Ausgabe 08/2020
Musik
Don Marco & Die kleine Freiheit: Gehst Du mit mir unter
Die Reichen werden immer reicher, die Armen immer ärmer, und Corona lässt die Ungerechtigkeit auf der Welt nur noch lauter schreien. Ja, das sagen alle, aber vielleicht muss es auch einmal jemand singen. „Wir haben genug, immer bloß so zu tun, als ging‘ es uns gut“, singt Don Marco.
„Die Schere ist auf und sie geht nicht wieder zu. Schau über den Zaun, nein, du gehörst da nicht dazu.“ Hinter Don Marco verbirgt sich Markus Naegele. Der ist Autor und Subkultur-Faktotum, arbeitet bei einem Verlag und ist alt genug, mal Fan der Bay City Rollers gewesen zu sein. Als Musiker war er mit seiner Band Fuck Yeah bislang herzlich erfolglos. Nun, mit seinem neuen Projekt mit dem Wirtschaftswundernamen Die kleine Freiheit, singt er erstmals auf Deutsch und reanimiert, wenn man böse wäre, den Deutschrock der bleiernen Siebzigerjahre. Man könnte aber auch sagen, Don Marco & Die kleine Freiheit erfinden auf diesem Debütalbum etwas, was vielleicht aus der Zeit gefallen, aber eigentlich unverzichtbar ist: Sozial verantwortliche Mainstream-Rockmusik mit Hang zum Schlager und einem politischen Gewissen.
Thomas Winkler
CD, Off Label/Broken Silence, VÖ: 29.1.
Urban Village: Udondolo
Die Idee, die am Anfang von Urban Village stand, war ein Paradoxon. „Es ist, als wollte man zurück zu den Wurzeln, aber gleichzeitig auch in die Zukunft gehen“, versuchte Gitarrist Lerato Lichaba einst zu beschreiben, was seine Band vorhatte. Nun kann man auf einem ganzen Album hören, was er meinte. Die Band aus Soweto, dem einst größten Township oder auch Ghetto Südafrikas, versucht auf Undondolo, das musikalische Erbe Südafrikas mit globaleren Einflüssen zu verschmelzen. Die Band spielt in klassischer Rockbesetzung aus Gitarre, Bass und Schlagzeug, die gelegentlich von Flöte oder Bläsern ergänzt wird, eine Melange, in der man lokale Stile mit Zulu-Traditionen wie Mbaqanga, Marabi oder Maskandi hören kann, aber dann genauso wieder westlichen Folk und Jazz, Rock oder Funk. Das Kunststück, eine sichere, niemals schwankende Brücke zwischen den Welten und den Zeiten zu bauen, gelingt nicht nur musikalisch, sondern auch inhaltlich: Die Texte erzählen von der Apartheid und dem folgenden „Nation Building“, verurteilen den Rassismus, aber propagieren auch Versöhnung und die panafrikanische Idee.
Thomas Winkler
CD, No Format/Indigo, VÖ: 22.1.
Ray Lema: Hommage à Franco Luambo
(On Entre KO – On Sort Ok)
Mitte des 20. Jahrhunderts ist Leopoldville, das heutige Kinshasa, die größte Stadt in Zentral-Afrika. Ein neuer, urbaner Musikstil macht dort von sich reden – voller Charme, rhythmisch scheinbar schwerelos und vor allem tanzbar: die Kongolesische Rumba. Sie wird zum Modell einer panafrikanischen Populärmusik und hat durch ihre Fortentwicklung zum Soukous längst auch außerhalb Afrikas ihre Fans. Der in Paris lebende kongolesische Pianist Ray Lema (75) ehrt auf seinem neuen Album eine Ikone des Genres: Franco Luambo. Franco, wie er meistens genannt wird, hob durch seine Kompositionen und sein ausgefeiltes Gitarrenspiel ab den späten 1950ern die kongolesische Rumba auf ein künstlerisches Niveau. Viele seiner Alben sind vergriffen. Umso schöner, Francos Erbe jetzt durch Ray Lemas Hommage neu erleben zu können. Mit einer erstklassigen neunköpfigen Band inklusiver Bläsersatz und den Gesangsparts in der vokalreichen Sprache Lingala. Ein Fest der fröhlichen Ausgelassenheit, das sich durch den Konzertmitschnitt vom Jazzkif Festival im Sommer 2019 in Kinshasa unmittelbar mitteilt.
Peter Rixen
CD, LP One Drop/Broken Silence