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Wendla Savić und Sylvia Rendsburg geben mit ihrem Modelkompass Orientierung fürs Modeln, für faire Arbeitsbedingungen in der FashionweltFoto: Miloš Sadić

Auch in diesem Jahr laufen diverse Teilnehmerinnen von "Germany's Next Topmodel" öffentlich ihrer Bewertung durch Juroren und nicht selten ihrer Demütigung entgegen. Da haben die langen Beine, die auf der Webseite der Initiative "Modelkompass" auf uns zukommen, ein ganz anderes Ziel: Hier wollen die Gründerinnen Sylvia Rendsburg (33) und Wendla Savić (35) Orientierung für Kolleg*innen bieten, die im beruflichen Alltag mit ganz bodenständigen Problemen konfrontiert sind. Brauche ich eine Gewerbeanmeldung? Wie läuft das mit der Steuer? Was ist eigentlich eine Kleinunternehmerregelung? Wie kann ich mich krankenversichern? Wie kann ich mich sozial absichern? Auf diese und ähnliche Fragen gibt der "Modelkompass" Antworten. Außerdem hilft er bei der Vernetzung und unterstützt die Frauen, sich in der Branche zurechtzufinden, ohne von Unternehmen und Modehäusern über den Tisch gezogen zu werden.

Die beiden Frauen sind selbst professionelle Models und wollen die Branche verändern. Statt der Klischees über eine glamouröse Fashionwelt zeigen sie Wege hin zu fairen Arbeitsbedingungen auf und hinter dem Laufsteg; hin zu guten Honoraren und klar definierten Rechten für die, die vor Kameras posieren, für Werbespots gebucht sind oder Shows laufen. Und dafür stärken sie sich seit neuestem mit ver.di den Rücken; Models bilden in der Gewerkschaft jetzt eine eigene Gruppe.

Gut im Geschäft

Wendla und Sylvia sind selbst gut im Geschäft und seit über 15 Jahren in der Werbung, in Fotoshootings und Showrooms, aber auch als Darstellerinnen in Imagefilmen sowohl national als auch international erfolgreich. Wendla stand schon für Haute Couture vor der Kamera, aber auch als Marienkäfer, als Kaktus oder Cleopatra für einen Faschingskatalog. Sylvia war für bekannte Automobilhersteller und große Modekataloge tätig, wird aber auch gern von Dirndlherstellern gebucht oder als mondäne Braut abgelichtet. Dass man aber durch Kompetenz, Netzwerken und gemeinsamem Handeln weiter kommt als mit einsamer Selbstvermarktung, wissen die beiden Frauen aus eigener, auch beruflicher Erfahrung.

Wendla ist nämlich auch praktizierende Anwältin für Vertragsrecht sowie Urheber- und Medienrecht. Ihre Mandant*innen sind soloselbstständige Models, Fotografinnen oder Influencer, aber auch Agenturen. Sie hat Models bei außergerichtlichen Einigungen im Zusammenhang mit Bild- und Persönlichkeitsrechtsverletzungen erfolgreich gegenüber Großkonzernen vertreten. "In diesem Bereich wird oft unrechtmäßig agiert. Deshalb sind die Themen Nutzungsrechte und Buyouts ein Schwerpunkt beim Modelkompass", sagt sie.

"Vielen Models fehlen betriebswirtschaftliche Kenntnisse – die sind erst einmal keine Voraussetzungen für diesen Beruf, aber dringend notwendig, wenn man langfristig erfolgreich sein will" Sylvia Rendsburg, Modelkompass

Sylvia hat Betriebswirtschaft studiert und ist neben ihrer Tätigkeit als Model wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin am Dienstleistungs- und Innovationslehrstuhl der Universität Stuttgart. Sie schaut aus dieser Perspektive auf die Modelbranche: "Vielen Models fehlen betriebswirtschaftliche Kenntnisse – die sind erst einmal keine Voraussetzungen für diesen Beruf, aber dringend notwendig, wenn man langfristig erfolgreich sein will", weiß Sylvia. Beim Modelkompass betreut sie vorwiegend die Bereiche Business Development sowie Finanzen und Organisation.

Kennengelernt haben sich die beiden 2017 eher zufällig. Sie waren für denselben Termin gebucht und in einer Fahrgemeinschaft zu einer Fashionshow unterwegs. "Auf der Fahrt unterhielten wir uns nicht nur über die Highlights unseres Berufs wie etwa ein Shooting im Gletscher. Wir haben auch über die täglichen Fallstricke gesprochen, die Höhen und Tiefen und all die Unwägbarkeiten unseres Jobs. Und darüber, was wir außer dem Modeln an Ausbildungen absolviert und welche Kompetenzen wir haben", erzählt Wendla. "Am Ende der Fahrt waren wir uns einig. Man müsste mal… – nein: Wir wollen was ändern!", ergänzt Sylvia. Danach konkretisierten sie weiter, worauf es ihnen ankommt und schmiedeten daraus schließlich ihr Konzept für eine Informations- und Vernetzungsplattform für professionell tätige Models. Seit Oktober 2020 ist ihr Beratungsportal "Modelkompass" online.

Sozial schlecht abgesichert

Der Modelkompass kam gut an, und schnell ergab sich neuer Handlungsbedarf: "Wir haben den Kontakt zu einer großen Organisation gesucht, die Erfahrungen mit Soloselbstständigen hat – da lag ver.di auf der Hand", sagt Sylvia. Ein erster Kontaktversuch scheiterte, weil zunächst unklar war, welcher Berufsgruppe Models angehören. "Aufgrund des Facettenreichtums unseres Berufs ist das bis heute nicht einheitlich geregelt", erfuhren die beiden und blieben dran. Beim zweiten Versuch landeten sie an der richtigen Stelle. Nach Gesprächen mit Lisa Basten, zuständig für die Kunstfachgruppen in ver.di, war schnell eine Lösung gefunden: Die Models sind nun als eigene Gruppe in der Fachgruppe Darstellende Kunst verortet. "Damit haben wir den Grundstein für die gewerkschaftliche Organisation von Models gelegt", freut sich Wenda, "und ich bin das erste von ver.di vertretene Model Deutschlands."

Angehen können sie jetzt auch das drängende Problem der schlechten sozialen Absicherung von soloselbstständigen Profimodels. Während ver.di den künstlerischen Anteil ihrer Tätigkeit durch die Eingruppierung betont, gelten sie versicherungsrechtlich als "Dienstleister*innen ohne kreativen Anspruch" – mit weitreichenden Konsequenzen: Anders als Schauspieler*innen und andere Kreative werden Models nicht in der Künstlersozialkasse (KSK) aufgenommen, die dann wie ein Arbeitgeber die Hälfte des Betrags der Sozialabgaben von Künstlern übernimmt. Dabei arbeiten Models in eigener Regie auch als Influencer*innen, sie produzieren ihre Videos für ihre Social-Media-Kanäle und agieren gemeinsam mit Schauspielern vor der Kamera. "Wir teilen die Einschätzung der Models, dass sie eigenständig kreativ tätig sind und werden sie bei der Klärung dieser Statusfragen unterstützen", sagt ver.di-Frau Basten.

Die ewige Selbstoptimierung

Geht es nach den Modelkompass-Initiatorinnen, könnten auch einige der Frauen aus der aktuellen GNTM-Staffel zu einer neuen Generation von Models gehören, die das Business transparent und kompetent mitgestalten und vom Gemeinsinn mehr profitieren als von der ewigen Selbstoptimierung. Wenn sie sich vernetzen, austauschen und sich gemeinsam für gute soloselbstständige Arbeit einsetzen.

Links

Im Herbst 2021 war Wendla Savić bei einer Veranstaltung im Haus der Selbstständigen in Leipzig zu Gast und präsentierte dort die Initiative Modelkompass.

Sylvia Rendsburgs Instagram-Account @sylvie.smiles