In Deutschland werden bis zum Jahr 2035 in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen etwa 270.000 Mitarbeiter*innen fehlen. Gleichzeitig werden die Menschen immer älter und die Betagten auf Unterstützung angewiesen sein. Zahlreiche Betriebe engagieren daher Personal aus dem Ausland, was Veränderungen innerhalb der Betriebe nach sich zieht.

STK_Frühling_Hosseini_Koch.jpg
Mohammad Seyed Hosseini arbeitet seit drei Jahren im Alten- und Pflegezentrum des Main-Kinzig-Kreises (apz)Foto: APZ

"Die neue Vielfalt in den Belegschaften fordert neue Ansätze in Personalmanagement und -entwicklung", sagt Ute Galonski. Sie ist Leiterin des Projekts WELCOME zur Integration der angeworbenen Fachkräfte des ver.di-Bildungsinstituts im Gesundheitswesen (BiG). Das BiG und die Beratungsstelle für Geflüchtete "Der Laden" der IG Metall führen das Projekt gemeinsam durch. Im Raum Frankfurt und im Raum Duisburg/Essen entwickeln sie mit Unternehmen des Krankenhaus- und Pflegesektors und der Metall- und Elektrobranche Strategien, um das Bewusstsein für Vielfalt unter den Beschäftigten zu fördern.

Das Interesse an WELCOME ist groß. "Es erreichen uns immer mehr Anfragen", sagt Galonski. "Zahlreiche Betriebe müssen jetzt mit neuen Strukturen zurechtkommen." Das Angebot des Projekts richtet sich vor allem an Unternehmens- leitungen, Führungskräfte, Mitarbeitende aus Personalabteilung und Personalentwicklung sowie Betriebsräte. Gemeinsam sollen betriebliche Strukturen entwickelt und aufgebaut werden, die für die Integration Geflüchteter, ausländischer Fachkräfte und Beschäftigter unterschiedlicher Herkunft notwendig sind.

Betrieblicher Alltag unter der Lupe

"WELCOME setzt da an, wo andere Projekte oftmals aufhören", erklärt Ute Galonski. Hauptsächlich seien die meisten Projekte darauf ausgelegt, Menschen aus dem Ausland in Arbeitsplätze nach Deutschland zu vermitteln. Den Arbeitgebenden gehe es dabei meist um den Ausgleich von Fachkräftemangel, um das Schließen einer Lücke. "Ist das geschehen, kommt WELCOME ins Spiel, denn das Projekt begutachtet den jeweiligen betrieblichen Alltag."

"WELCOME setzt da an, wo andere Projekte oftmals aufhören."
Ute Galonski Leiterin des Projekts WELCOME des BiG

Mit WELCOME durchläuft ein Betrieb vier Phasen: Bestandsaufnahme, Konzeptentwicklung, Qualifizierung und Vernetzung. Zunächst werden die Problemfelder in einem Betrieb untersucht – gemeinsam mit Personalverantwortlichen, Betriebsräten, einzelnen Teams und Beschäftigtengruppen. Dann wird ein Plan zur Behebung der kritischen Punkte – wie etwa Sprachbarrieren oder diskriminierendes Verhalten – entwickelt.

"In Pflegeeinrichtungen sind die am häufigsten vorkommenden Probleme Sprachschwierigkeiten, aber auch Schwierigkeiten im beruflichen Rollenverständnis", sagt Galonski. Die Pflege in Deutschland sei anders konzipiert als in den meisten anderen Ländern. Grundpflege wie das Waschen von Patient*innen oder das Essen reichen gehörten dort meist nicht zur Pflege. Das führe häufig zu Unmut bei den Fachkräften aus dem Ausland. Von deutscher Seite müssten sie sich dann oft Sprüche anhören, man sei sich wohl zu fein für diese Arbeit. "Doch die Neuankömmlinge sehen sich hier einer Tätigkeit gegenüber, für die sie sich in ihrer Berufswahl so nicht entschieden haben."

Hier sei die Kommunikation das wichtigste Element. "Das Miteinander in einem Betrieb kann nur funktionieren, wenn sich die Strukturen durch die Mitarbeitenden selbst ändern", sagt Galonski. Und so ist die dritte Phase, die Qualifizierung, mit ihren acht verschiedenen Modulen das Herzstück des Projekts.

Lernen müssen alle

"Das Projekt WELCOME soll Zeichen dafür setzen, dass der Integrationsprozess ein Prozess ist, der von beiden Seiten angegangen werden muss", betont Ute Galonski. Unternehmen müssten lernen, zu erkennen, wie die einzelne Person strukturiert ist, was sie mitbringt und wie man sie integrativ im Betrieb einsetzen kann.

Die letzte Phase des Schulungsangebots geht über den festgelegten Zeitraum des Projekts hinaus. In ihr sollen sich die beteiligten Betriebe vernetzen, mit anderen Betrieben der eigenen Branche, mit Betrieben anderer Branchen, aber auch mit Arbeitsagenturen oder Kammern. BiG und "Der Laden" organisieren Treffen, bei denen sich die Betriebe über ihre Erfahrungen austauschen können: Was hat funktioniert, was nicht und was können wir dagegen tun?

Wie wichtig das Projekt WELCOME ist, zeigt auch eine Studie der Hans-Böckler-Stiftung. Analysiert wurden Arbeitsverhältnisse ausländischer Fachkräfte in deutschen Betrieben. Die Studie zeigt, dass der größte Teil der ausländischen Fachkräfte nach kurzer Zeit sein Arbeitsverhältnis wieder kündigt und in die Heimat zurückkehrt, weil die betriebliche Integration nicht funktioniert hat.