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Foto: Vijat Mohindra

Dolly Parton: Rockstar

Wenn Dolly Parton eine Party schmeißt, will niemand fehlen. Paul McCartney und Ringo Starr, die beiden noch verbliebenen Beatles, unterstützen sie beim Covern von Let It Be, und die nicht mal halb so alte Miley Cyrus gibt Hilfestellung bei Wrecking Ball. Auch Debbie Harry, Stevie Nicks, Joan Jett und Elton John feiern mit, sie alle und noch viele mehr sind Stargäste auf Rockstar, dem neuen, sage und schreibe 49. Album der 77-jährigen Ikone, auf dem sie neun neue Songs und 21 Coverversionen klassischer Rock-Hits präsentiert.

Aber auch für Normalsterbliche gilt: Alle wollen dabei sein. Bei Partons Auftritten in den USA treffen Drag Queens auf Abtreibungsgegner, konservative Country-Fans auf die LGBTQ-Community, radikale Feministinnen auf überzeugte Schnauzbartträger. Also: Was ist Dolly Parton? Authentisches Cowgirl oder Karikatur ihrer selbst? Wohl beides: Kaum steht sie in Strass und Glitzer auf einer Bühne, scheinen die tiefen politischen ­Gräben, die die USA durchziehen, zugeschüttet.

Wie schafft sie das? Warum ist Dolly Parton, Mitbesitzerin des Vergnügungsparks Dollywood und 500 Millionen US-Dollar schwere Geschäftsfrau, die demnächst ihren eigenen TV-Sender starten will, so ziemlich das einzige Thema, bei dem sich US-Amerikaner*innen nicht die Köpfe einhauen? Als Sängerin und Songschreiberin hatte sie sich bereits zu einer Zeit im männerdominierten Country-Geschäft durchgesetzt, als Frauen nur die Wahl zwischen Kindern, Küche oder Kirche blieb. 3.000 Songs hat sie geschrieben, 1.000 sind aufgenommen worden, schon in ihren ersten in den 1960er-Jahren beschrieb sie die Unterdrückung der Frauen.

Seitdem ergreift sie immer wieder Partei in ihren Songs – trotzdem würde sich Parton niemals als Feministin bezeichnen. Ihre Lieder greifen immer wieder relevante Themen auf, doch mit explizit politischen Aussagen hält sie sich zurück: „Für Politik bin ich nicht zuständig“, sagt sie, „ich singe, ich bin eine Entertainerin.“ Und macht lieber Graswurzelpolitik: Über ihre Stiftung setzt sie sich für die Alphabetisierung ein und hat mehr als 200 Millionen Kinderbücher verteilen lassen.

Wer ihren Songs lauscht, findet eine Frauenrechtlerin und Kämpferin für soziale Gerechtigkeit. Das bewusst unpolitische Image sorgt dafür, dass ihre progressiven Botschaften auch Menschen erreichen, die eigentlich andere Ansichten haben. Und so hat Dolly ­Parton, weil sie Party statt Partei verspricht, größeren politischen Einfluss, als jeder ­parolensatte Politbarde. Thomas Winkler

Universal

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Daniele di Bonaven­tura Band’Union & Ilaria Pilar Patassini: Italia Folksongs

Kleine Italienreise gefällig? Daniele di Bonaventura spielt das Bandoneon, ist aber kein Tango-Musiker! Er verbindet seine klassische Ausbildung mit der Jazz-Improvisation und verschiedenen Volksmusik-Traditionen. Seine Italia Folksongs sind hochkarätige Adaptionen italienischer Volkslieder, ausgewählt aus unterschied­lichen Regionen des italienischen Stiefels – unter anderem aus den Abruzzen, Neapel und einem an Frankreich grenzenden Tal im Piemont. Die bemerkenswerte Sängerin Ilaria Pilar Patassini betont die Vielfalt, indem sie einige der Songtexte im jeweiligen regionalen Dialekt präsentiert. Bonaventuras Arrangements sind einerseits der Tradition verpflichtet, fügen andererseits den Liedern auf moderne Weise eine bislang ungekannte Musikalität und Tiefe hinzu. Die mit Gitarre, Kontrabass und Percussion besetzte Akustik-Band sorgt für eine wohltuende klangliche Bandbreite. Die Essenz populärer italienischer Volksmelodien neu zu beleben, ohne die Tradition zu beschädigen, das ist Daniele di Bonaventura bestens gelungen. Peter Rixen

CD, Visage Music/Galileo

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Parchman Prison Prayer: Some Mississippi Morning

Parchman Farm ist die älteste und berüchtigste Strafanstalt in Mississippi. Hier warten Häftlinge des US-Bundesstaates auf ­ihre Todesstrafe; hinter ihren Gittern entstand aber auch ein beachtliches Kapitel der Popgeschichte. Die Blues-Legende Son House leistete hier Zwangsarbeit, Bukka White setzte den üblen Haftbedingungen im Parchman Farm Blues ein Denkmal, und Elvis Presleys Vater Vernon saß hier wegen Scheck­betrugs ein. Der berühmte Musikforscher John Lomax und sein Sohn Alan nahmen im Parchman Prison in den 1930er/40er-Jahren die Gesänge der Insassen auf – eine Tradition, die jetzt Ian Brennan aufrechterhält. Der US-Produzent reist um die Welt, um die Musik von Benachteiligten und Vergessenen zu erhalten. Nach jahrelangen Bemühungen durfte er in einem Sonntagsgottesdienst die Gospels der Parchman- Gefangenen aufnehmen. Zu klatschenden Händen und spartanischer Instrumentierung erheben sich nun beeindruckende Stimmen, die sonst niemals gehört worden wären. Sie preisen den Herrn, weil er Trost spendet, Hoffnung gibt und verspricht, ­alle Ketten zu sprengen. Nicht nur dieses Break Every Chain bekommt aus dem Mund eines Strafgefangenen eine nahezu subversive Bedeutung. Thomas Winkler

CD, Vinyl, Digital, Glitterbeat