niemand_ist_bei_de_kaelbern.jpg
Foto: Verleih

Niemand ist bei den Kälbern

In einem Kaff in Mecklenburg-Vorpommern läuft das Leben so träge wie Windräder. Christin ist es leid, tagein tagaus Kühe zu melken, auf dem Feld zu ackern und sich um ihren versoffenen Vater zu kümmern. Wie ein Fremdkörper wirkt sie in engen Hosen und tief dekolletierten Tops auf dem Bauernhof, als könnte sie sich mit ihrem sexy Outfit von dem öden Alltag an der Seite ihres wortkargen Freundes abgrenzen. Ohne eine Ausbildung stehen die Aussichten für bessere Zeiten allerdings schlecht.

Allein ein Windkrafttechniker, der eines Tages vor der lebenshungrigen Frau steht und sie fragt, warum sie nichts ändert, wenn sie so unglücklich ist, verspricht etwas Abwechslung. Desillusioniert verführt die Mittzwanzigerin den fast doppelt so alten, verheirateten Familienvater. Eine Lösung bietet die stürmische Affäre, die Regisseurin Sabrina Sarabi in ihrem viel beachteten Erstling ohne Scheu vor Tabus schildert, freilich nicht. Getragen wird das präzise Porträt einer hoffnungslosen jungen Generation von der elektrisierenden Saskia Rosendahl, die ihre Figur in all ihren Ambivalenzen, teils auch mit unsympathischen Zügen, komplex auslotet.

Kirsten Liese

D 2021. R: S. Sarabi. D: S. Rosendahl, R. Okon, G. Giese. 116 Min. Start: 20.1.2022

adam.jpg
Foto: Verleih

Adam

Noch immer bedeutet ein uneheliches Kind für Frauen in vielen Ländern das soziale und materielle Aus. Samia schleppt sich hochschwanger und auf der Suche nach Arbeit und Obdach von Tür zu Tür durch die Gassen Casablancas. Frauen öffnen ihr zwar, lehnen die Hilfe der jungen Frau jedoch ab, genervt und gefangen in ihrer eigenen Welt, in der ihnen "nichts wirklich selbst gehört", wie Samia in einem der spärlichen Dialoge feststellen wird. Da spricht sie mit Alba, einer verschlossenen und tief betrübten Alleinerziehenden, die dem emotionalen Druck ihrer Augen schließlich nachgibt und Samia widerwillig für die Nacht bei sich und ihrer achtjährigen Tochter aufnimmt. Mit der Handkamera folgt der Film den Bewegungen und den wunderbaren Gesichtern der beiden Hauptdarstellerinnen und zeichnet das stumme Tauziehen ihrer Gefühle nach. Denn Samia backt gut, bringt so den Fensterverkauf von Alba wieder in Schwung und lehrt die Verbitterte einen weniger brutalen Umgang mit sich und auch ihrem Teig. Auch Alba wird Samia in ihrer Lage schließlich helfen. Aufwühlende Szenen fesseln hier über die Annäherung einer Mutter an das ihr eigentlich verbotene Kind. Ein hinreißender Film über Frauenfreundschaft und -solidarität in einer Gesellschaft, die beidem denkbar wenig Raum lässt. Jenny Mansch

Mar/F 2019. R: Maryam Touzani u. Nabil Ayouch. D: Lubna Azabal, Nisrin Erradi, Douae Belkhaouda, L. 89 Min. start 9.12.21