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Foto: Museum der Stadt BambergSammlung Ludwig

Das berühmte Cola-Experiment macht immer mal wieder die Runde: Zersetzt das kohlensäurehaltige braune Getränk ein Steak? Die Antwort lautet immer wieder: Nein. Egal welche Art Fleisch in Cola eingelegt wird, es löst sich darin nicht auf. Interessant an dieser Ausstellung im Bamberger Rathaus ist der Überlebensversuch eines handelsüblichen Burgers mit Rindfleischfrikadelle. Über die gesamte siebenmonatige Dauer der Ausstellung fristet er sein Dasein in einer Vitrine. Natürlich dürfte er am Ende hoffnungslos vergammelt, verschimmelt und ungenießbar sein. Dennoch gehen die Ausstellungsmacher*innen in Bamberg der Frage nach, wie echt unser Essen noch ist. War es früher besser, natürlicher? Was wächst noch auf Feldern, was wird in der Petrischale gezüchtet? Und wissen wir überhaupt immer, was wir uns einverleiben?

Um das beurteilen zu können, wird in Bamberg ordentlich aufgetischt. 300 Jahre alte Porzellanwerke aus der Zeit des Barocks von Lebensmitteln wie Artischocken, Blumenkohlröschen, Spargel oder Oliven sehen so appetitlich aus, dass der schnöde Burger selbst in erster Frische nicht mithalten kann. Ein wenig übermächtig kommen überdimensionale Kalorienbomben von Torten und Muffins daher, eine große Suppenschüssel in Gestalt eines Truthahns löst hingegen einen Wow-Effekt aus. Den haben die Besucher*innen auch, wenn sie sich an den zunächst sehr schlicht gedeckten Tisch im Zentrum der Ausstellung setzen. Doch der verwandelt sich unter anderem in ein barockes Bankett mit überbordend gedeckter Tafel, wenn die neben Messer und Gabel bereitliegende Virtual-Reality-Brille aufgesetzt wird.

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Sie ist nur eine von etlichen Möglichkeiten, sich dem Thema Essen und Nahrung, und wie das alles zu uns kommt und zubereitet wird, interaktiv zu nähern. Darüber hinaus bietet die Social-Media-Plattform der Ausstellung die Möglichkeit, sich über sie hinaus mit dem Thema zu beschäftigten und zudem über das eigene Smartphone mit seiner persönlichen Community das Tellergericht zu teilen, das man sich selbst zusammengestellt hat – virtuell selbstverständlich und somit auf jeden Fall Fake Food.

Um eines geht es den Macher*innen der Ausstellung aber nicht: ums Belehren. Vielmehr möchten sie Bewusstsein schaffen für die Herkunft und die Lieferwege von Lebensmitteln. Auch über religiöse Speisevorschriften wird anschaulich informiert. Alles, um zum Nachdenken anzuregen, vielleicht sogar über ein eigenes Experiment. Dabei muss es ja nicht um Haltbarkeit gehen. Wie wäre es, eine Woche lang nur aus regionalen und natürlichen Produkten seine Leibspeisen herzustellen – und sei es ein Burger? Petra Welzel

SAMMLUNG LUDWIG BAMBERG, ALTES RATHAUS, OBERE BRÜCKE 1, DI – SO 10 – 18 UHR, BIS 26. NOVEMBER

Animalia

Mensch und Tier, das Mit- oder Gegeneinander ist so alt wie unsere Geschichte. Davon zeugen schon uralte Höhlenmalereien von Tieren auf staksigen Beinen. In der Kunsthalle Darmstadt haben sich rund 30 internationale Künstler*innen von Los Angeles bis Mumbai mit dem Zusammenleben beschäftigt.

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Es gibt Fotos und Videos zu sehen, die das Miteinander geradezu dokumentieren, aber auch Zeugnis davon ablegen, wie der Mensch die Existenz von Tieren bedroht. Die Arbeit Animorphosis von Thomas Hawranke und Lasse Scherffig lässt in einem rund 12-minütigen Videoloop nahtlos Bilder ineinander verschmelzen, die immer wieder das Wort "Tier" im Zusammenhang mit verschiedenen Tierarten und Lebenswelten zeigen. Dabei haben sich die Künstler der Künstlichen Intelligenz bedient, die riesige Bildmengen verarbeitet hat. Dem Ergebnis sieht man an, wie klischeehaft die KI Bilder von Mensch und Tier erstellt. So viel Tier wie in dieser Ausstellung war schon lange nicht mehr. Da ist es nur folgerichtig, dass auch Hunde in der Ausstellung zugelassen sind: Eine olfaktorische Skulptur von Lisa Korpos richtet sich insbesondere an die Besucher*innen auf vier Beinen.

Petra Welzel

Kunsthalle Darmstadt, Steubenplatz 1, MI – SO 11 – 17 Uhr, bis 7. Januar 2024

General Idea

1994 läutete das Künstlertrio General Idea das "Ende des Jahrhunderts" mit drei Eisbärrobben – die Tiere sind weiß wie Eisbären, aber haben den Körper einer Robbe – vor schmelzenden Antarktis-Eisblöcken ein. 25 Jahre lang hielt das 1969 in Kanada gegründete Trio der Gesellschaft den Spiegel vor, zeigte ihr, wo etwas schief oder aus dem Ruder lief.

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Dass sich das Klima dramatisch verändert – es war schon längst bekannt. Doch die mutierte Robbe steht bis heute für ein Versagen der Politik und Wirtschaft, die sehenden Auges nicht früher gegengesteuert haben. Politisch hat General Idea schon Ende der 1970iger Jahre erkannt, dass ein Rechtsruck durch die Gesellschaft geht. Das Bild "Nazi Milk", das einen blonden Milchbubi mit weißem Hitler-Milchschnauzer in Szene setzt, war eine Provokation, und sie ist es heute noch. Wenn die Künstler Felix Partz (1945–1994) und Jorge Zontal (1944–1994) nicht viel zu früh aus dem Leben geschieden wären, würde Nummer Drei, AA Bronson, mit ihnen wohl auch dieser Tage noch die Stimme der Kunst erheben. Dank ihm ist in Berlin nun immerhin eine Retrospektive ihres gemeinsamen Schaffens zu sehen, das uns immer noch eine Menge zu sagen hat. Petra Welzel

Gropius Bau, Niederkirchnerstr. 7, Berlin, MO/MI – FR 11 – 19 Uhr, SA/SO 10 – 19 Uhr, bis 14. Januar 2024