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Ich bin Geschäftsführerin einer gemeinnützigen feministischen Beratungsfirma. Wir arbeiten mit Kommunen und Organisationen, um sie für strukturelle Diskriminierung zu sensibilisieren. Die Selbstständigkeit hat mich deshalb gereizt, weil man in großen Unternehmen oder Behörden in Strukturen und Hierarchien eingebunden ist, ich aber mehr selbst gestalten wollte. Der Beruf ist sehr vielfältig, aber die Selbstständigkeit ist nichts für risikoscheue Menschen und auch prekär, wie ich während Corona erlebte. Mein Lebenslauf hat mich für Offenheit geprägt: Ich wurde in den USA geboren, zog mit sechs Jahren nach Neuseeland, mit 17 nach Deutschland und habe das Abitur in Heidelberg gemacht. Mein Studium verbrachte ich in Brasilien und England, dort schloss ich einen Master in interkultureller Erziehung im Fach Ethnologie ab.

Zuerst habe ich bei der Arbeiterwohlfahrt Bildungsarbeit für Kinder und Jugendliche gemacht, danach wechselte ich in die Persönlichkeitsentwicklung in einer kommunalen Verwaltung. Bei den Seminaren ging es um Führung und Veränderungsprozesse und so interessierte ich mich auch für Genderfragen und Diskriminierung. Themen, mit denen ich mich selbstständig gemacht habe.

Frauen werden besonders benachteiligt

Strukturelle Diskriminierung begegnet einem überall. Sie basiert auf Stereotypen und Vorurteilen. Beispielsweise wenn jemand mit einem ausländisch klingenden Nachnamen nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird oder wenn eine schwangere Frau nicht befördert wird. Besonders Frauen sind vielfachen Diskriminierungen ausgesetzt. Das führt dazu, dass sie weniger verdienen und besonders von Altersarmut bedroht sind. In diesen Themen berate ich. Früher in der Erwachsenenbildung und jetzt als Selbstständige. Ich hatte mich gerade selbstständig gemacht, als Corona ausbrach. Plötzlich lief nichts mehr wie gewohnt. Erneut waren es die Frauen, die am meisten benachteiligt wurden, weil sie häufiger Teilzeit arbeiten, weniger verdienen und öfter in prekären Arbeitsverhältnissen arbeiten. Und weil sie armutsbedingt mehr unter der Pandemie litten als Männer: am beengten Wohnraum, an männlicher Gewalt und an den Nachteilen der Erziehungspflichten, die meist die Frauen übernehmen.

Seit 2018 bin ich Mitglied in ver.di. Ohne die Gemeinschaft in Gewerkschaften würden sich die Arbeitsbedingungen in vielen Branchen verschlechtern. In ver.di kann ich mich auch ohne deutschen Pass engagieren. Wie wichtig vielfältige Hilfe für Selbstständige ist, habe ich durch einen schweren Schicksalsschlag erfahren: Im zweiten Coronajahr erkrankte der ältere meiner beiden Söhne, damals acht Jahre alt, unheilbar an einem Hirntumor. Als Selbstständige bekam ich noch weniger staatliche Unterstützung als andere. Ich habe mein Kind in den Tod begleitet und weitergearbeitet. Jetzt möchte ich dazu beitragen, dass sich die Rahmenbedingungen für Selbstständige verbessern.