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Die Liebe zum Unternehmen verkümmert derzeit bei den Primark-BeschäftigtenFoto: Carl Recine/Reuters/picture alliance

Niedersachsen – Die Digitalisierung ist nun auch im Handel überall voll angekommen. Die Corona-Pandemie mit ihren diversen Lockdowns hat sie zudem beschleunigt. Mehr moderne Technik in Lagern und Geschäften sowie immer mehr Online-Shopping ziehen aber auch erheblichen Personalabbau nach sich. Zum Beispiel bei der Textilkette Primark, die zum britischen Konzern Associates British Foods (ABF) gehört.

Derzeit gibt es bundesweit 32 Primark-Filialen, mit immer weniger Beschäftigten: Nach Informationen von ver.di soll es aktuell noch rund 4.000 Beschäftigte geben, vor Beginn der Pandemie waren es um die 6.200. Auch Schließungen ganzer Standorte sind geplant, so im hessischen Weiterstadt und in Berlin-Steglitz (ver.di publik 3_22). Vor allem aber versucht Primark, Personal über die Nichtbesetzung freier Stellen und über Aufhebungsverträge abzubauen. In der Braunschweiger Filiale wollte die Geschäftsleitung im Frühjahr auf diese Weise zwei Mitarbeiterinnen loswerden, die als "schwierig" gelten. Eine hat zwei kleine Kinder, die andere einen Schwerbehinderungsgrad von 20 Prozent. Anonym schilderten beide Frauen im NDR- Fernsehen, wie sie unter Druck gesetzt wurden, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, der keinerlei Abfindung vorsah. Beide widersetzten sich und schalteten ver.di sowie einen Anwalt ein.

Beschäftigt, aber freigestellt

"Die Kolleginnen sind Mitglieder bei uns, was bei der Geschäftsleitung auch nicht gut ankommt", sagt Eberhard Buschbom-Helmke, der im ver.di-Bezirk Süd-Ost-Niedersachsen für den Handel zuständige Gewerkschaftssekretär. "Sie sind zwar immer noch formal bei Primark Braunschweig beschäftigt, doch freigestellt." Als sie sich mit ihren Kolleg*innen kürzlich in der Filiale über die aktuelle Lage unterhalten haben, hätten sie einen "Aufpasser" aus der Leitung an die Seite gestellt bekommen, der jeden ihrer Schritte begleitet habe und bei jedem ihrer Gespräche dabei gewesen sei, berichtet Buschbom-Helmke. "Die perfide Idee, die dahinter steckt, heißt Isolierung missliebiger Beschäftigter."

Doch nicht nur per Aufhebungsverträge baut Primark in Braunschweig Personal ab: Waren hier nach der Eröffnung im Jahr 2015 rund 400 Männer und Frauen beschäftigt, sind es nun noch etwa 160. Vor allem über die Nichtbesetzung frei gewordener Stellen verringerte das mit Hauptsitz in Irland ansässige Unternehmen die Zahl der Mitarbeiter*innen. Außerdem verkleinerte Primark den Geschäftsbetrieb von zuvor fünf auf heute noch drei Etagen.

"Seit zwei Jahren wird massiv umstrukturiert", sagt Buschbom-Helmke. "Die Ware wird bereits im Lager so konfektioniert, dass die komplett bestückten Kleiderständer in die Filialen geschoben werden. Die Beschäftigten dort haben kaum noch etwas mit der Ware zu tun – geschweige denn mit der Beratung der Kundschaft." Und die Perspektive sei noch viel düsterer, meint der langjährige Gewerkschaftssekretär, denn schon heute werde im Handel teilweise kontaktlos bezahlt (bei Aldi in den Niederlanden) oder ausgewählte Ware von den Kund*innen selbst eingescannt (Ikea).

In Braunschweig zog der Versuch, die beiden vermeintlich schwierigen Kolleginnen per Aufhebungsvertrag loszuwerden jedenfalls eine Protestaktion nach sich: Am 22. Juni kamen Beschäftigte vor der Primark-Filiale für zwei Stunden zusammen, um auf die Gesetzeswidrigkeit dieses Vorgehens aufmerksam zu machen, denn Beschäftigte mit Schwerbehinderung dürfen ebenso wenig zum Unterzeichnen eines solchen Vertrages genötigt werden wie aus anderen Gründen als "missliebig" geltende Beschäftigte. "Primark versucht allerdings weiter, Personal zur Beendigung ihrer Arbeitsverhältnisse zu drängen", sagt Buschbom-Helmke.

Braunschweig ist kein Einzelfall

Das passiert nach Erkenntnissen von ver.di und Betriebsräten an vielen Standorten bundesweit. So berichtet Sebastian Triebel vom ver.di-Bezirk Hannover, dass 20 von rund 300 Beschäftigten der örtlichen Filiale nach den Betriebsratswahlen im Frühjahr dieses Jahres ein Aufhebungsvertrag angeboten worden sei, den auch einige unterschrieben hätten. Fast alle Betroffenen seien Gewerkschaftsmitglieder. Primark versuche, ver.di-Mitglieder aus dem Unternehmen zu drängen, erklärt Sebastian Triebel. Die Beschäftigten seien zunehmend eingeschüchtert, weil sie Angst hätten, als nächste*r zum Gespräch über die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses vorgeladen zu werden.

Auch die Betriebsratsvorsitzende bei Primark in Dortmund, Heike Eckert, bekommt verstärkt mit, dass das Unternehmen per Aufhebungsverträgen in den Belegschaften "aufräumt". "Das ist eine ganz miese Masche", sagt Eckert. Die Motivation der Kolleg*innen gehe auf diese Weise in den Keller, was sich auch an den hohen Krankenständen ablesen lasse.

Primark hatte nach der versuchten Entfernung der zwei missliebigen Beschäftigten in der Braunschweiger Filiale erklärt, es würden regelmäßig "Performance- und Feedback-Gespräche" mit den Mitarbeiter*innen geführt. Die zwei Frauen waren jedoch nicht zu entsprechenden Terminen eingeladen worden. Der Versuch, sie zur Unterschrift unter den Aufhebungsvertrag zu bewegen, kam für sie ohne Anlass.