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Foto: Nick Albert; Marina113/PantherMedia;

Unsere Welt ist eine Bilderwelt, noch nie waren Fotos und Videos so allgegenwärtig. Und dennoch: Noch nie war es für Fotografen und Kameraleute so schwer, ihrer Arbeit nachzugehen. Insbesondere seit die Datenschutzverordnung in Kraft ist, müssen sie ständig fürchten, wegen Verletzung des Rechts am eigenen Bild verklagt zu werden. Der Haken ist, dass die Abbildung einer Person ohne ihre explizite Zustimmung ein „Antragsdelikt“ ist. Ich darf zum Beispiel einen öffentlichen Platz fotografieren, selbst wenn jemand zufällig im Vorbeigehen zu sehen ist. Aber die abgebildete Person darf gegen die Veröffentlichung des Fotos gerichtlich vorgehen. Letztens behauptete ein Kläger, er sei auf der Bebilderung eines Artikels erkennbar, obwohl die drei Gesichter im Bild völlig unscharf sind. Macht nichts, meinte das Landgericht München, selbst verpixelte Fotos sind nicht automatisch zulässig. Es zählt allein die Sorge des Betroffenen, er könnte erkannt werden. Wir leben ja heute im Konjunktiv; auch ein Witz wird weggelassen, sobald er vielleicht irgendjemand verletzen könnte. In diesem Fall wurde der Kläger abgewiesen, weil er zum Zeitpunkt der Aufnahme nachweislich nicht einmal vor Ort war! Trotzdem machten sich die Richter zu Bildanalytikern, um zu entscheiden, ob die drei verschwommenen Figuren „Beiwerk“ (laut Gesetz: „Bestandteile von völlig unter­geordneter Bedeutung“) seien, oder ob doch eine Rechtsverletzung hätte bestehen können, falls die tatsächlich Fotografierten gerichtlich vorgegangen wären. Nur hat der ausgedehnte Schutz des eigenen Bildes eine fatale Folge. Weil die Redaktionen keine Lust auf solch juristische Scharmützel haben, greifen sie zunehmend zu Stockfotos, sprich: zu gestellten Bildern, die auf Vorrat produziert werden, um zu einem beliebigen Zweck verwendet zu werden. Deswegen besteht die soziale Realität, wie wir sie in Medien vorfinden, immer öfter aus lächelnden, adrett aussehenden Statisten, die in perfekten Umgebungen kommen und gehen. Die Wirklichkeit wird durch einen Modekatalog ersetzt.