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Foto: Soeder/picture alliance/dpa

"Ein Fukushima der Massentierhaltung." So nennt ein Landtagsabgeordneter in Mecklenburg-Vorpommern den Großbrand von Alt-Tellin, der Ende März eine der modernsten und größten Zuchtanlagen Europas zerstörte. Dadurch verendeten rund 57.000 Schweine, eine Katastrophe mit Ansage. Das unzureichende Brandschutzkonzept war wiederholt kritisiert worden. Bereits vor zwei Jahren starben hunderte Ferkel wegen einer Lüftungspanne. Seit über einem Jahrzehnt protestieren Anwohner und Umweltschützer gegen die überdimensionierte Anlage, deren holländischer Begründer letztes Jahr wegen Tierquälerei zu einer Strafe auf Bewährung verurteilt worden war. Inzwischen war sein Großunternehmen von einer Schweizer Investmentgesellschaft mit dem schönen Namen "Terra Grundwerte AG" aufgekauft worden. Doch allen Grundwerten zum Trotz werden die Tiere weiterhin in engen Betonkästen gefangen gehalten. Dass in dieser Branche die Schweinereien nicht an den Stalltoren enden, hat der Tönnies-Skandal gezeigt. Schlachthof-Beschäftigte werden fast so unwürdig und fahrlässig behandelt wie die von ihnen zu verarbeitenden Tiere.

Aber vergesst Umweltverschmutzung, Tierfolter, Ausbeutung und geschmacksfreie Produkte, es geht um die Wurst, nämlich um ein Millionengeschäft, das Investoren verstärkt anzieht. Obwohl die Deutschen immer weniger Schweinefleisch konsumieren, steigt die Produktion kontinuierlich an. Nicht um Frühstücksteller zu garnieren, sondern um Exportüberschüsse zu produzieren. Vor allem nach China, wo die Nachfrage kontinuierlich wächst. Warum das? Züchten die Chinesen selbst keine Schweine? Doch, und zwar in einer solch gigantischen Konzentration, dass sie auch enorm viele opfern müssen. Infolge der "afrikanischen" Schweinepest mussten letztes Jahr in China 200 Millionen Tiere vernichtet werden; das entspricht laut Magazin Agrar heute einem Viertel des weltweiten Schweinebestandes! Die Logik ist klar: Massenzüchtung verursacht Massenepidemien und folglich Verluste, die durch mehr Massenzüchtung kompensiert werden. Trotz des Fukushimas von Alt-Tellin ist also kein Ausstieg aus dem Schweinesystem in Sicht. Schon hat der Landwirtschaftsminister in Mecklenburg-Vorpommern den Bau einer "Modellanlage der Zukunft", den "Stall 4.0." angekündigt. Na dann guten Appetit.

Guillaume Paoli