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Hive

Fahrije reicht es jetzt. Die Männer ihres kosovarischen Dorfes haben ihr zu viele Steine in den Weg gelegt. Als wäre es einer davon, wirft sie einen echten durchs Fenster des Cafés und einen warnenden Blick auf die Alten, die dort nichts tun, außer sie schlechtzureden. Zuvor hatten die Machos ihr bescheidenes Ajvar-Startup zerstört. Eine Frau, die den Führerschein macht und ein kleines Unternehmen gründet? Nein! Mit der Paprika-Spezialität will sich die alleinstehende Mutter selbstständig machen; sie muss ihre seit einem Massaker traumatisierte Familie samt Schwiegervater ernähren. Die Bienen ihres vermissten Mannes sammeln einfach nicht mehr genug Honig. Fahrijes Beharrlichkeit lockt bald weitere Frauen des Dorfes an. Gemeinsam kochen und reden sie sich aus ihrem kollektiven Kummer und gründen eine Genossenschaft. Regisseurin Basholli erzählt die wahre Geschichte von Fahrije Hoti in fast dokumentarischen Szenen, die durch Blicke, Gesten und sparsame Dialoge Universelles offenbaren. Über Trauer und über die Selbstbefreiung einer Frau aus dem Kerker von Kriegstrauma und Patriarchat. Und über die Arbeit, die in der Herstellung ihres leckeren Ajvars steckt. Jenny Mansch

CH/ALB/MKD/KOS 2021. R: Blerta Basholli. D: Yllka Gashi, Çun Lajçi, Aurita Agushi u.a., L: 84 Min., KINOSTART: 8.9.22

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Europa Passage

Man kennt sie. Sie sitzen vor der Ladenpassage auf dem Bürgersteig, stehen vor dem Supermarkt, warten am U-Bahn-Eingang. In gebrochenem Deutsch sagen sie "Hallo" oder "Bitte", und wenn man ihnen ein wenig Geld in den Pappbecher wirft "Danke". In Europa Passage bekommen die Bettler aus unseren Fußgängerzonen einen Namen. Sie heißen Maria und Tirloi, Nina, Ion oder Gigi. Andrei Schwartz porträtiert in seinem Dokumentarfilm über mehrere Jahre hinweg das Leben rumänischer Sinti, die in ihrem Heimatdorf in den Südkarpaten aufgrund der post-sozialistischen Deindustrialisierung keine Arbeit mehr finden, und sich deshalb gezwungen sehen, auf den Straßen Hamburgs zu betteln. Der aus Rumänien stammende und in Hamburg lebende Filmemacher muss die Diskriminierung der Sinti gar nicht ausdrücklich thematisieren, er folgt ihnen einfach zum Nachtlager neben einer Bahnlinie, auf der die ganze Nacht lang Frachtzüge vorbeidonnern, beobachtet sie beim täglichen Kampf um ein wenig Würde, und hat sie nach Nămăeşti, in ihr Dorf begleitet, wo die einzige Arbeit das Binden von Reisigbesen ist. Der Film setzt ganz auf seine Bilder, die das Elend nicht poetisieren, aber auch nicht bloßstellen – und vor allem auf seine Protagonisten, die ihre verzweifelte Situation meistern und ihren Humor nicht verlieren. So ist Europa Passage eben kein Film über die Bettler auf unseren Straßen, sondern das bewegende Porträt von Menschen, die sich angesichts unmenschlicher Zustände ihre Menschlichkeit bewahren. Thomas Winkler

D 2022. R: Andrei Schwartz. L: 90 Min., Kinostart: 15.9.22