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Oliver Berg/dpa

Titel "Verzockt meine Rente nicht", ver.di publik 1_2023

Ganz recht: Die Rente verspielt man nicht. Aber kannten nicht auch die gewerkschaftlich organisierten Bundestagsabgeordneten diese fundamentale Lebensweisheit und falls ja, warum haben sie sich auf diesen mehr als abenteuerlichen Ritt über den Bodensee eingelassen? Natürlich: weil die Einführung einer aktiengestützten Komponente in das Rentenversicherungssystem Bestandteil des Koalitionsvertrages ist. Und warum ist das so? Weil sich die FDP so ihr "Steckenpferd" für ihre "Bereitwilligkeit" zur Einführung des Bürgergeldes und des erhöhten Mindestlohns hat zugestehen lassen. Jetzt also diese aktiengestützte Komponente als Möglichkeit, die jährlich notwendigen Bundeszuschüsse für die Rentenversicherung zu verringern. Was, wenn es nicht gut geht? Nehmen wir einmal den Fall an, jemand hätte einen Teil seiner Altersversorgung in Aktien etwa von Wirecard oder Galeria Kaufhof "investiert". Was jetzt? Soll ihm der Staat nun für die entstandenen Verluste eine Entschädigung zahlen? Dann hätte er das Geld besser vorher selbst in das öffentliche Rentenversicherungssystem gesteckt. Als Fazit kann es aus meiner Sicht nur heißen, dass die Gewerkschaften angesichts solcher massiven sozialpolitischen Umgestaltungsversuche sehr viel deutlicher die politische Dimension ihres Handels deutlich machen müssen, als das leider bislang der Fall ist. Selbstverständlich ist die klassische Tarifpolitik der Dreh- und Angelpunkt gewerkschaftlichen Erfolges oder Misserfolges, allerdings darf diese dann aber auch nicht nur auf rein quantitative Merkmale ausgerichtet werden, zusätzlich ist eine wesentlich stärkere Betonung des politischen Moments aller gewerkschaftlichen Arbeit und Bemühungen nötig, um solchen Eingriffen wie dem einer Umgestaltung des Systems der Alterssicherung den entsprechenden Widerstand entgegensetzen zu können. Wolfgang Freise, per E-Mail

Norbert Blüms Worte "Unsere Renten sind sicher" gelten nach wie vor – die Frage ist aber: in welcher Höhe? Christian Ballhaus, Berlin

Heike Langenberg zitiert Forderungen, denen ich zum großen Teil zustimme: Das ist vor allem ein verbesserter Grundrentenzuschlag für geringe Renten. Die betriebliche Altersversorgung halte ich aber nur dann für richtig, wenn damit nicht noch weitere Milliarden in die global zirkulierenden Finanzspekulations-Summen hineingepumpt werden. Ansonsten:

Alle Mittel in die gesetzliche Rentenversicherung!

Gleichfalls völlig richtig ist, dass alters- und alternsgerechte Arbeitsplätze geschaffen werden müssen. Für die Arbeitenden im Pflegebereich, im Straßenbau, in der Müllabfuhr aber stößt das schon an seine Grenzen. Männer in solchen körperlich schwerstbelastenden Berufen sterben im Schnitt mehr als ein Jahrzehnt früher als akademische Frauen. Die Personen mit so viel geringerer Lebenserwartung haben das Recht auf einen arbeitsfreien Lebensabend. Dieter Sauerwald, Borken

Warum soll das falsch sein? Altersvorsorge in Aktien wird mit großem Erfolg in vielen Ländern praktiziert. Nur in Deutschland nicht.

Hendrik Küper, Lage

Das deutsche Rentensystem ist in dem Zustand nicht mehr lange tragbar. Wäre es nicht besser, wenn staatliche Fonds die größte Finanzmacht haben, statt einzelne Großinvestoren? Letztere machen es doch vor, dass man mit sinnvoller und auch konservativer Kapitalanlage gut kalkulierbare Renditen erzielen kann. Wenn ich in weltweit gestreute Aktien aus allen Branchen und Bereichen, Anleihen und Immobilien investiere, dann ist das Investoren-ABC. Die besten Kunden von großen Immobilienmaklern in Metropolen sind nicht reiche Privatleute, sondern private Rentenversicherungen. Diejenigen, die Mehrfamilienhäuser und Gewerbeflächen von den Beiträgen ihrer Mitglieder erwerben, um mit den Einnahmen laufende Rentenzahlungen zu leisten. Dass ich als Selbstständiger in der Politik kein Gehör finde, daran habe ich mich schon gewöhnt. Dass ich bei dem wichtigsten Thema für Selbstständige von meinen von mir bezahlten Interessensvertretern komplett vergessen werde, finde ich unanständig. Stephan Böhm, per E-Mail

Wenn wir uns jetzt über eine vom Aktienmarkt "unterstützte" Rente freuen sollen, weil die ja, laut der FDP, so ertragreich sein soll, muss man die Frage stellen, wie das funktionieren soll. Die größten Profiteure der letzten Jahre sind eben die Konzerne, die keine Zukunft haben sollten: Shell und Exxon, um nur zwei Beispiele zu nennen. Wollen wir mit einem Fonds im Zweifelsfall wirklich das unterstützen, was uns kaputtmacht? Und dann kommt noch dazu, dass wir spätestens nach 2008/9 wissen sollten, dass der Aktienmarkt kein Vakuum des permanenten Wachstums ist. Wir sollten uns unseren Lebensabend nicht von Spekulation diktieren lassen – da spricht der Artikel das aus, was wir alle, liebe Kolleginnen und Kollegen, tatsächlich brauchen: Betriebsrenten oder ein wirklich gut durchdachtes Grundrenten-Modell. Aber mit der FDP und Christian Lindner sehe ich da wirklich schwarz.

Niklas Willma, per E-Mail

Beck Cartoons in ver.di publik

Nun nehme ich mir mal die Zeit und gebe meine Begeisterung für die super Beck-Cartoons weiter. Trotz ernstem Hintergrund absolut witzig und nichts an den Haaren herbeigezogen. Trifft für mich immer voll ins Schwarze! Karin Lorch, per E-Mail

Thema "Quantensprung für Honorare", ver.di publik 1_2023

Es ist sehr wichtig und längst überfällig, dass Künstler*innen sich mit ihren Honorarforderungen irgendwie orientieren können. Ich bin selbst Schriftstellerin und weiß, wie schwierig es ist, das Thema auch nur unter Kolleg*innen anzusprechen. Noch problematischer ist es, mit potenziellen Auftraggebern über Geld zu sprechen. Wenn ich zu viel für eine Lesung verlange, werde ich vielleicht nicht eingeladen. Verlange ich zu wenig oder gar nichts, dann bekomme ich auch zu wenig oder gar nichts und fühle mich beschämt oder ausgenutzt und nicht genug wertgeschätzt. Verlange ich wenig und werde engagiert, dann verderbe ich meinen Kolleg*innen die Preise. Sehr selten spreche ich mit anderen Autor*innen über Honorare, Verkaufszahlen, Tantiemen usw.

In unserer Welt gilt auch rasch als Verlierer, wer nur wenig erwirtschaftet.

Verliererin möchte keine sein. Ich verlange seit gefühlt einem Vierteljahrhundert dasselbe, also den Satz, den der Schriftstellerverband einmal empfohlen hat – und hörte vor kurzem überrascht im Radio, dass ein dort als niedrig empfundenes Honorar dasjenige, das ich bekomme, inzwischen weit übersteigt. Weil das Thema mit so viel Tabus, Scham usw. behaftet ist, bedanke ich mich umso mehr über jedes Engagement von ver.di und anderen, uns Künstler*innen eine gewisse Sicherheit und Orientierung zu geben und der ständigen Selbstausbeutung ein wenig Einhalt zu gebieten. Sonja Ruf, per E-Mail

Leben "Das Vertrauen verspielt", ver.di publik 1_2023

Vielen Dank für das Interview. Es spricht mir in vielen Punkten aus der Seele, leider. Ich denke, dass die Demokratie die beste Staatsform ist, die wir haben, aber sie ist offensichtlich in der aktuellen Form nicht in der Lage, wirklich gemeinwohlorientiert zu handeln, sie hat weder gegen die Biodiversitäts- noch gegen die Klimakrise gesteuert und scheint zum Teil dominiert von Lobbyismus und Klientelpolitik, die vor allem auf den Machterhalt bis nach der nächsten Wahl abzielt. Maßnahmen gegen den Klimawandel hätten schon vor Jahrzehnten ergriffen werden können und müssen, aber solche Themen lassen sich offensichtlich in unserer Demokratie immer weiter verschieben, soll sich doch die nächste Regierung darum kümmern – ohne dass jemals jemand von den Entscheidern später zur Rechenschaft gezogen wird. Die Kritik betrifft aber gleichermaßen auch "das Volk" – auch meine Generation hat es verpasst, auf die Straße zu gehen und eine andere Politik rechtzeitig zu erzwingen. M. Riepl, per E-Mail

Was für ein wunderbares Mutter/Tochter-Gespann! Die beiden haben mir in allen Punkten aus der Seele gesprochen. Helge Sillah, per E-Mail

Das Lesen der aktuellen Ausgabe hat sich für mich diesmal sehr gelohnt. Das Interview "Das Vertrauen verspielt" zeigt genau auf, vor welchen Problemen wir in Deutschland stehen. Danke dafür! Gut ist auch der Hinweis auf die Internetseite zur Bücherverbrennung 1933. Ich arbeite gerade in einer kleinen Arbeitsgruppe mit, um eine Ausstellung zur Bücherverbrennung in unserer Stadtbibliothek zu veranstalten. Was ich mir aber für eine Gewerkschaftszeitung gewünscht hätte ist ein Schwerpunkt auf die sogenannte "Machtergreifung" der Nazis vor 90 Jahren. An die Abfolge der politischen Ereignisse 1933 sollten wir uns erinnern: Ernennung Hitlers zum Reichskanzler, Reichstagsbrand, Reichstagswahl, die den Nazis keine absolute Mehrheit brachte, Ermächtigungsgesetz, dem alle bürgerlichen Parteien zugestimmt haben, Boykott jüdischer Geschäfte, Arztpraxen etc., Besetzung der Gewerkschaftshäuser, Bücherverbrennungen, Verbot aller Parteien außer der NSDAP, Verbot aller Arbeiterorganisationen . Eberhard Seipp, Bad Vilbel

Update Ukraine, ver.di publik 01_2023

Dass sich der Arbeitsmarkt in der Ukraine nur dann stabil entwickeln wird, wenn es einen vollständigen Sieg der Ukraine im Krieg gegen Russland geben wird, ist eine These der Autorin. Das erinnert mich an die deutsche Kriegspropaganda vom sogenannten "Siegfrieden" im 1. Weltkrieg. In dessen Folge kam es nach 1918 zu sehr viel Elend und zu Massenarbeitslosigkeit. Ein ukrainischer oder ein russischer Siegfrieden hat sicher so oder so eine Wirkung auf Arbeitsmärkte. Je länger dieser Krieg andauert, umso mehr muss nachher aufgebaut werden. Von weniger Menschen, denn viele Ukrainer*innen und Russ*innen werden diesen Aufbau nicht mehr miterleben, sind verstümmelt, traumatisiert. Uwe-Jens Kluge, per E-Mail

Lob

Es ist an der Zeit Euch allen Danke zu sagen. Ich lese gerne unsere Mitgliederzeitung, die immer wieder den Finger in die Wunde legt und wichtige Themen, national und international, thematisiert und aufarbeitet.

Diese Ausgabe hat aus meiner Sicht alles geboten, was man als Gewerkschafter verlangen kann.

Von der Rente über die Tarifauseinandersetzungen bei der Deutschen Post und im öffentlichen Dienst, die Situation in Kitas, Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, den Angriff auf das Streikrecht in England und der Krieg in der Ukraine und vieles mehr. Alles Themen, die gerade uns als Gewerkschaftsmitglieder an der einen oder anderen Stelle, früher oder später, betreffen und die uns daran erinnern, aktiver zu werden, jeder an seiner Stelle. Besonders hervorheben möchte ich aber den Beitrag von Werner Rügemer zum Thema "Wohnen ist Menschenrecht", der deutlich zeigt, wie bei uns gewollt abgewirtschaftet wurde, und das Interview mit Anita Blasberg zum Buch "Der Verlust". Hier müsste sich jeder von uns wiederfinden. Sowohl dieses Buch als auch unsere publik hat einen größeren Leserkreis verdient und ich möchte hiermit alle dazu aufrufen, die ver.di publik aufmerksamer zu lesen und sie anschließend in andere interessierte Hände zu geben (Werbung!) und nicht ungelesen dem Altpapier zuzuführen!

Reinhard Kuschewitz, per E-Mail

Thema Spezial "Die Bikini-Medizin", ver.di publik 1_2023

Selbst in der sogenannten "Bikini-Medizin" gibt es gravierende Lücken.

Endometriose, die ja im Bikini-Bereich meist angesiedelt ist, ist selbst heute nur stiefmütterlich erforscht und Ärzte aller Geschlechter haben nur unzureichende Kenntnis davon. Der Leidensweg der betroffenen Frauen bis zu einer Diagnose und darüber hinaus ist oft immer noch jahrelang. Es wird Zeit, dass sich etwas ändert. Ursula Brand, per E-Mail

Ehrensache

Viele Kolleginnen und Kollegen haben kein Verständnis dafür, dass unser Vorsitzender Frank Werneke nie eine ver.di-Nadel am Jackett trägt, selbst bei Tarifverhandlungen nicht. Das Tragen einer Gewerkschaftsnadel ist alte Tradition und sollte vom Vorsitzenden auch fortgeführt werden. Bei Jubiläen erhalten alle eine ver.di-Nadel, soll sie in der Schublade verschwinden? Wir fordern Frank auf, umgehend eine ver.di-Nadel zu tragen.

Karl Jacobs, Warstein, 60 Jahre ver.di-Mitglied