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Boygenius: The Record

Eine Platte einfach Die Platte zu betiteln, das zeugt von Selbstvertrauen. Eine Überzeugung von den eigenen Fähigkeiten, die sich Boygenius leisten können: Julien Baker, Phoebe Bridgers und Lucy Dacus sind als Solo-Künstlerinnen längst große Namen im Folk- und Indiepop-Geschäft. The Record, das Debütalbum des in Freundschaft miteinander verbundenen US-amerikanischen Super-Trios, beginnt entsprechend selbstsicher: Der erste Song Without You Without Them ist ein A-Capella-Stück, das allein auf die drei sich ineinander verschlingenden Frauenstimmen setzt. Im weiteren Verlauf kommen dann doch Instrumente zum Einsatz, mancher Song schwingt sich mit elektrisch verstärkten Gitarren gar zur breitbeinigen Rock-Hymne auf. Aber im Mittelpunkt stehen immer die drei wundervollen Stimmen und vor allem, wie sie zu Harmoniegesängen verschmelzen, die eine Leiter direkt in den Himmel erklimmen. Höhenflüge, wie man sie seit Crosby, Stills, Nash & Young nicht mehr gehört hat. Thomas Winkler

Interscope/Universal

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Element Of Crime: Morgens um Vier

Man muss nicht lange warten, da sind Element of Crime auf Morgens um Vier schon zu altbekannter, voller Pracht erstrahlt. Nicht mal drei Minuten des 15. Studioalbums sind um, da erklingt Sven Regeners Trompete und gibt der alles beherrschenden Melancholie einen güldenen Anstrich. Zuvor schon hatte er singend versichert: "Wir haben keine Lösung / Wir haben Lieder." Ansonsten schaut der mittlerweile 62-jährige Regener spöttisch auf seine mit ihm alt gewordene Klientel. Die tauscht sich auf dem Wochenmarkt aus über die längst erwachsenen Kinder und kommt an den Rand der eigenen Moral, wenn alte Bekannte den Müll durchwühlen. Ja, die Welt ist schlecht, "die Sonne ist nicht heiß, und der Mond ist niemals voll", und selbst wenn Regener im wunderschönen Liebeslied Nur der Anfang noch mal von der Euphorie des Neuanfangs erfüllt ist: Seine seit 1985 existierende Band und ihr im ewigen Midtempo schwingender Boomer-Takt – zu langsam zum Tanzen, zu schnell für den gepflegten Rotwein – bringen ihn wieder zurück auf den Boden einer Realität kurz vor der Rente. Thomas Winkler

Vertigo/Universal

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Ralph Towner: At First Sight

Trompete und Klavier sind seine ersten Instrumente. Erst im Erwachsenenalter beginnt Ralph Towner mit der klassischen Gitarre, auf der er es zur absoluten Meisterschaft bringt. Technische Brillanz, kompositorischer Tiefgang und ein unvergleichlich vielseitiger Klang auf dem klassischen Instrument sind seine Markenzeichen. Damit besitzt der Amerikaner im weiten Feld von Jazz und Weltmusik ein Alleinstellungsmerkmal. Wegen seiner ungemein kreativen Fähigkeit zur Improvisation – bei Towner kommt sie sowohl aus dem Jazz als auch aus seiner Beschäftigung mit der Barock-Epoche – klingt seine Musik an keiner Stelle akademisch. Stattdessen besticht Towner als Solist mit einer virtuosen, beinahe orchestralen Erzählkunst, die Nachdenkliches und Heiteres mit Leichtigkeit verbindet. So finden sich auf At First Sight neben Eigenkompositionen und Broadway-Songs das irische Traditional Danny Boy. Alles in feinster Qualität aufgenommen und empfehlenswert auch als Reise in die Entschleunigung. Besser geht's nicht.

Peter Rixen

CD, ECM