Ausgabe 07/2022
Facing Britain
Was für den neuen britischen Premierminister, der morgen schon wieder ein anderer sein kann, jetzt als Pflicht ansteht, ist für uns die letzte Gelegenheit: Facing Britain, sich Großbritannien und seinen Realitäten stellen, so heißt die Wanderausstellung mit Fotografien aus dem Vereinigten Königreich, die nur noch bis zum 27. November zu sehen ist. 100 Bilder von Fotografen wie Martin Parr, David Hurn, Ken Grant, Barry Lewis, Marketa Luskacov zeigen, was das Vereinigte Königreich seit seinem ersten Beitrittsgesuch zur Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft im Jahr 1963 bis zu seinem Austritt aus der EU bewegt hat. Stets haben die Fotograf*innen ihre Kamera auf soziale Ungleichheit gerichtet, auf die Verwüstungen der Zwei-Klassen-Gesellschaft und des Neo-liberalismus, die das Gesicht und die Gesichter Großbritanniens völlig veränderten – weg vom sozialen Korrektiv der Nachbarschaft hin zu einer Gesellschaft der Vereinzelung, der Privatisierung und des Wettbewerbs. Ascot trifft auf Belfast, der Falkland-Krieg auf intime Momente in britischen Wohnzimmern, hippe Banker auf verzweifelte Arbeiter. Oder sie zeigen ganz einfach Mr. und Mrs. Hudson vor ihrem Zeitungslädchen in Leeds, fotografiert von Peter Mitchell. Von dem steht nur noch die Hälfte und es bewirbt eine Zeitung, die einst ein Organ der Arbeiterklasse war und später im Portfolio des ultrarechten Zeitungsmogul Rupert Murdoch endete, bevor die Chefredakteurin wegen Abhörens von Promi-Mailboxen verurteilt und die Zeitung eingestampft wurde – ein Werdegang mit fast exemplarischem Charakter für das ganze Land.
FACING BRITAIN, BRITISCHE DOKUMENTARFOTOGRAFIE SEIT DEN 1960ER JAHREN. BIS 27. NOVEMBER 2022 IN DER GALERIE FÜR FOTOGRAFIE IN HANNOVER (GAF), SEILERSTRASSE 15D, DO–SO 12–18 UHR.
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog im Verlag der Buchhandlung Walther und Franz König. 220 Seiten, 75 farbige und 90 Schwarz-Weiß-Fotografien, ISBN 978-3-7533-0062-7. Museumspreis 25 €, im Buchhandel 34 €