Wettbewerbsfähig

Westdeutsche Allgemeine,

24. Januar 2023

10,5 Prozent mehr Geld fordern die Gewerkschaften, mindestens aber 500 Euro mehr pro Monat. Gemessen an den Tarifrunden der Vergangenheit ist das rekordverdächtig, die Kassenlage der öffentlichen Hand ist überall angespannt. Richtig ist aber auch, dass die Beschäftigten nicht nur einen Ausgleich für die hohe Inflation brauchen, sondern auch einen Gewinn an Kaufkraft. Dies hinzubekommen, ohne die öffentlichen Kassen zu überfordern, wird die Aufgabe der Tarifparteien sein. In der Vergangenheit konnten die Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hohen Lohnforderungen stets mit dem Argument entgegentreten, dass in diesem Sektor die Jobs sicher seien – anders als in der Privatwirtschaft. Dieses Argument überzeugt allerdings nicht mehr. Deutschland leidet unter einem dramatischen Fachkräftemangel. Im öffentlichen Dienst wird in den kommenden Jahren ein Großteil der Beschäftigten in den Ruhestand gehen. Wer ein attraktiver Arbeitgeber sein will, muss auch wettbewerbsfähige Gehälter zahlen.

Realistisch

Nordbayerischer Kurier Bayreuth,

21. Januar 2023

Eine Einkommenssteigerung in Höhe von 10,5 Prozent oder alternativ monatlich 500 Euro mehr fordert die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi für die Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes. Für Mitarbeitende der Deutschen Post soll es sogar noch mehr geben: 15 Prozent mehr Gehalt fordert Verdi. Hat die Gewerkschaft Verdi mit ihren zweistelligen Forderungen den Sinn für Realität verloren? Nein, die Forderungen widerspiegeln nur die Situation. Steigende Energiepreise, eine zweistellige Inflation, in Ballungsgebieten kaum mehr bezahlbarerer Wohnraum, überteuerte Lebensmittelpreise: Wer kann, dreht an der Preisspirale. Vermieter, Lebensmittel- und Energiekonzerne. Der Mieter und der Konsument mit einem durchschnittlichen Monatseinkommen muss jeden Cent zwei mal umdrehen, bevor er ihn ausgibt. [...] Der Reallohnverlust ist enorm. Den auszugleichen gilt die Forderung der Gewerkschaft.

Richtig

Sueddeutsche.de, 20. Januar 2023

Die Menschen müssen nun damit rechnen, dass sich viele Briefe und Pakete um mehrere Tage verspäten werden – und natürlich dürfen sie das ärgerlich finden. Zugleich aber sollten sie Verständnis aufbringen, denn die Motive der Gewerkschafter sind nachvollziehbar. Postbotinnen und -boten verdienen nicht gut, viele von ihnen bekommen weniger als 3.000 Euro brutto, davon müssen sie nicht selten ein teures Leben in der Großstadt finanzieren, für sich und ihre Familien. Die hohe Inflation von 7,9 Prozent im vergangenen Jahr hat große Löcher in ihre ohnehin nicht besonders gut gefüllten Geldbeutel gerissen. Die Gehaltsforderung von Verdi [...] mag auf den ersten Blick maßlos anmuten, aber bei genauer Betrachtung ist sie das nicht.

Unverzichtbar

Süddeutsche Zeitung, 20. Januar 2023

Dass mancher Arbeitgeber Betriebsräte für verzichtbar hält, hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) auf den Plan gerufen. Wenn Betriebsratsgründungen gestört werden, will er das von Amts wegen als Straftat verfolgen. Ein Gesetzesentwurf soll Mitte des Jahres vorliegen. [...] Doch werden Arbeitgeber und deren Strategen auch künftig Schlupflöcher finden. Heil sollte sich überlegen, ob er nicht zumindest die Option auf eine Betriebsratspflicht verankern will. Dann wäre ein für alle mal Schluss mit den taktischen Spielchen mancher Arbeitgeber. Die Mitbestimmung in Betrieben ist ein demokratisches Gut [...].