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Foto: Ingmar Björn Noltingx

Endlich – wir können wieder tanzen gehen, im Chor singen und Live-Konzerte genießen. Kaum noch vorstellbar, wie es zum Beispiel dem Ehepaar Andrea und Rainer Zube im Corona-Jahr 2020 erging. Die beiden sind Mitglieder des Posaunenchors aus Essingen, und die Not der Pandemie machte sie erfinderisch. Während des Lockdowns spielten sie und der Rest des Chors weiterhin jeden Sonntag zur Gottesdienstzeit, allerdings im ganzen Dorf verteilt, weil sie sich nicht treffen durften. Die Musiker*innen spielten einzeln oder zu zweit, in Vorgärten, auf Balkonen und – wie hier zu sehen – auf der grünen Wiese. Ehepaar Zube spielte fünf Morgenchoräle und als Zugabe "What a wonderful world". Abgebildet hat sie der 27-jährige Fotograf Ingmar Björn Nolting, der sich im Frühjahr 2020 unter strengen Sicherheitsauflagen auf eine Deutschlandreise begab. Nicht das Spektakel menschenleerer Städte lockte ihn vor die Tür, sondern die Menschen im Krisenmodus. Sie zu fotografieren beschreibt er als seinen persönlichen Umgang mit der Ohnmacht, der Angst und der Einsamkeit. Auf seinem Roadtrip durch den deutschen Lockdown sehen wir eine Schneiderin beim Maskennähen, Bestatter, die einen Liefer-wagen mit Särgen beladen, oder eine Disco, die im Wald aufgebaut wurde und nur ein Pärchen steht davor und lauscht. Es gibt Aufnahmen von einem überforderten Gesundheitssystem und von Menschen, die dieser Zeit etwas Schönes abtrotzen will. Die Bilder fangen das Bizarre dieser Zeitspanne ein, das Tragische und das Hoffnungsvolle. Die "fotografische Erzählung über die Folgen des Corona-Lockdowns", so nennt der Fotograf selbst seine Arbeit, wird mittlerweile international gefeiert und ist nun in einem opulenten Bildband veröffentlicht.

Ingmar Björn Nolting: About the Days Ahead. Kettler Verlag, Hardcover, 120 Seiten, 22x30 cm, ISBN 978-3-98741-031-4