Gewerkschafterinnen_Witt_Zimmermann.jpg
Freundinnen dank der Gewerkschaft: Seit sich Monika und Freni durch ver.di kennengelernt haben, verbindet sie eine enge FreundschaftFoto: Renate Kossmann

Monika Zimmermann (73) und Freni Witt (53) warten bereits an unserem Treffpunkt, der "Versunkenen Mauer" im Berliner Invalidenpark nahe des Hauptbahnhofs; die beiden haben sich untergehakt. Die riesige begehbare Rampe ist eine Skulptur, die im Sommer in einem Wasserbassin steht und darin zu versinken scheint wie die Titanic. Oben auf ihrem "Bug" haben sich die ersten Demonstrierenden schon die besten Plätze gesichert. Es ist der Internationale Frauentag, von hier startet heute die Demo. Auf der anderen Seite des mit Ministerien gesäumten Platzes stehen Wagen von ver.di und der GEW, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. Eine halbe Stunde vor Beginn der Kundgebung beginnt sich der Platz mit ver.di-Fahnen zu füllen.

Ein ungleiches Paar

Monika und Freni haben sich vor drei Jahren auf einer ver.di-Frauenkonferenz kennengelernt und freuen sich "jedes Mal riesig", sich wiederzusehen. "Ich hab mich damals gewundert, dass sich diese junge Frau sofort für das Thema Digitalisierung meldet", erinnert sich Monika . Und Freni: "Für unseren Gesamthafen-Betrieb ist Digitalisierung und Arbeitsplatzabbau ein Riesenthema, und Monika mit ihrer Art war so unglaublich überzeugend."

Monika ist eine echte rheinische Frohnatur. Sie wirft ihren Kopf temperamentvoll in den Nacken, wenn sie laut loslacht. Die ehemalige Sozialversicherungsfachangestellte der Barmer Ersatzkasse in Düsseldorf ist seit kurzem in Rente, aber "selbstverständlich!" weiterhin in ver.di undauf Demos aktiv.

Trotz strammer Temperaturen ist sie heute elegant in einem langen Rock mit Schlitz unterwegs, darunter lugen schwarzschimmernde Pumps hervor. In ihren weißen Kurzhaarschnitt sind ein paar Ponysträhnen pink eingewirkt; ein knallroter Schal mit ver.di-Frauen-Button hält sie warm. Sie schwenkt die Fahne der ver.di-Frauen und hat nur einen kleinen Rucksack auf dem Rücken. "Da ist alles drin, was ich fürs Wochenende brauche. Ich pack' ja immer auf den letzten Drücker", ruft sie fröhlich. Der Frauentag ist Monika wichtig: "Die Rechte der Frauen müssen wir immer wieder deutlich machen. Eine Gesellschaft ohne Beteiligung der Frauen – das geht doch nicht!"

Freni hat ein Rollköfferchen dabei und sich auch sonst gut gerüstet. Die Containerbrückenfahrerin und Betriebsrätin aus dem Hamburger Hafen ist wie eine Zwiebel in ver.di-Sweatshirts und -Jacken gehüllt, darüber noch eine ver.di-Weste in Orange, die perfekt zu ihrem langen roten Haar passt. "Jetzt sag bloß, du hast auch ein Anker-Tattoo", sage ich, sie streckt ganz cool die Hand aus, und zeigt mir ihren Handrücken samt Anker.

"Eine Gesellschaft ohne Beteiligung der Frauen – das geht doch nicht!"
Monika Zimmermann

"Ich hab' auch das hier", lächelt sie, zieht ihre Hosenbeine hoch. Auf ihrer einen Wade prangt eine Containerbrücke und auf der anderen ein Van Carrier, ein sogenannter Brückenkellner. "Und du ziehst jetzt auf der gesamten Route dieses Köfferchen hinter dir her?", frage ich amüsiert. "Na klar". Für sie ist Anpacken normal. Warum, das erzählt sie, während wir auf die ersten Rednerinnen warten. Genau wie Monika hat sich Freni mit ihrem Beruf einen Kindheitstraum erfüllt: "Ich wollte schon immer Containerbrücken fahren. Als ich 13 war, hatten wir in der Schule eine Projektwoche zum Thema "Hamburger Hafen". Ein Werftarbeiter hat mich rumgeführt, und ich fand die Riesenschiffe einfach faszinierend, und wie die Jungs da dran geschraubt, gemalt und geschweißt haben. Der Dreck war mir egal. Ich habe damals gleich gefragt, wo ich mich bewerben kann." Die Antwort: "Mädels nur im Büro, nicht auf der Werft."

Deshalb wurde sie erst Konditoreifachverkäuferin, später wechselte sie in ein Einrichtungshaus. Sie trat in ver.di ein und wurde zur Betriebsrätin gewählt. Doch der Einzelhandel lag der alleinerziehenden Mutter von zwei Kindern nicht. Zu wenig Lohn, unfreundliche Kundschaft. Und sie hatte einen echten Trumpf in der Tasche: Sie konnte Gabelstapler fahren. Ihr damaliger Freund arbeitete bereits im Hafen und ermunterte sie schließlich sich dort zu bewerben und "dann gleich wieder ab zu ver.di". Guter Mann.

Mutti ist die Beste

Auf dem ver.di-Demowagen verstummt die Musik, und die ersten Rednerinnen verschaffen sich Gehör. Der Platz ist inzwischen voll. Frauen und auch viele Männer sind gekommen, um für gemeinsame Werte einzustehen: Gleichstellung von Mann und Frau, Solidarität mit den Frauen im Iran und in Afghanistan, Kampf gegen sexualisierte Gewalt, und überhaupt: Her mit gleichem Geld für gleiche Arbeit!

Viele haben selbstbemalte Schilder mitgebracht. Mediziner*innen tragen Banner für die Streichung der Abtreibungsparagrafen, eine junge Frau hat auf ihr braunes Pappschild lediglich "Männer LOL" geschrieben. Sie erntet viel Gelächter und reckt triumphierend die Faust. Die Stimmung ist ausgelassen, langsam setzt sich der Demozug in Bewegung.

"Apropos Equal Pay", merkt Freni an, "das ist bei uns im Betrieb Realität". Sie begann in der Gesamthafen GmbH Hamburg zunächst als Tagelöhnerin auf dem Gabelstapler zu arbeiten. Sie schleppte Bananenkisten, bildete sich fort, bis sie ihre Containerbrücke fahren durfte. Später wurde sie in dem 80-jährigen Unternehmen zur ersten Betriebsrätin gewählt. Heute ist sie freigestellt und setzt sich für "ihre Jungs" ein, wo immer es auch knirscht. Die Jungs wiederum nennen sie "unsere Mutti". Zum Containerbrückenfahren würde sie ohne Probleme zurückgehen, denn "es ist der geilste Job der Welt mit der besten Aussicht". Als Fahrerin einer Containerbrücke arbeitet sie in einer Höhe von 35 bis 60 Metern und rangiert Container vom Hafen in die Lager und umgekehrt.

Monika hat zwei erwachsene Söhne und als ver.di-Frau so viele Ämter und Posten bekleidet, dass man sie kaum aufzählen kann: "Ich wollte immer schon Sekretärin werden", erzählt sie. "Und ich bin eine geworden – eine Sekretärin für die Mitglieder!"

Als junges Mädchen machte sie bei Kaufhof in Düsseldorf eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann – die Endung "-mann" ärgerte sie schon damals. 1969 wird sie Sozialversicherungskauffrau bei der Barmer und dort später Personalratsvorsitzende, in ver.di Mitglied der Tarif- und Verhandlungskommission Ersatzkasse. Sie war Frauenbeauftragte, später Vertrauensfrau und hielt ver.di-Mandate in Frauengremien und dem Fachbereich Sozialversicherung auf Bezirks-, Landes- und Bundesebene. Außerdem war sie Sozialrichterin in Düsseldorf und Landessozialrichterin in NRW und dann noch Vorstandsmitglied in der Verwaltungsberufsgenossenschaft (VBG).

Die Frauen in den hinteren Reihen

Monikas große Stärke aber ist das Mentoring. Ihr ehrenamtliches Engagement für die Gleichberechtigung wurde mit dem höchsten Landesorden von NRW gewürdigt.Sie hat einen Blick für das Potential, das in anderen Frauen schlummert. "Ich interessiere mich immer für die Frauen in den hinteren Reihen, die Schüchternen. Die sich nicht nach vorne drängeln. In denen steckt so einiges." Die spricht sie systematisch an. Sie ermuntert die jungen Frauen gezielt, sich für bestimmte Ämter zu bewerben, sich einzubringen, und kaum eine kann der Versuchung ihrer einnehmenden Art widerstehen.

"Wir sind als Frauen noch zu zögerlich", ist Monika überzeugt. Für sie selbst gilt das allerdings nicht mehr: Als Seniorin ist sie weiterhin in Frauengremien und dem Landesbezirksvorstand von NRW aktiv. Und sie freut sich, dass sie im März für die Bundesrevision wiedergewählt wurde. Dort hat sie Teilnahme- und Rederecht, was sie als Ehre empfindet.

Inzwischen ist der Demozug am Endpunkt Bebelplatz angekommen. Was haben die beiden Freundinnen jetzt noch vor, so wunderbar euphorisiert von der gelungenen Demo? "Wir müssen ja heute Abend noch mit dem Zug nach Hause", sagt Monika. "Aber vorher gehen wir unbedingt noch einen Kaffee trinken. So viel Zeit muss sein." Ein echtes Freundinnen-Programm halt.