An_Einem_Schoenen_Morgen.jpg

An einem schönen Morgen

Die leisen, kleinen Dramen des Lebens bescheren immer wieder das beste Kino aus Frankreich. In Hansen-Løves autobiografisch gefärbtem, berührenden Ensemblefilm muss sich Sandra, Mutter eines achtjährigen Mädchens, dem unumgänglichen Umzug ihres demenzkranken Vaters in ein Pflegeheim stellen. Die trostlosen Orte, in denen auf die Schnelle noch ein freier Platz zu haben ist, und die Finanzierung bereiten Sorgen genug. Ganz abgesehen von der schmerzreichen Auflösung der umfangreichen Bibliothek des Philosophieprofessors, in der sich seine Persönlichkeit ausdrückt. Die unverhofft ausbrechende Liebe mit einem alten Freund gibt der Protagonistin kurzfristig etwas Halt, schafft aber zusätzliche Kümmernisse: Der Mann ist verheiratet und hat selbst ein Kind. Als empathische Beobachterin enthält sich die Regisseurin eines moralischen Urteils über die heimliche Affäre und den unentschlossenen Fremdgeher. Dafür kommt am Ende ein Hoffnungsschimmer in die bei aller Melancholie auch leichtfüßige Erzählung, dass es das Leben mitunter auch gut mit einem meint. Kirsten Liese

F/D 2022. Regie: Mia Hansen-Løve. D: Léa Seydoux, Pascal Greggory, Melvil Poupaud. 112 Min. KinoStart: 8.12.

EnnioMorricone.jpg

Ennio Morricone – Der Maestro

Mehr als zweieinhalb Stunden dauert dieser Film, und das hat ja auch seine Berechtigung. Denn das Leben des legendären Komponisten war nicht nur 91 Jahre lang, sondern auch extrem arbeitsreich. Mit alten Filmausschnitten und neuen Interviews wird aber nicht nur das Leben des 2020 verstorbenen Filmmusikrevolutionärs geradezu versessen kleinteilig rekapituliert. Zusätzlich soll noch ein Stück Filmgeschichte erzählt und nicht zuletzt seine musikhistorische Bedeutung festgeklopft werden. Diese Bedeutsamkeit bezeugen neben ehemaligen Kolleg*innen auch Prominente wie Quincy Jones, Bruce Springsteen, Quentin Tarantino oder Metallica, während nebenbei gefühlt alle 400 Filme, die Morricone vertont hat, behandelt werden. Das ist trotz der schnellen Schnitte, die im Gegensatz zu seiner epischen Musik stehen, auf Dauer ermüdend. In dem Stakkato verliert der Film auch den Menschen Morricone aus den Augen, über den Lina Wertmüller, die große alte Dame des italienischen Kinos, sagt: "ein eigenartiger Mann – und verrückt." Thomas Winkler

R: Giuseppe Tornatore, 156 Min., Kinostart: 22.12.

The_English.jpg

The English

Außergewöhnlich poetisch erzählt und im großen Panorama inszeniert, ist diese Serie über die Geschichte der adeligen Cornelia Locke, die im Jahr 1890 aus England in die gerade erst erschlossenen Gebiete des amerikanischen Westens reist. Dass sie dort im Niemandsland von Mördern und Vergewaltigern empfangen wird, ist für die Zeit nichts Ungewöhnliches. Wegelagerer und andere Abgehängte leben mehr schlecht als recht vom Rauben und Töten der ahnungslosen Neuankömmlinge. Cornelia kauft bei ihrer Ankunft den gefolterten Indianer Eli Whipp frei und schon pflastern die ersten Leichen ihren Weg. Denn der Gastgeber des einsamen Hotels hat den Auftrag, Cornelia umzubringen, von dem Mann, den sie eigentlich sucht: den skrupellosen Emporkömmling David Melmont, eine Art Ur-Trump. Er soll für den Tod ihres Sohnes büßen. Bis es soweit ist und sich die verwickelte Story dahinter herausschält, legen Cornelia und der Pawnee Eli den Weg gemeinsam zurück, was sich zu einer der schönsten Liebesgeschichten des Genres entwickelt. Entlang der starken Frauenrolle Cornelias erzählt The English die Geschichte Amerikas als eine libertäre Vorhölle aus Massenmord, Unterwerfung und Raffgier, während sich der fantastische Soundtrack vor dem Leidensintervall von Ennio Morricones Lied vom Tod verbeugt. Denn am Ende steht ein Geheimnis, das sich fast alle Figuren in dieser begeisternden, unironischen Serie teilen. Jenny Mansch

UK 2022. R: Hugo Blick. D: EmilyBlunt, Ciarán Hinds...Magenta TV/Prime Video