Ausgabe 06/2023
Gäääähn!
Immer mehr Deutsche machen schlapp. Das hört man seit Jahren, doch scheint sich das Phänomen zu verschärfen. Nach einer jüngst veröffentlichten Studie fühlt sich über die Hälfte der Befragten erschöpft. Im Osten wie im Westen. Angestellte wie Arbeiter. Frauen etwas mehr als Männer. Verheiratete etwas weniger als Singles. Unter chronischer Müdigkeit leiden insbesondere Menschen zwischen 30 und 49 Jahren. Aber auch den jüngeren macht das zu hohe Arbeitspensum zu schaffen, während die Ü50 sich eher über Aufgaben beschweren, die sie als unnötig empfinden. Allein Menschen im Rentenalter scheinen ein relativ ausgeruhtes Leben zu genießen, wodurch die Hypothese bestätigt wäre, die Ursache liege hauptsächlich in der Arbeit. Und es ist nicht so, dass das negative Gefühl, geschafft zu sein, durch das positive Gefühl, geschafft zu haben, ausgeglichen würde. Dreiviertel der Berufstätigen meinen, ihre Erschöpfung kann nicht beseitigt werden und fast die Hälfte, dass sie künftig gar zunehmen wird. Müdigkeit ist keine Lappalie. Arbeitspsychologen warnen davor, dass in der Folge Burnout, Depressionen und stressbedingte Erkrankungen zunehmen könnten. Und das ist schlecht fürs Geschäft: Zum einen leidet die Produktivität, zum anderen häufen sich Krankschreibungen, was bei den übrigen Mitarbeitern noch mehr Stress verursacht. Die Erschöpfungsstudie erfolgte im Auftrag einer Beratungsfirma und sie liest sich auch wie ein Werbeprospekt für mögliche Kunden: Unternehmen wüssten nämlich nicht, ihren Mitarbeitern den Sinn ihres Jobs ausreichend zu kommunizieren – und dafür seien eben Beratungsfirmen da. Tatsächlich scheint die Ursache mehr an der Qualität als an der Quantität zu liegen. Immer mehr empfinden ihre Arbeit als „sinnlos“ (besonders betroffen sind die Beamten). Neu ist, dass häufiger noch als die Arbeitsbelastung „die politische Situation“ bzw. „die Weltlage“ als Grund angegeben wird. Gegen Krisen, Krieg und Klimawandel ist ein jeder machtlos, mit demotivierender Wirkung. So gesehen hinge die Arbeitsmüdigkeit mit anderen Symptomen wie Politikverdrossenheit, Kriegsmüdigkeit oder Medienverweigerung zusammen. Doch mag diese Situation auch eine positive Auswirkung haben: Wenn Sinnlosigkeit so manifest wird, kann die Sinnsuche beginnen.