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The Kiffness

Es sind Künstler, sogenannte Digital Creators, wie David Scott, alias The Kiffness, die das Internet immer wieder neu beleben und erfrischen. Der südafrikanische Mittdreißiger begreift die Welt, in der er lebt, als eine musikalische Ressource, die ihm das Netz täglich in die begabten Hände spült. Ein bisschen so wie einst Stefan Raab mit seinen Instant-Kompositionen wie Maschendrahtzaun, bedient sich The Kiffness an unterschiedlichen Videoschnipsels und macht daraus spontan Musik. Das ist mal komisch, mal traurig, mal bewegend und manchmal auch zutiefst berührend.

Zum Beispiel die Lonely Cat, die einsame Katze. Auf YouTube und TikTok ist das melancholische Tier ein Star. Sie steht im Flur einer Wohnung und sieht sich mit grundlegenden Fragen seiner binären Wahrnehmung konfrontiert. Sie maunzt erstaunlich melodiös vor sich hin, ein User schreibt dazu, was er glaubt, die Katze auf Englisch singen zu hören: „Manchmal bin ich allein, manchmal nicht, manchmal allein – hallo?“ Dies wiederum hat The Kiffness aufgegriffen und den Gesang der Katze mit Hall, Harmonie und Rhythmus arrangiert und mit Ukulele und Saxophon begleitet. Der Ohrwurm ging viral und weltweit schlossen sich per Video weitere Musiker*innen mit ihren Instrumenten an – eine globale kreative Kettenreaktion.

Ursprünglich Medizin studierend, schwenkte David Scott beizeiten aufs Musikstudium um. Er arbeitete als DJ und spielte in einer Jazzband. Schon seine erste Single Where are you going? von 2013 hatte Erfolg, das Album Kiff wurde zweimal für den Südafrikanischen Music-Award nominiert. Und dann kam der Lockdown. Auch The Kiffness saß während der Pandemie zu Hause fest, wo er als Protest auf ein erlassenes Zigarettenverbot erstmal die südafrikanische Nationalhymne parodierte. Oder mit Hunden und Katzen musizierte. 2020 remixte er die Levan Polkka des türkischen Sängers Bilal Göregen, die millionenfach angeklickt wurde. Seit 2022 gehen die Tantiemen seines Remixes eines ukrainischen Volksliedes an die humanitäre Hilfe des ukrainischen Militärs.

Im September tourt The Kiffness, was übrigens „Coolness“ bedeutet, durch Deutschland. Ohne die übliche Werbemaschinerie einer Plattenfirma muss und sollte man sich vom Liveprogramm überraschen lassen. Dass er die bezaubernd einsame Katze im digitalen Gepäck hat, ist so gut wie sicher, an der kommt jetzt niemand mehr vorbei.

Jenny Mansch

Tourdaten und Tickets unter thekiffness.com

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Júlio Resende: Sons of Revolution

Für gewöhnlich ist der Fado definiert durch den Gesang und den markanten Klang der Portugiesischen Gitarre. Dieses Saiteninstrument wird auch gezupft. Aber es bahnt sich etwas an, das man bereits aus dem Nachbarland Spanien vom Flamenco kennt. Portugals Pianisten adaptieren den Fado. Júlio Resende bringt seine Adaption auf die Formel „Fado Jazz“, wo sich Fado-Tradition und die Freiheiten der Improvisation die Hand reichen. Sein neues Album heißt Sons of Revolution und zelebriert die Errungenschaften der sogenannten Nelken-Revolution im Jahr 1974, die auf friedliche Weise das Ende der langen Diktatur einläutete und mithin die Kolonialkriege in Afrika beendete. Portugal kehrte zurück in die europäische Familie und die Künstler erlangten in der neuen Demokratie lange vermisste Freiheiten. Wohlgemerkt: Pianist Resendes Musik ergeht sich weder in melancholischem Fado noch in verkopftem Jazz. Die Söhne der Revolution an Piano, Portugiesischer Gitarre und Bass begehen eine betont fröhliche und zuweilen auch ein wenig besinnliche musikalische Feier. Und als wäre das nicht schon genug, darf Salvador Sobral, der ESC-Gewinner von 2017, die Zugabe A Casa Deia mit seinem Gesang veredeln.

Peter Rixen

CD, ACTSoul Song Records

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Yosef Gutman Levitt & Lionel Loueke: Soul Song

Der südafrikanisch-israelische Bassist Yosef Gutman Levitt und der Gitarrist Lionel Loueke aus dem westafrikanischen Benin haben sich vor langer Zeit an der renommierten Jazz-Ausbildungsstätte Berklee College im amerikanischen Boston kennen und schätzen gelernt. Nach regelmäßigen Engagements in Brooklyn trennten sich ihre Wege. Während Louke sich als vielgefragter Star der New Yorker Szene etablierte, machte Levitt im Tech-Business Karriere. Dann aber vollzieht er eine spirituelle Neuorientierung, übersiedelt nach Jerusalem und gründet sein Plattenlabel Soul Song. Dort lebt die alte Freundschaft wieder auf. In Quartett-Besetzung mit Piano und Drums spielen Levitt/Loueke eine Groove-orientierte Musik mit solistischen Beiträgen, denen man die Könnerschaft anmerkt. Neben eigenen Stücken gibt’s Lieder aus dem chassidischen Judentum. Levitt verpasst den alten Traditionen mit seinen originellen Arrangements eine neue, über­raschende Weltläufigkeit, schafft fröh­liche Momente, aber auch solche zur inneren Einkehr. Hier lassen die Musiker ihre Seele sprechen, statt sich mit Geschwätzigkeit und technischen Mätzchen hervorzutun.

Peter Rixen

CD, Soul Song Records