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Romin Kahn ist Referent im Bereich Migrationspolitik beim ver.di-BundesvorstandFoto: Christian Jungeblodt

Der europäische Asylkompromiss wird als alternativlos bezeichnet, Bundesinnenministerin Nancy Faeser, SPD, spricht sogar von einem Erfolg für eine neue solidarische Migrationspolitik. Bei genauer Betrachtung erinnert diese Wortwahl an blanken Zynismus. Neben den beschlossenen Haftlagern, in denen auch Kinder und Familien während des Verfahrens interniert werden sollen, ruft die Ausweitung sicherer Drittstaaten besonders viel Kritik hervor. In Zukunft entscheiden die EU-Staaten selbst, welche Länder sie dazu zählen. Ob es sich dabei um die Türkei oder Libyen handelt – Mindestanforderungen wie die Anerkennung der Genfer Flüchtlingskonvention oder die Menschenrechtssituation vor Ort gelten nicht mehr. Wer eines dieser Länder bei der Flucht nach Europa passiert hat, dessen Antrag kann als unzulässig abgelehnt werden.

Weltweit sind laut dem UNHCR heute 110 Millionen Menschen auf der Flucht. Nur ein Bruchteil von ihnen versucht nach Europa zu fliehen. Durch die bisherigen und nun beschlossenen Abschottungsmaßnahmen wird dies noch schwieriger, noch tödlicher. Mitte Juni kenterte ein in Libyen gestartetes Schiff vor der Küste Griechenlands mit über 700 Menschen an Bord, darunter 100 Kinder, nur 104 Überlebende wurden gerettet. Zwischen der ersten Sichtung des überfüllten Bootes und dem Unglück lagen etwa 24 Stunden.

Ein schrecklicher Verdacht steht im Raum: Die europäische Polizeibehörde Europol untersucht den Vorwurf, ob die griechische Küstenwache das Unglück mit zu verantworten hat, weil sie das Schiff in Richtung Italien schleppen wollte. Solche sogenannten Pushbacks sind illegal, aber im heutigen Europa an der Tagesordnung. Angesichts dieser Dramatik ist es bestürzend, dass den EU-Innenminister*innen Hilfsmaßnahmen, wie die Sicherstellung der Seenotrettung im Mittelmeer und die Verhinderung systematischer Rechtsbrüche und Misshandlungen von Schutzsuchenden an den Grenzen der Mitgliedsstaaten keine Beschlüsse wert waren.

Das hat mit Solidarität nichts zu tun, das ist der Ausverkauf grund- und menschenrechtlicher Standards, für die wir als Gewerkschaften weiter einstehen werden.