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Masoud Sadedin

Maler

Was meine Kunst an sich betrifft, hat sich nicht viel geändert. Wir Maler sind immer im Atelier.

Im Vorjahr habe ich aber noch regelmäßig ausgestellt und Bilder verkauft, diese Einnahmen fallen jetzt natürlich komplett weg. Durch meine Unterrichtstätigkeit und mit Hilfe meiner Frau komme ich glücklicherweise bisher einigermaßen durch, aber wäre ich ein komplett freischaffender Künstler, wäre das eine unmögliche Situation für mich.

Was mir fehlt, ist der Austausch mit anderen Künstlern und Kunstinteressierten, die Treffen und Vernissagen. Teilweise hat sich dies nun ins Digitale, vor allem in die sozialen Medien verlagert. Außerdem haben wir hier im Künstlerhaus Troisdorf eine virtuelle Ausstellung und eine Plakataktion im öffentlichen Raum organisiert. Das ist natürlich eine Reaktion auf Corona, und ich denke, ein Teil dieser Digitalisierung wird auch nach Corona bleiben, und gerade für jüngere Künstler sehe ich da auch Chancen. Allerdings kann das Digitale niemals die räumliche, analoge Erfahrung von Kunst wie in einer Ausstellung ersetzen.

"Ich sehe in der Krise eher die Chance auf Besinnung"

Persönlich habe ich eher gelassen auf die Krise reagiert. Ich stamme aus dem Iran und habe dort zu Beginn der achtziger Jahre den Iran/Irak-Krieg als Soldat miterlebt, in dem ich mehrmals vor sehr schwierigen, fast ausweglosen Situationen stand. Das hat mich demütig gegenüber dem Leben gemacht und ich sehe Corona für mich selbst nicht als schwere Situation. Ich nehme das Leben an, wie es kommt.

In der Tat sehe ich in der Krise eher die Chance auf Besinnung. Man kann der Hektik entkommen, sich neu fokussieren, mehr zu sich selbst kommen, eine neue Langsamkeit entdecken.

In meinen Werken beschäftige ich mich schon längere Zeit mit der Verwunderung über das Dasein, der Absurdität und Banalität des Lebens, und interessanterweise knüpft diese entschleunigte Zeit da sehr gut an.

Die Pandemie ist ein gravierender Eingriff in unser Leben und sie macht uns unsere eigene Vergänglichkeit deutlich, daher hoffe ich, dass dies einen gesellschaftlichen Wandel anstößt. Ich hoffe, dass die Menschen sich mehr auf das Wesentliche konzentrieren, weg von Gier, Leistungs- und Ellenbogengesellschaft. Ich wünsche mir, dass mehr Aufmerksamkeit auf die Kunst gelegt wird, denn für mich ist die Kunst die Basis des Lebens. Die Kultur ist statisch und das kann gefährlich sein, denn jeder beharrt auf seiner eigenen Wahrheit. Kunst aber kann Barrieren überwinden, man muss sie immer wieder neu erfahren und gestalten und sie kann wichtige Impulse in andere Lebensbereiche setzen. Ich hoffe, dass Corona den Menschen diese wichtige Funktion von Kunst stärker verdeutlicht und zu mehr Verbindung, Gemeinschaft, Liebe führt.

Clara Solzano

Balletttänzerin und Besitzerin einer Tanzschule

"Mir fehlt die Bühne. Ich bin Künstlerin, ich wollte nie etwas anderes sein"

Am Anfang war ich geschockt, plötzlich komplett ohne Arbeit dazustehen. Ich hatte gerade mein Engagement am Ballett Dortmund beendet und mit meinem Mann eine neue Ballettschule in Dortmund eröffnet. Vorher gab es für mich nur "Ballett, Ballett, Ballett", dann brachte Corona bei mir alles von jetzt auf gleich zum Stillstand. Ich hatte Angst um meine Zukunft. Ich wusste nicht was ich tun sollte. Ich dachte: "Mein Leben ist tot."

Doch dann wurde mir klar, dass ich die Initiative ergreifen musste, mich mehr zeigen musste. Ich habe begonnen, als Model und Schauspielerin zu arbeiten, habe mehr Energie in meine Präsentation auf Social-MediaKanälen investiert, meine Deutschkenntnisse verbessert. Ich habe auch ein durch die Stadt Dortmund unterstütztes Anti-Rassismus-Filmprojekt initiiert, in dem ich tanze und mit anderen Tänzern und Choreographen zusammenarbeite. Glücklicherweise bekam ich dann nach einiger Zeit ein Engagement als Tänzerin am Schauspiel Köln angeboten, was ich aber aufgrund der geltenden Beschränkungen bisher noch nicht antreten konnte.

Ich denke, ich bin an der Krise gewachsen, sie hat mich vielfältiger gemacht. Vorher war immer nur das Ballett mein "Chef", jetzt musste ich meine eigene Chefin sein. Ich musste mehr zu mir selbst kommen, meinen eigenen Weg gehen.

Natürlich brauche ich Geld zum Leben, aber noch viel mehr brauche ich den Tanz zum Leben. Deshalb fehlt mir die Bühne, ich bin Künstlerin und ich wollte nie etwas anderes sein. Wir Tänzer leben für die Bühne, wir arbeiten mit unserem Körper, und all das kann ich natürlich im Moment nicht tun.

Linda Fisahn

Performance-Künstlerin

"Am Anfang fühlte ich mich komplett leer"

Ich bin Künstlerin und Teil des inklusiven Theaterkollektivs "I can be your Translator" aus Dortmund und Hamburg, in dem wir uns mit vielen gesellschaftlichen Themen befassen, unter anderem auch mit dem Thema Euthanasie. Darüber hinaus arbeite ich auch in einigen Musikprojekten wie Piano Plus oder dem Tanzorchester Paschulke als Musikerin und Performerin mit. Mit diesen Projekten hatten wir über die letzten Jahre viele bundesweite Auftritte. Ich bin als Künstlerin auf verschiedenen Gebieten wie Tanz, Theater und Musik aktiv und versuche mich da stets weiterzuentwickeln. Als es durch Corona zu den Beschränkungen für den Kulturbereich kam, fühlte ich mich am Anfang komplett leer und einsam. Zwar wurde inzwischen viel der Probenarbeit ins Digitale verlagert, aber am meisten vermisse ich dabei meine Theatergruppe. Künstlerisch aktiv zu sein, ist für mich sehr wichtig, denn es gibt mir die Möglichkeit zu zeigen, was ich kann.

Linda Bockholt

Singer / Songwriterin, Multiinstrumentalistin

Vor der Pandemie habe ich an die 50 Auftritte im Jahr gemacht, zusätzlich habe ich unterrichtet und im Theater als Musikerin gearbeitet. Im Großen und Ganzen bin ich finanziell immer irgendwie klar gekommen. Wenn es mal knapper geworden wäre, hätte ich einfach Straßenmusik gemacht, aber das war nie notwendig. Durch die Corona-Beschränkungen sind meine Live-Einnahmen natürlich erstmal weggebrochen. Da mir die meisten Corona- Soforthilfen als Solo-Selbständige nicht weiterhalfen, da sie nicht auf den Lebensunterhalt abzielen, habe ich relativ schnell Grundsicherung (Hartz IV) beantragt. Das war für mich auch voll okay so, und ich fühlte mich da auch einigermaßen aufgefangen. Was mir sehr geholfen hat, war das Künstlerstipendium des Landes NRW und die Initiative "Fenster-Auf" in Bochum, die Künstlern wie mir bezahlte Auftrittsmöglichkeiten im öffentlichen Raum bietet.

Wie sich die Strukturen in der Kulturlandschaft nach Corona verändern werden, ist für mich allerdings mit einigen Fragezeichen versehen. Im Moment weiß ich nicht so recht, wie dann der Neuanfang aussieht und wer dann den Künstlern neue Chancen bietet.

"Ich hoffe auf einen kulturellen Orgasmus nach Corona"

Trotzdem hoffe ich für die Zeit nach Corona auf einen kulturellen "Orgasmus". Ich denke, die Menschen vermissen – ja lechzen geradezu – nach Kultur. Meine Erfahrungen im Fenster-Auf-Projekt haben mir das sehr deutlich gemacht. Es kam zu wirklich wunderschönen, herzzerreißenden Szenen, in denen sogar teilweise Tränen flossen, weil die Zuschauer so gerührt waren, endlich wieder Live-Musik hören zu können. Das wiederum hat mir auch bestätigt, dass ich dort etwas Gutes und Sinnvolles mache.

Robert Griess

Kabarettist

Vor Corona war ich fast "zu viel" unterwegs, an die 130 Auftritte pro Jahr, ständig im Hotel, ständig im Transit, da war der erste Lockdown zwar auch irgendwo erholsam für mich, aber letztendlich war Corona ein absolute Vollbremsung meines Berufes.

Erstmal bedeutet das natürlich einen spürbaren wirtschaftlichen Einschnitt für mich. Aber während ich nun auf meine Altersvorsorge zurückgreifen muss, bekommt die Lufthansa – die weniger Rücklagen hatte als ich – plötzlich Milliarden vom Staat. Daimler und VW schütten trotz Kurzarbeit großzügige Dividende aus. Warum? Da kann irgendwas nicht stimmen!

Leider läuft es in Deutschland während der Pandemie oft so, dass die Verteilung von Hilfen nach dem Prinzip "wer hat den größten Lautsprecher" verläuft. Generell wird hier oft mit zweierlei Maß gemessen: Wieso müssen Theater und Kultureinrichtungen trotz nachgewiesenermaßen eher geringer Infektionsrisiken sofort schließen, die Fleischfabrik bleibt aber offen und die U-Bahnen fahren weiterhin? Ist das Virus etwa ansteckender im Theater als anderswo?

Für die Politik gibt es im Kulturbereich einfach den geringsten Widerstand, sie kann hier sehr einfach Handlungsfähigkeit demonstrieren. Das ist für mich voraufklärerisches Denken und das nervt.

Man ist in Deutschland lieber "Grille als Ameise", damit meine ich eine spürbare gesellschaftliche Geringschätzung: Kunst darf nur aus Armut und Leid entstehen, ein selbständiger Beruf, der mit Spaß ausgeübt wird, ist verdächtig. In der Pandemie begegnet man mitunter entsprechender Schadenfreude, so nach dem Motto: "Hättest Du dir halt einen "ordentlichen" (sprich angestellten) Beruf ausgesucht!". Das empfinde ich als regulärer Steuerzahler, der seinen Beitrag leistet, als unverschämt.

Langfristig befürchte ich bleibende Schäden in der Kulturlandschaft, viele kleine Theater, Clubs und Vereine könnten für immer verschwinden. Und es sieht nicht so aus, als wäre die Eröffnung eines Theaters in Zukunft eine "hippe" neue Start-Up Idee.

"Ich habe politischen Aktivismus quasi aus Notwehr betrieben"

Viel schlimmer ist aber, dass ich durch Corona mein Medium als Künstler verloren habe. Als politischer Kabarettist kommt es mir wie eine Zensur vor, ein "kafkaeskes Berufsverbot", das niemand verhängt hat. Das gibt einem ein Gefühl von Ohnmacht und Demut.

Um dieser Ohnmacht zu entkommen, habe ich gegen die Depression "angeschrieben" und ein komplett neues Kabarettprogramm geschrieben, aber auch politischen Aktivismus, quasi aus "Notwehr", betrieben. Dazu habe ich unter anderem die Aktion "#KulturAmArsch" und das "Haareschneiden für die Kultur" initiiert. Alles aus dem Gefühl heraus, von der Politik im Stich gelassen und übersehen zu werden. Es geht hier aber auch um Selbstermächtigung und um ein werben für mehr Empathie und Solidarität. Die meisten Kulturschaffenden sind immer noch eher Einzelkämpfer, Corona kann da eine Chance sein, sich untereinander zu solidarisieren und zu organisieren.

Patrick Salmen

Autor, Humorist und Satiriker

Für mich als Künstler sind die Live-Auftritte, die Verbindung mit dem Publikum unglaublich wichtig. Ich liebe meinen Job total, es ist immer wieder unbeschreiblich, was für ein vereinendes positives Gefühl Humor sein kann. Das nun seit fast einem Jahr das Publikum einfach nicht mehr "stattfindet", ist geradezu grausam für mich.

Normalerweise bin ich die meiste Zeit des Jahres auf Tour, mache an die 100 Lesungen pro Jahr und genieße diese intensive Zeit sehr. Glücklicherweise hatte ich bisher wirtschaftlich weniger Probleme, kurz vor Beginn der Pandemie konnte ich noch eine umfangreiche Tour abschließen.

Viel schwerwiegender ist das kreative Loch, in das mich Corona gestürzt hat. Als Autor brauche ich das Feedback von anderen Menschen. Corona hat alles gleichförmig gemacht, soziale Kontakte sind reduziert, das Nichtstun ist normal geworden. Humor ist für mich aber die Verarbeitung von Erlebtem, im Moment erlebe ich aber schlicht nichts, über das sich für mich zu schreiben lohnt.

Dementsprechend fällt mir die Textproduktion gerade extrem schwer. Die plötzliche Entschleunigung in den ersten Monaten war erholsam, aber der Stillstand – die Perspektivlosigkeit – nagt an mir.

"Ich weiß nicht, ob Kultur systemrelevant ist, aber sie ist glücksrelevant"

Leider habe ich den Eindruck, dass der Kulturbereich in dieser Krise größtenteils übersehen wird. Ich kann die ergriffenen Maßnahmen absolut nachvollziehen, aber die Kulturbranche braucht eine Perspektive. Ich empfinde da eine ziemliche Gleichgültigkeit gegenüber den Kulturschaffenden. Wütend macht mich die Ungleichbehandlung. Die Kulturbranche wird so behandelt, als würde sie wirtschaftlich nichts beitragen, was einfach nicht stimmt. Ich habe den Eindruck, dass hier die herstellenden Wirtschaftsbereiche auf Kosten der Kulturbranche am Laufen gehalten werden.

Kultur hat aber einen unglaublich positiven Einfluss auf alle Lebensbereiche, Kultur bedeutet Verbindung, Identifikation. Ich weiß nicht, ob Kultur systemrelevant ist, aber sie ist auf jeden Fall "glücksrelevant".

Nach Corona hoffe ich auf einen Boom der Live-Kultur. Ich habe mich als Künstler noch nie so einsam gefühlt wie jetzt. Ich spüre eine große Sehnsucht nach Gemeinschaft und ich wünsche mir, dass Corona da alle etwas mehr zusammenbringt.