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Leidenschaftlich, toxisch und unmöglich war die Liebe zwischen Ingeborg Bachmann und Max Frisch. Auf den Briefwechsel zwischen der österreichischen Schriftstellerin und ihrem Schweizer Kollegen konnte Regisseurin Margarethe von Trotta in ihrem jüngsten Filmporträt zwar noch keinen Bezug nehmen, weil er erst später veröffentlicht wurde. Gleichwohl schildert sie durchaus bewegend auf mehreren Zeitebenen die komplexe, vierjährige Beziehung, die 1958 in Paris begann. Das Zusammenleben der Protagonisten scheitert schon an den profansten Dingen: Das permanente Geklapper von Frischs Schreibmaschine raubt Bachmann die Konzentration für ihr eigenes literarisches Schaffen. Dies umso mehr, als sie im Gegensatz zu ihm der Sprache misstraut. Die depressive tablettensüchtige Literatin und ihre glühende Sprache treten im Film allerdings in den Hintergrund. Regisseurin von Trotta hebt mehr auf die selbstbewusste Bachmann ab, die um ihre Autonomie ringt. Ihre Reise in die ägyptische Wüste nach der Trennung von Frisch mit einem neun Jahre jüngeren Mann markiert da einen schönen Befreiungsschlag.

Kirsten Liese

CH/A/D/L 2023 R: Margarethe von Trotta. D: Vicky Krieps, Ronald Zehrfeld, Tobias Resch u.a., 110 Min., Start: 19.10.23

Ein ganzes Leben

Von bigotten Bergdörfern, in denen in früheren Jahrhunderten vor allem Kinder schwer unter Misshandlungen zu leiden hatten, haben schon so manche Heimatfilme wie etwa Der Verdingbub erzählt. Der Protagonist in Regisseur Steinbichlers Adaption von Robert Seethalers gleichnamigem Bestseller erleidet ähnliche Martyrien.

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Er wird von einem tyrannischen Bauern als Hilfskraft ausgebeutet und zum Krüppel geschlagen. Gleichwohl verströmt die 1902 einsetzende Geschichte allerhand Energie. Erscheint es doch bemerkenswert, wie sich dieser Hilfsarbeiter Andreas auch in seinem weiteren Leben trotz diverser Schicksalsschläge immer wieder aufrappelt und Katastrophen überlebt, bei denen Arbeitskollegen in einem Seilbahn-Unternehmen tödlich verunglücken. Den größten Schmerz beschert ihm der Tod seiner Frau, die von einer Schneelawine erfasst wird. Von der kurzen Zeit des Glücks, die ihm mit ihr vergönnt war, zehrt er noch als Soldat an der Front, in russischer Kriegsgefangenschaft und schließlich als alter Mann, der hier auf sein Leben zurückblickt. Die herrlichen Landschaftspanoramen empfehlen das trefflich besetzte Drama bei alledem optisch für die Leinwand. Kirsten Liese

D/A 2023. R: Hans Steinbichler. D: Stefan Gorski, August Zirner, Julia Franz Richter, Robert Stadlober. L: 116 Min., Start: 9.11.23

Eren

Was an Eren Keskin sofort beeindruckt, ist ihre Gemütsruhe. Wie es in ihr drinnen aussieht, trägt diese elegante Frau nur selten nach außen. Dabei steht die kurdische Menschenrechtsanwältin und Aktivistin seit Jahrzehnten mit einem Bein im türkischen Gefängnis, was wahrlich kein Zuckerschlecken ist.

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Seit über 30 Jahren setzt sich Eren Keskin für Minderheiten in ihrem Land ein. Sie kämpft für die Pressefreiheit in der Türkei und für die Rechte von Frauen sowie der LGBTQ+-Szene; sie wendet sich unermüdlich gegen Folter und die staatlich sanktionierte sexualisierte Gewalt. Das liest sich leichter, als es in der Praxis aussieht. Die Zuschauer erfahren die Härte ihres Berufs schon, wenn sie telefoniert. Sie beschreibt in ruhigen, aber entsetzlichen Worten, was türkischen sowie kurdischen Frauen im Einzelnen blüht, sollten sie der Staatsmacht in die Quere kommen, es sind Schilderungen von brutaler Folter. Wir hören von kleinen Erfolgen und großer Pein. Regisseurin Maria Binder portraitiert die Frau mit dem markanten Lidstrich, indem sie ihr im Alltag folgt und ihre große Ausstrahlung wirken lässt; besonders berührend sind die Besuche bei ihrer Mutter, die kurz nach den Dreharbeiten verstarb. Die Treffen sind von unbedingter Fürsorge und tiefen Gesprächen geprägt. Jenny Mansch

D 2022. R: Maria Binder. Kamera: Meryem Yavuz. L. 95 Min., Start 5.10.23