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Plakat zur Tournee von MGMT, einer US-amerikanischen Indietronic-Band, die 2018 in der Berliner Columbiahalle auftratSpiegelsaal.net

Tiere, Tampons und Theater

Corona und alles geschlossen – im Museum für Kunst und Gewerbe hat das Unter-sich-Sein ohne Museumsbesucher*innen zu einem besonderen Projekt geführt. In der neuen Ausstellung Tiere, Tampons und Theater sind rund 100 Ausstellungsstücke zu sehen, die auf den ersten Blick scheinbar keinem Konzept folgen. Plakate und Drucke aus verschiedenen Zeiten wechseln sich miteinander ab, manchmal sind thematische Zusammenhänge erkennbar. Etwa wenn es um Frauenthemen geht. Wenn sich wie auf einer Grafik Tampons in verschiedenen bunten Hüllen oder mal in Form eines Teebeutels, als Schneekugel oder Maus tummeln, und dann in nächster Nähe ein Aufruf der Guerilla Girls ironisch aufzählt, was die Vorteile sind, eine Künstlerin zu sein. Am Ende der Aufzählung ist klar, es gibt keinen einzigen Vorteil. Dann aber steht man vor einem großen Plakat, auf dem die Silhouette einer Stadt im Smog in eine idyllische Waldlandschaft am See übergeht. Die Arbeit der Künstlerin Annik Troxler ist im vergangenen Jahr als Teil einer Serie entstanden, die den Titel "Coronavirus – Jetzt umdenken" trägt.

Umdenken, das hat sich auch Julia Meer, die neue Leiterin der Sammlung Grafik und Plakat am Museum für Kunst und Gewerbe, gedacht, als sie überlegte, wie sich unter Corona-Bedingungen eine Ausstellung konzipieren lasse. Entstanden ist daraus die Idee, sämtliche Mitarbeiter*innen des Museums, über 90 an der Zahl, zu Kurator*innen zu ernennen. Und deshalb hängt nun eine lebendige Mischung von Plakaten und Grafiken in den Ausstellungsräumen, die näher zu betrachten tatsächlich lohnt. Ikonisch geradezu ist das Plakat von Udo Lindenberg als deutscher Boxchampion von Roland Schmidt, dass 1977 für die Tournee mit dem Panikorchester Werbung machte. Die Pflanzenaquarelle von Johann Knapp, die er zwischen 1800 und 1833 schuf, lassen die Augen ausruhen neben eher textlastigen Grafiken.

Doch ums Lesen kommt man ohnehin bei keinem Exponat herum. Denn wer von den Museumsbeschäftigten und warum die Pflanzenbilder, den Fisch vom Spiegelsaal, Picassos Variation auf Manets Frühstück im Grünen und alle anderen Werke ausgewählt hat, das steht auf den Begleittäfelchen. Vom Künstler Joseph Beuys stammt das Zitat: Jeder Mensch ist ein Künstler. Hier heißt es jetzt: Jeder Mensch ist ein Kurator. Petra Welzel

MUSEUM FÜR KUNST UND GEWERBE HAMBURG, STEINTORPLATZ, DISO 10–18, DO 10–21 UHR, BIS 26. SEPTEMBER 2021

Der absolute Tanz

Was uns die Zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts alles bringen werden, ist ungewiss. Begonnen mit einer Pandemie, könnten sie der Aufbruch in eine neue Zeit sein.

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Die Zwanziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts standen nach dem 1. Weltkrieg für einen solchen Neuanfang, vor allem auch für viele Frauen, die in der Weimarer Republik das Wahlrecht erhielten. Es war ein Emanzipationsschub. Insbesondere Tänzerinnen experimentierten, nahmen sich Bewegungen, Worte und Provokationen heraus, die mit allen Konventionen ihrer Zeit brachen. Anita Berber und Valeska Gert sind zwei von insgesamt elf Berliner Tänzerinnen dieser Zeit, die in der Ausstellung "Der absolute Tanz" im Georg Kolbe Museum in Berlin wieder eine Bühne bekommen haben. Aufzeichnungen ihrer Auftritte zeichnen mit Skizzen, Fotografien, Skulpturen und anderen Dokumenten elf Lebensläufe nach, die von einem ganz neuen Körpergefühl und Selbstbewusstsein zeugen. Elf Vorbilder, auch noch heute. Petra Welzel

GEORG KOLBE MUSEUM, BERLIN, SENSBURGER ALLEE 25, TÄGL. 10–18 UHR, BIS 29. AUGUST 2021

Das Schneemann-Projekt

Wer dieser Tage im Rheinland-Pfälzischen auf dem Radwanderweg durchs Zellertal an der Kleinmühle vorbeikommt, wird erstaunt in die Bremsen treten.

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Steht dort doch ein riesengroßer Schneemann. Mitten im Sommer. Seine Arme halten im Schwung inne, als wollte er einfach drauflos durch die sanft hügelige und grüne Landschaft ziehen, die Karottennase keck in die Luft gestreckt. Aber mit 140 Kilo ist der Schneemann viel zu schwer. Er steht dort als eine Art modernes Mahnmal, geschaffen von der Künstlerin Root Leeb aus 100 Prozent Recyclingpapier. Seit Jahren schon beschäftigt Leeb der Klimawandel. Irgendwann wurde ihr klar, dass es Kinder gibt, die in ihrem Leben noch nie einen Schneemann gesehen, geschweige denn gebaut haben, weil im Winter einfach kein oder nicht mehr genug Schnee fällt. Leebs überlebensgroßer Schneemann soll deshalb zum Denken anregen, über die Sommer, die immer heißer, und die Winter, die immer milder werden. Während das Klima zu kippen droht, hält ihr Schneemann Wind und Wetter stand und ist einen Abstecher wert, nicht nur für Familien, deren Kinder den Schneemann noch nicht kennen. Petra Welzel

"KLEINMÜHLE", DIREKT AM RADWEG ZWISCHEN ALBISHEIM UND HARXHEIM, GEMARKUNG IMMESHEIM, RHEINLAND PFALZ, DEN GANZEN SOMMER LANG