckungszahlen durch die Corona-Pandemie wieder zu mehr Homeoffice?

Katharina Sehne – Es geht derzeit darum, Kontakte zu reduzieren. Meine Haltung dazu ist: Was nützen mir Beschäftigte am Arbeitsplatz, wenn ihre Gedanken vor allem um die Sorge kreisen: Hoffentlich stecke ich mich nicht an und trage diese Krankheit dann noch in die Familie, zu Eltern, zu Freunden mit Vorerkrankungen. Da sollte mit einem gesunden Maß an Verantwortung draufgeschaut werden, und Entscheidungen sollten mit Beschäftigten und dem Betriebsrat getroffen werden.

ver.di publikMuss Homeoffice für alle in einem Betrieb gleichermaßen möglich sein?

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Katharina SehneFoto: ver.di

Sehne – Es gibt Beschäftigtengruppen, die Homeoffice gar nicht machen können: Pförtner*innen etwa oder Arbeitnehmer*innen am Band. Überall dort, wo man Menschen in mobiles Arbeiten oder Homeoffice schicken kann, sollte man prüfen, ob es geht, wie lange es geht, ob es in wechselnden Besetzungen geht.

Was ich allerdings auch oft höre, ist: Naja, denen in Homeoffice geht es doch gut. Wenn man dann die Kolleginnen und Kollegen fragt, die selbiges tun, sagen viele: Ich bin froh, wenn ich da wieder raus bin. Also, es gibt kein Richtig und Falsch, man muss wirklich sehr differenziert und achtsam schauen, damit keine negative Bewertung reinkommt, drastisch gesagt nach dem Motto ,Die sind faul, sitzen zu Hause, und ich muss deren Aufgaben hier auf der Arbeit mit übernehmen'. Da sind die Betriebsräte gefragt und sie müssen nicht nur die Beschäftigten fragen, sondern auch die Führungskräfte, denn die haben auch ihre Sorgen und Ängste, da muss man schauen, was passiert.

ver.di publikMuss der Arbeitgeber Ausgaben durch Homeoffice wie Energiekosten und ähnliches erstatten?

Sehne – Generell sollte der Arbeitgeber gemeinsam mit Interessenvertretungen nach einem Weg suchen, um das zu regeln. Sonst wäre ja ein Großteil der Kosten auf die Beschäftigten übertragen, ohne dass es dafür einen Ausgleich gibt. Das halte ich für rechtswidrig.

ver.di publik Darf der Arbeitgeber mein Homeoffice kontrollieren?

Sehne – Wenn es ein Homeoffice ist und ich einen Arbeitsplatz von meinem Arbeitgeber nach allen gültigen Kriterien eingerichtet bekommen habe, dann ist er nach dem Gesetz sogar verpflichtet zu kontrollieren. Es gibt Gesetze, die der Arbeitgeber auch an diesem Arbeitsplatz einhalten muss. Was er allerdings nicht kann, ist, einfach zu klingeln und zu sagen: Ich bin jetzt da und mache jetzt die Kontrolle. Aber ich habe ihm nach Terminabsprache den Zutritt zu meinem Arbeitsraum zu gewähren. Das ist ein Aspekt, bei dem viele sagen: Nein, ich will nicht, dass da jemand zu mir auf Kontrollbesuch kommt.

ver.di publikWie sieht es mit den Arbeitszeiten im Homeoffice aus?

Sehne – Auch das kann man nicht pauschal beantworten, weil es ganz unterschiedliche Voraussetzungen gibt. Das ist Absprachesache. Wichtig ist, dass es eine Höchstarbeitsgrenze gibt, dass, wenn Regelungen getroffen werden, spätestens nach zehn Stunden Schluss ist. Es gibt bereits Technik, mit der sich die Rechner von alleine ausschalten, wenn zehn Stunden Arbeitszeit am Tag erreicht sind, und die sich an Wochenenden gar nicht hochfahren. Sonst wird Arbeit völlig entgrenzt. Das haben wir auch bei Vertrauensarbeitszeit oftmals und bei Teamwork mit Projektarbeit und Abgabetermin, da wird die Selbstausbeutung ganz großgeschrieben. Grundsätzlich wäre es hilfreich, mit dem Betriebs- bzw. Personalrat ins Gespräch zu kommen, und dass Betriebs- und Personalräte mit den Arbeitgebern über dieses Thema reden.

ver.di publikWo liegen die Hauptaufgaben für Betriebsräte und Interessenvertretungen aktuell?

Sehne – Neben der rechtlichen Seite liegen die vor allem in der Kommunikation mit den Menschen. Denn nicht alle werden gleichermaßen einverstanden sein mit Vereinbarungen, die getroffen werden, wenn zum Beispiel die einen Homeoffice toll finden, die anderen aber gar nicht. Das ist dann ein Spagat für Inter-essenvertretungen, und ich würde immer Testphasen empfehlen, damit im Zweifel nachjustiert werden kann. Und ich glaube, es ist wichtig, auch eine Rückkehr zur Normalität, also eine Rückkehr an den Arbeitsplatz zu ermöglichen, die nicht davon abhängig ist, ob der Arbeitgeber das will. Ich möchte betonen: Das, was ich hier beschreibe, ist ein Zustand nach der Pandemie. Denn jetzt im Moment haben wir nicht nur die Arbeitgeber- und Arbeitnehmer*innen-Interessen zu berücksichtigen, sondern auch die gesellschaftlichen.