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Oliver Berg/dpa

Titel "Demokratie ist kein Selbstläufer", ver.di publik 3_2022

Wäre es in einer Demokratie nicht schön, wenn das Volk in einer Volksabstimmung über das "Sondervermögen" von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr entscheiden könnte? Über die 100 Milliarden freuen sich nur die Aktionäre der Rüstungsindustrie. Die Aktien halten in der Regel die reichsten zehn Prozent. Das Ganze stellt also nur eine gigantische Umverteilung von unten nach oben dar. Es wäre eigentlich auch an Euch, die Mitglieder über solche Zusammenhänge aufzuklären. Es tut mir leid, Euch das sagen zu müssen, aber Ihr seid Teil des Problems. Angesichts der kommenden wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Sanktionen gegen Russland wäre eine kritisch hinterfragende, populistische gesellschaftliche und politische Linke mehr denn je gefragt. Ich bitte Euch daher inständig: Werdet wieder kritischer der Obrigkeit, den Parteien und den sogenannten Mainstreammedien gegenüber. Klassenkampfrhetorik ist nicht verboten, sondern erwünscht. Kommt in dieser Hinsicht nichts von links, braucht man sich über das eventuelle Erstarken rechter Parteien oder solche Ergebnisse wie der im Artikel genannten Umfrage nicht zu wundern.

Michael Gerke, Hannover

Es bleiben keineswegs nur rechte und ignorante Menschen der Wahl fern, sondern es gibt gibt gute Gründe, sich ohnmächtig zu fühlen. Einerseits weil der Einfluss von Wirtschaftslobbyisten, Banken und Konzernen tatsächlich enorm ist und unsere Demokratie aushöhlt. Alle Parteien (außer der LINKEN) nehmen Spenden von großen Unter-nehmen. Andererseits weil Menschen mit einfacherem Bildungsgrad wenig in der Politik vertreten sind. Eine Erweiterung und Vertiefung der Demokratie könnten Bürger*innen-Räte sein, bei denen Men-schen aus allen gesellschaftlichen Bereichen miteinbezogen werden. Bürger*innen-Räte ermöglichen direkte Gestaltungsmöglichkeiten. Beraten von Experten, statt von Lobbyisten, können komplexe Fragen bearbeitet werden. Gerade bei dem Menschheitsthema Klimakrise ist die Politik offenbar nicht in der Lage, konsequent zu handeln. Die neue Bundesregierung hat Bürger*innen-Räte in ihrem Programm. Es ist zu hoffen, dass sie bald realisiert werden und dass die Ergebnisse dieser Räte dann auch umgesetzt werden. Nur dann werden sie wirklich der Demokratie dienen. Damit sowohl die Klima- als auch die Demokratie-Krise wirklich angegangen werden, braucht es weiter Druck von unten.

Klimaaktivisten und Gewerkschaften können sich dabei unterstützen.

Katja Schreiner, per E-Mail

Der Artikel benötigt in zwei Richtungen eine Ergänzung. Auf der allgemeinen Ebene muss zumindest eine Bestandsaufnahme der Probleme unserer Demokratie genannt werden, zum Beispiel gesellschaftliche Teilhabe, Lohn- und Verteilungsgerechtigkeit, Chancengleichheit. Auf der konkreten Ebene müssen die Problemthemen der allgemeinen Ebene argumentativ ausgearbeitet werden. Um Stammtischsprüchen zu kontern, braucht man/frau Schlagworte, um einen kritischen Dialog zu führen. Dann würde klar, dass die Forderung nach direkter Demokratie bei Demokratieverächtern eher dem Wunsch nach mehr Chaos und besseren Manipulationsmöglichkeiten geschuldet ist. Die geforderte Wiederaufnahme des kritischen Dialogs erfordert in erster Linie das sorgfältige Verständnis demokratischer Probleme. Um im kritischen Dialog erfolgreich sein zu können, muss die Diskussion zeigen, dass und warum antidemokratische Tendenzen die Probleme nicht nur nicht lösen, sondern meist auch nicht lösen wollen und können. Der Artikel über das Gesundheits(un)wesen auf der Seite 9 macht das deutlich besser.

Dr. Josef Göbel, per E-Mail

Ich bin seit Jahren aktiv bei ver.di. Ich mache mit Leidenschaft und mit Inhalt Gewerkschaftsarbeit in einer Dienststelle, zusammen mit vielen Kolleg*innen. Auch beim Thema Corona müssen und mussten wir manchmal ringen oder auch einmal unterschiedliche Meinungen stehen lassen, denn Demokratie bedeutet Vielfalt. Das auszuhalten ist nicht immer einfach, aber nötig. Die Autorin schreibt richtig: Demokratie ist kein Selbstläufer. Dem möchte ich vorbehaltlos zustimmen. Sie führt weiter aus, dass permanente Anstrengung zum Erhalt der Demokratie notwendig ist. Diese Anstrengung vermisse ich im weiteren Fortgang des Artikels. Denn zur Anstrengung gehört auch, sich die Mühe der Differenzierung zu machen. Der Artikel nennt zu Recht die Versuche von rechter Seite, die Demokratie durch eine völkisch organisierte Gesellschaft ersetzen und dabei auf Themen wie Corona zu setzen, um Menschen zu fangen. Dies kann man präzise so benennen, ohne dabei unscharf gehaltene und ideologische Narrative wie die des "Leugners" zu bedienen. Denn je nachdem wie man zum Thema Coronamaßnahmen steht, wird die Meinung der anderen Seite ausgeblendet und deren Vertreter*innen negativ eingeordnet. Nicht nur der gesellschaftliche, auch der gewerkschaftliche Zusammenhalt hat unter den Corona-Maßnahmen in vielerlei Hinsicht gelitten. Ich bin zuversichtlich, dass wir das wieder hinkriegen und Spaltungen überwinden.

Ausgrenzung darf nicht Teil gewerkschaftlicher Arbeit sein.

Das gilt selbstverständlich für Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung und Weltanschauung. Es grenzt an Banalität, dass seit der Corona-Krise auch der Impfstatus und die Haltung zum Umgang mit Krankheiten dazu gezählt werden muss. Progressive und gewerkschaftliche Politik versagt, wenn sie das nicht benennt und sich stattdessen nur an den Folgen der resultierenden Frustration abarbeitet.

Klaus Barm, per E-Mail

Ja, ich zweifele die von uns gelebte Demokratie an. Sie wird an manchen Stellen zum Schein durchgeführt. Und das tue ich als diskutierendes Mitglied dieser Gesellschaft ohne den geringsten radikalen Gedanken oder eine radikale Handlung. Einfach nur meine Meinung. Mal sehen, ob mich die angeblichen Demokraten wegen dieser Meinung ausgrenzen.

Siegfried Tesche, per E-Mail

Zur Umfrage des Allensbacher Instituts hätte man vieles schreiben können. Auch weitere aktuelle Umfragen der Allensbacher sind interessant. Zum Beispiel "Ein Jahr Corona-Pandemie – Wie geht es Familien in der Krise?". Dort findet man Aussagen, die erklären, warum die Zweifel an den demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten gewachsen sind. Genannt werden neben Erschöpfungseffekten, die Dauer der Krise und ein nicht absehbares Ende. Ein großer Teil der Maßnahmen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie ist nicht demokratisch über Parlamentsbeschlüsse zustande gekommen, sondern bestand in Ausnahmeverfügungen, die eine längerfristige Lebensplanung oft unmöglich gemacht hat. Hier ist ein Versagen der Politik zu erkennen, die die Bürger zu wenig in die Entscheidungsprozesse einbezogen und nicht selten entmündigt hat. Diese Kritik fehlte. Mit der Aussage, es handle sich um rechtes Gedankengut und eine anwachsende Corona-Leugner-Szene macht man es sich zu leicht. Eine differenziertere Betrachtungsweise finde ich an dieser Stelle zwingend notwendig.

Andreas Salomon-Prym, per E-Mail

Gewerkschafter und Gewerkschafterinnen sollten nicht in die Falle tappen, eine Demokratie, die vor allem zugunsten der Wohlhabenden agiert, schönzureden, bloß weil sie von rechts angegriffen wird. Das Gegenteil wäre hilfreicher: Würden wir immer wieder benennen, wo die Demokratie aus unserer Sicht nicht oder nur unzureichend funktioniert, wäre das vermutlich eine recht wirksame Waffe gegen das Rechtsdrehen des politischen Überdrusses. Um ein Beispiel zu nennen: Wie soll der vor uns liegende ökologische Umbau der Wirtschaft demokratisch vonstatten gehen, wenn die, die dort arbeiten, kein politisches Streikrecht haben? Wo soll das politische Gegengewicht zu den Lobbys ihrer Bosse herkommen, ohne dieses urdemokratische, in der Bundesrepublik von Anbeginn verweigerte Recht? Oder, um dasselbe Beispiel auf die Vergangenheit auszudehnen: Glaubt jemand, es gäbe das amtliche Piesacken der Armen durch die Hartz-IV-Gesetze oder die Rentenraubreform, wenn die Gewerkschaften 2002 und 2005 dagegen hätten streiken dürfen? Die am eigenen Leib gemachte Erfahrung, dass die Wohlhabenden ihren Staat ohnehin in ihrem Sinn, nämlich ohne und vor allem gegen die Ärmeren verwalten, sitzt zu tief. Zusammengefasst: Dem parlamentarischen System in Deutschland fehlen wesentliche demokratische Elemente. Es ist nicht immer ein Hinweis auf mehr Zulauf zu den Rechten, wenn Leute diese Lücken beklagen.

Karl Kirsch, Markkleeberg

Entschuldigung, aber echte Gesprächsbereitschaft stelle ich mir anders vor. Da braucht es ein vorurteilsfreies Interesse daran, zu erfahren, was andere Menschen denken. Wenn aber von vornherein alles klar ist, wie im Artikel beschrieben, dann kann das nicht gelingen. Im Gegenteil, auf mich wirkt das arrogant und herablassend. Einen konstruktiven Beitrag zu Frieden und gesellschaftlichem Zusammenhalt kann ich darin nicht erkennen. Amrithini Burmester, per E-Mail

Thema "Bedingungen müssen stimmen", ver.di publik 3_2022

Leider ist in diesem Artikel die Bürgerversicherung nur nebenbei erwähnt. Ohne eine Bürgerversicherung werden sich die Bedingungen in der Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung nicht ändern. In jedem Artikel sollte dargestellt werden, wie unsolidarisch es ist, dass Selbständige, Freiberufliche, Beamte, Abgeordnete und Minister nicht mit all ihren Einkommen in die Sozialversicherung einzahlen. Warum zahlen wir heute nur Beiträge auf Löhne und Gehälter? Warum nicht auch auf Zinsen, Dividenden, Tantiemen und Mieteinnahmen, und zwar ohne Beitragsbemessungsgrenze? Johannes Nüttgens, Frankfurt/M.

Thema "Hoffen, dass niemand stirbt", ver.di publik 3_2022

Glückwunsch zu dem tollen Artikel. Über die Missstände im Gesundheitswesen kann nicht oft genug berichtet werden. Bitte macht doch eine Serie daraus. Es muss sich in unsere Köpfe einbrennen, dass gewaltig was schiefläuft. Mir ist ein Krankenhausmitarbeiter lieber, der Zeit zum Kaffeetrinken hat, als ein Mitarbeiter, der abgehetzt durch die Gegend läuft. Die Petition habe ich unterzeichnet. Einfach bei Change.org nach "Notaufnahme" suchen, schon findet Ihr die Petition.

Gabriel Wojcki, Frankfurt